Als wir zurück in unsere Zimmer gehen, stelle ich fest, dass ich noch nicht müde bin. Ich habe den ganzen Tag geschlafen und die Besprechung hat mich, auch wenn sie anstrengend war, noch nicht müde gemacht. Deshalb stehe ich wieder auf, schleiche aus dem Schloss und laufe zur Lichtung, die ich bisher immer als Landeplatz verwendet habe. Ich verwandle mich in den Drachen, der ich bin, und erhebe mich hoch in die Lüfte.
Eigentlich will ich nur einen kurzen Erkundungsflug absolvieren. Ich will aber vor allem die Freiheit und Unabhängigkeit genießen, die ich weit oben am Himmel verspüre, und einfach nur entspannen. Stattdessen fliege ich dann doch die Grenzen aller vier Reiche ab. Dabei fällt mir auf, dass vor den Grenzen zum Reich des Ostens so gut wie keine Krieger aus dem Reich der Mitte stehen. Dafür stehen an der Grenze zum Reich des Nordens zahlreiche Kämpfer des Reiches im Osten. Mir kommt ein schrecklicher Verdacht.
Einer Eingebung folgend drehe ich erneut ab und fliege auch zu den Bergen, welche die Grenze zwischen dem Reich der Mitte und dem Land der magischen Wesen bilden. Mich interessiert, ob der Kommandeur der Garde den Hauptzugang bewachen lässt. Aus der Luft kann ich die Lage besser überblicken und vor allem kann ich nachts nicht von der Erde aus entdeckt werden, Da ich sowieso eine Runde fliegen wollte, stille ich damit gleichzeitig meine Neugier.
Zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass vor den Bergen ebenfalls Krieger Aufstellung nehmen. Offenbar will der Kämmerer auch das Land der magischen Wesen angreifen. Ich verstehe allerdings nicht, wie er von diesem Land wissen kann. Der Hauptzugang ist strengstens bewacht. Nun ist mir auch klar, warum keine Informationen mehr zu uns getragen werden konnten. Unsere Spione haben keine Chance mehr durchzukommen.
Ich habe genug gesehen und mache mich auf den Heimweg. Ich lande erneut auf der Lichtung, verwandle mich zurück und mache mich auf den Weg zurück zum Schloss. Am Tor stehen wieder vier Wachen und zumindest ihren Anführer erkenne ich sofort. Es ist der Mann, der bereits am Tag meiner Ankunft die Torwache angeführt hat.
„Ach, das Prinzesschen treibt sich nachts herum. Warst wohl am Spionieren", meint er.
„Ja, ich war spionieren, aber zum Vorteil deines Königs. Außerdem bin ich dir keine Rechenschaft schuldig", antworte ich entschlossen.
„Werde nicht frech!", fährt er mich an.
Ich bin überrascht vom Ton, den eine Wache mir gegenüber anschlägt. Mir verschlägt es regelrecht die Sprache und ich schaffe es nicht, eine passende Antwort zu finden. Plötzlich jedoch kommt mir eine mir wohlbekannte Stimme zu Hilfe.
„Aaron, ich denke, du wirst die nächsten Monate die Wache im Kerker übernehmen", sagt Ebur gelassen.
„Aber ich ...", will sich dieser verteidigen.
„Du hast noch nicht verstanden, dass Aurora kein Prinzesschen ist. Sie ist eine Prinzessin und Gast des Königs."
„Warum treibt sie sich dann des Nachts in der Gegend herum?"
„Ist sie dir Rechenschaft schuldig?"
„Nein, nicht, äh, direkt. Aber ich bin die Wache."
„Dann meldest du es mir oder meinem Vater. Glaubst du nicht, dass es uns zusteht, dies zu beurteilen?"
„Ja, Prinz Ebur."
„Entschuldige Aurora, noch unterwegs?", wendet er sich nun an mich.
„Ich konnte nicht schlafen. Habe wohl am Tag zu lange im Bett gelegen", grinse ich. „Allerdings muss ich euch morgen bei der Besprechung erzählen, was ich herausgefunden habe."
„Was hast du herausgefunden?", erkundigt er sich neugierig. Ich muss lächeln.
„Ich möchte es nicht jedem einzeln erzählen. Sei mir bitte nicht böse. Bis morgen", antworte ich aber nur.

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Legenda Major
FantasiEine junge Frau liest ein Buch und taucht dabei in eine magische Welt ein