Kapitel 1

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Hallo, ich bin Aurora, ich bin 17 Jahre alt und gestern haben die Sommerferien begonnen. Wenn du jetzt glaubst, ich würde in Urlaub fahren und mich herrlich entspannen, da irrst du dich aber gewaltig. Ich sitze zu Hause und langweile mich, hoffentlich nicht zu Tode.

Es ist ja nicht so, dass sich meine Eltern einen Urlaub nicht leisten könnten. Das ganz sicher nicht, aber sie arbeiten die ganze Zeit. Ihnen offenbar reicht es, dass sie immer wieder auf Geschäftsreise sind. Ein wenig kann ich es verstehen, weil sie ja wirklich nicht oft zuhause sind. Aber ich, wo bleibe ich?

Manchmal habe ich echt den Eindruck, sie blenden komplett aus, dass es mich überhaupt gibt. Ich fühle mich zwischendurch nur als lästiges Anhängsel. Da kommen einem auch schon mal etwas sonderbare Ideen. So habe ich mich einmal gefragt, was anders wäre, hätte ich keine Eltern. Vermutlich wäre es nicht anders als jetzt. Die unregelmäßigen Begegnungen, wenn sie zwischendurch doch mal in der Gegend zu tun haben und die Fragen, wie es geht, fallen echt nicht großartig ins Gewicht.

Inzwischen habe ich mich an diese Situation gewöhnt. Ich rede mir ein, dass es auch seine guten Seiten hat, zum Beispiel, dass ich zu einer selbstständigen, jungen Frau heranwachse. Ich arrangiere mich so gut es geht mit der Situation und mach für mich das Beste draus.

Nur im Moment ist es echt blöd. Ausgerechnet jetzt ist meine allerbeste Freundin Lea heute früh mit Familie, Hund sowie Sack und Pack zum Zelten nach Elba gefahren. Ihre Eltern sind ja wirklich süß und manchmal fast wie ein Elternersatz für mich. Sie hätten mich ja gerne mitgenommen, aber leider haben sie nicht genug Platz im Auto. Das ist so schon mehr als voll. Pech gehabt!

Heute hatte ich noch einige Besorgungen zu erledigen. Aber die sind nun auch getan und jetzt fängt die Langeweile an. Aber darüber, was ich morgen machen werde, zerbreche ich mir im Moment noch nicht den Kopf. Dazu habe ich immer noch Zeit, mehr als genug.

Ich stöbere im Moment in der Bibliothek meines Vaters. Sie ist zwar sein Heiligtum und wenn er wüsste, dass ich mich hier einfach bediene, würde es einen Riesenkrach geben. Keine Ahnung, warum er so dagegen ist, dass ich mir ein Buch nehme. Aber er ist im Moment ja nicht da. Meine Eltern sind - oh Wunder - wieder einmal auf Geschäftsreise. Wo sonst? Pech für ihn!

Ich fahre mit dem Finger über eine Buchreihe, begutachte die Titel und nehme mir schließlich ein altes Buch aus dem Regal. Damit setze ich mich dann in den gemütlichen Ohrensessel im Erker. Dort kuschle ich mich unter die flauschig-warme Decke, weil es am Abend noch immer eher kühl wird und schlage neugierig das Buch auf.

Das Buch fällt völlig aus der Reihe. Es trägt keinen Titel, sieht ausgesprochen alt aus, ist in Leder gebunden, was sehr unüblich ist und hat wohl deshalb mein Interesse geweckt. Auf dem Umschlag kann ich nur einen großen goldenen Drachen erkennen. Ob es der Drache oder sonst etwas an dem Buch war, das mich fast schon magisch angezogen hat, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall, ich habe es gesehen und es hat mich nicht mehr losgelassen.

Auf der Innenseite des Umschlages sehe ich eine Widmung. So zumindest sieht es aus. Sie ist in einer mir völlig fremden Sprache geschrieben. Allein die Form, wie die Worte in einer wunderschön geschwungenen Handschrift auf das Papier geschrieben wurden, lassen mich erahnen, dass es sich um persönliche Worte handeln könnte. Zu gerne würde ich den Inhalt verstehen. Aber ich habe keine Chance. Kein einziges Wort ähnelt auch nur im Ansatz einer der Sprachen, die ich beherrsche. Deshalb blättere ich leicht frustriert weiter. Dort finde ich eine Info, die ich zum Glück verstehen kann.

Lieber Leser,

dieses Buch ist ungewöhnlich. Es ist das Tor in eine unbekannte Welt, in eine Welt, die du dir nicht im Traum vorstellen kannst und die wunderschön, aber auch sehr gefährlich ist. Nur, wenn du besondere Fähigkeiten besitzt und eine reine Seele hast, solltest du weiterlesen und in diese Welt eintauchen.

Der Autor

Unschlüssig schaue ich die wenigen Zeilen an und frage mich, was das zu bedeuten hat. Ist das eine Art, unliebsame Leser abzuhalten oder steckt da mehr dahinter. Was sind übrigens diese „besonderen Fähigkeiten", von denen gesprochen wird. Davon steht natürlich kein Wort da. Dabei wäre gut, genau das zu wissen.

Ich bin nicht besonders, wie denn auch, ich bin eher durchschnittlich, das weiß ich. Eine sonderbare Formulierung ist auch das mit der reinen Seele. Jeder hat schon einmal gelogen und auch wenn es nur eine Notlüge war, war es dann auch nicht richtig und damit ist dann eine Seele wohl auch nicht mehr rein.

Aber von so ein paar Worten lasse ich mich doch nicht ins Box Horn jagen. Auch wenn ich keine besonderen Fähigkeiten besitze und über den Zustand meiner Seele auch nicht genau Bescheid weiß, werde ich mich nicht davon abbringen lassen, dieses Buch zu lesen. Wenn ich ehrlich bin, dann stacheln genau diese wenigen Worte meine Neugier noch weiter an.

Also schlage ich die nächste Seite auf und finde dort einen Titel: „Legenda Major". Soweit ich Latein verstehe, müsste das „Die große Legende" heißen. Einen Moment bin ich irritiert. Nach der Abschreckung wie ich sie zu Beginn des Buches gefunden habe, hätte ich mir dann doch einen etwas spannenderen Titel erwartet. Was soll an einer Legende schon gefährlich sein? Entweder das Buch ist so was von langweilig oder es wird gut, sage ich mir. Jetzt bin ich erst recht neugierig geworden und beginne zu lesen:


Legenda MajorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt