Kapitel 5

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Ich wache noch vor Sonnenaufgang auf. Da ich noch nicht aufstehen will, bleibe ich im Bett, ziehe die Decke bis zum Kinn und denke über die Ereignisse von gestern nach. Dabei bleiben meine Gedanken an den Farben in meinem Magiefluss hängen. Immer und immer wieder frage ich mich, warum ich fünf Farben sehe und dies Nina so überrascht.

Da fällt mir ein, dass Ramon doch davon gesprochen hat, dass es Magier geben soll, die auch zwei Elemente beherrschen. Das würde die verschiedenen Farben erklären. Sonderbar wäre es aber dann doch, weil es fünf Farben sind, die ich erkennen kann und nicht nur zwei. Für mich ist das Ganze mit der Magie und den Kräften sowieso noch ein riesengroßes Rätsel.

Mehr aus einer Laune heraus als aus bewusster Überlegung, greife ich nach dem roten Band in meiner Magie. Ich schließe wieder die Augen und stelle mir eine kleine Flamme vor, die auf meiner Hand tänzelt. Ich halte dabei die Augen geschlossen, um mich besser konzentrieren zu können. Die Hand halte ich flach mit der Handfläche nach oben in die Luft. Ich kann aber absolut nichts spüren und bin darüber ein wenig enttäuscht. Es wäre doch zu schön gewesen, wenn ausgerechnet ich, der Neuankömmling, zwei Elemente beherrschen würde.

Ein wenig frustriert öffne ich die Augen und schaue dann äußerst dumm aus der Wäsche. Auf meiner Hand tanzt tatsächlich eine süße, kleine Flamme. Zu meiner großen Verwunderung verbrennt sie nicht meine Haut und es fühlt sich auch in keiner Weise warm oder gar heiß an.

Ich bin begeistert, lasse sie etwas größer werden und fühle immer noch nichts. Ich stelle mir vor, wie das Feuer um meine Hand lodert, was auch gleich geschieht, ohne irgendwelche Folgen für mich zu haben. Als ich meinen gesamten Unterarm in Flammen stehen habe und mir das nichts ausmacht, lasse ich das Feuer wieder verschwinden.

Ich bin fasziniert. Ich beherrsche zwei Elemente und bin damit eine absolute Ausnahme. Doch noch während ich mich freue, kommt mir ein weiterer Gedanke, der etwas hochnäsig sein könnte. Was ist mit den anderen Farben? Beherrsche ich fünf Elemente? Auch den Geist? Etwas das seit Generationen keiner mehr konnte und man deshalb nicht so viel darüber weiß?

Ich ermahne mich zu etwas mehr Bescheidenheit. Ausgerechnet ich soll die große Magierin sein? Das kann auch nur einem unbescheidenen Geist entspringen. Ist doch kindisch! Trotzdem lässt mich der Gedanke nicht ganz los.

Ich greife nach dem gelben Strang, stelle mir eine leichte Brise vor und schon kommt in meinem Zimmer ein sanfter Wind auf. Tatsächlich! Ich kann drei Elemente beherrschen. Das ist doch der absolute Wahnsinn! Was mich aber besonders stolz macht ist, dass ich dieses Mal nicht einmal mehr die Augen schließen muss. Es hat auch so funktioniert. Ganz einfach, ganz locker konnte ich nach der Magie greifen und sie hat mir auf Anhieb gehorcht.

Nun ist der ultimative Versuch dran. Ich stelle mir einfach nur vor, das Band mit der grünen Farbe zu greifen, eile zum Fenster und lasse in jenem Teil der Weide, unter der wir uns gestern niedergelassen hatten, der abgestorben zu sein scheint, Blätter wachsen. Zu meiner Verwunderung funktioniert auch das und dazu auch noch auf Distanz. Ich belasse die neuen frischen Triebe am Baum und kehre zu meinem Bett zurück.

Gedankenverloren sitze ich da. Mich wieder hinzulegen bin ich viel zu aufgeregt. Was hat gestern Ramon gesagt? Es gibt ein fünftes Element, den Geist. Damit soll man die Gedanken der anderen Menschen hören und sogar beeinflussen können. Das wäre unglaublich, einfach faszinierend. In meinem Übermut greife ich nach dem goldenen Band.

Zu meiner Überraschung habe ich dieses Mal größere Schwierigkeiten es zu fassen zu bekommen. Ich muss mich deutlich stärker konzentrieren, die Augen schließen und ganz bewusst danach greifen. Offenbar ist dies die schwierigste Aufgabe, zumindest für mich.

Nach einigen Fehlversuchen habe ich es schließlich doch geschafft, auch das goldene Band mit meinen Gedanken aufzunehmen und versuche mich nun auf etwas in meiner Nähe zu konzentrieren. Ich weiß ja selber nicht, wie ich das anstellen soll. Wie man eines der anderen Elemente beherrschen kann, konnte ich mir irgendwie noch vorstellen und es hat am Ende ja auch ganz gut funktioniert. Aber wie soll ich in die Gedanken anderer Menschen kriechen? So etwas kann ich mir bei aller Fantasie nicht vorstellen.

Doch plötzlich spüre ich etwas. Keine Ahnung, warum mir das auffällt, aber es ist etwas da. Verwirrt versuche ich mich zu orientieren. Es sind flüchtige Gedanken, die ganz leise sind, unverständlich zunächst und kaum präsent. Aber je mehr ich mich konzentriere, umso klarer werden sie.

„Ich habe zu kleine Brüste", höre ich plötzlich klar und deutlich.

Verwirrt schaue ich mich um, kann aber niemanden sehen. Wer hat da gesprochen? Ich versuche die Stimme zu lokalisieren und mir kommt es so vor, als käme sie von der Wand. Wie ist das möglich? Ich bin noch ganz verwirrt, da kommt mir der Gedanke, dass es von Nina kommen könnte, die hinter dieser Wand ihr Zimmer hat.

Ich fokussiere mich noch stärker, versuche die Stimme hinter der Wand zu finden und spüre einen menschlichen Geist. Keine Ahnung, wie ich so sicher sein kann, dass es ein menschlicher Geist ist, aber ich weiß es einfach. Und plötzlich habe ich Bilder vor Augen. Ich sehe, wie sich Nina im Spiegel betrachtet. Sie steht nackt davor und spielt mit ihren Brüsten. Sie versucht sie anzuheben, um sie fülliger wirken zu lassen. Ich kann die Unzufriedenheit in ihrem Gesicht spüren. Ich kann also auch Gefühle wahrnehmen.

Nina hat tatsächlich nicht die größten Brüste, aber ich finde sie ausreichend. Warum wollen immer alle so Riesendinger haben. Ich bin froh, dass meine nicht zu klein, aber auch nicht zu groß sind. Ich besitze weibliche Attribute, die in einem Kleid einen schönen Ausschnitt formen, die mir aber nicht im Weg stehen, wenn ich mich bewege. Vor allem beim Kampftraining können große Brüste ganz schön stören. Ein Mädchen, das unbedingt zur Garde wollte und mit mir zusammen die Ausbildung beginnen wollte, musste aufgeben.

Ich würde Nina gerne sagen, dass an ihr alles schön ist. Kann ich das etwa? Ramon hat so etwas gesagt, oder war es Nina? Ich versuche mich zu konzentrieren, ihr den Gedanken in den Kopf zu setzen, dass sie eine wundervolle Frau ist. Aber ich habe keine Ahnung, wie man das machen könnte.

Plötzlich beginnt Nina zu strahlen. Sie betrachtet sich auf eine ganz neue und viel positivere Weise im Spiegel.

„Ja, ich bin schön, eine wundervolle Frau", sagt sie leise zu sich.

Offenbar kann ich sogar die Augen und Ohren anderer Menschen wie meine eigenen nutzen. So wie es aussieht, gelange ich an die Informationen, die von den Augen und Ohren an das Hirn der anderen Person gesendet werden.

Aber nicht nur das. Offenbar kann ich sogar die Gefühle spüren, denn zusammen mit Ninas neuer Erkenntnis zu ihrem Körper, kann ich auch spüren, wie sie allmählich glücklich über ihre Brüste ist.

Langsam reichts mit meinen Versuchen und ich ziehe mich vorsichtig aus Ninas Geist zurück. Ich hoffe, sie hat nicht bemerkt, dass ich in ihrem Kopf war und sie ausgehorcht habe. Irgendwie komme ich mir deshalb schlecht vor, als hätte ich etwas Unrechtes getan.

Ich bin aber trotzdem mit mir und meinen Versuchen zufrieden. Ich besitze offenbar alle fünf Elemente. Plötzlich überkommt mich ein Gedanke: Soll ich den anderen davon berichten? Wie würden sie es aufnehmen? Ich beschließe, es vorerst für mich zu behalten. Bevor ich mir nicht sicher bin, wie ich selbst mit diesem Wissen umgehen soll, so lange werde ich es für mich behalten.


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