Kapitel 8

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Etwa drei Stunden später ist es soweit. Ich lasse meinen Geist suchen, bekomme die Bilder aus Ramons Kopf zu sehen und erkenne, wie er den Tunnel passiert. Niemand folgt ihm. Der erste Teil der Aktion ist damit erfolgreich abgeschlossen. Deshalb lasse in den Köpfen der Anwesenden das Bild einer Brieftaube erscheinen, die zu einem offenen Fenster hereinfliegt und gebe Sigur mit einem Kopfnicken Bescheid.

„Jetzt beginnt der unangenehme Teil unserer Mission", informiere ich ihn im Geist.

„Er ist in Sicherheit", sage ich.

Dann lasse ich mein Schwert sinken und übergebe es Börinor, der sofort auf mich zugeeilt kommt. Er packt mich grob am Arm und ruft nach den Wachen, damit mich diese gefangen nehmen. Mein Vater schaut dem Treiben zu, als würde ihn alles nichts angehen. Würde ich nicht genau wissen, dass er unter dem Einfluss des Kämmerers und des Kommandanten der Garde steht, würde mich sein Verhalten doch etwas verwundern. Er war zwar nie der liebevolle Vater, aber so etwas hätte ihn dann doch nicht kaltgelassen. Weil ich um seinen Zustand weiß, habe ich Mitleid mit ihm. Er hat die falschen Leute um sich geschart.

Sigur will im ersten Moment auf Börinor zueilen und ihn davon abhalten, mich festzunehmen. Ich blicke ihm jedoch eindringlich in die Augen und nicke mit dem Kopf. Er versteht, dass dies sein muss.

„Behandelt die Prinzessin mit Achtung, auch wenn sie eine Gefangene ist", fordert er.

Doch es hört niemand wirklich auf ihn. Auch er legt sein Schwert nieder. Ich kann an seinem Gesichtsausdruck sehen, dass ihm dieser Schritt widerstrebt, dass er es auch nur macht, weil ich es so haben möchte. Sofort wird auch er von Wachen umringt und festgehalten.

„Werft die beiden in den Kerker. Wir sprechen das Urteil morgen", bestimmt der Kommandeur der Wache.

„Siehst du Vater, ich habe noch Ehre im Leib. Ich halte meine Versprechen", sage ich. Ich kann mir diesen Kommentar nicht verkneifen. Dann werde ich zusammen mit Sigur abgeführt.

Wie wir den Saal verlassen, spüre ich die Angst der Wachen. Sie fürchten sich vor mir. Ein junger Mann zittert sogar vor Aufregung und Sorge. Dabei haben diese Männer meine Magie noch gar nicht bewusst mitbekommen. Mein Vater reagiert auch nicht, als wir aus dem Saal geführt werden. Ich kann nur die Erleichterung spüren, dass mein Schwert nicht mehr gegen seine Kehle drückt.

„Die Kleine ist hübsch. Was wird mit ihr passieren", erkundigt sich eine Wache bei einer anderen.

„Ich denke, sie wird hingerichtet."

„Irgendwie schade", meint der erste.

„Keine Sorge, mein Kleiner, so schnell wird eine Prinzessin nicht hingerichtet", sage ich lachend.

„Auch Prinzessinnen werden hingerichtet", versichert mir der zweite.

Er ist etwas älter und scheint erfahrener zu sein. Er ist mir gegenüber nicht feindselig und seine Äußerungen beruhen eher auf sachlichen Überlegungen als auf gehässigem Denken.

„Wollen wir wetten?", frage ich.

„Wenn du die Wette verloren hast, kannst du sie nicht mehr einlösen", lacht der Wachmann belustigt auf.

Ich nehme eine goldene Brosche ab, die ich an meinem Hemd trage und reiche sie dem jüngeren der Wachen. Dieser schaut mich mit großen Augen an.

„Diese Brosche gibst du deinem Freund, wenn ich tot bin. Sollte ich aber die Wette gewinnen, dann hole ich sie mir von dir zurück", sage ich belustigt.

„Wenn das so ist, dann nehme ich die Wette an", grinst der ältere Wachmann siegessicher. Er wirft einen gierigen Blick auf das Schmuckstück, das sicher eine Menge wert ist.

Legenda MajorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt