Kapitel 25

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Zusammen mit Anastasia, Nina und Sigur betrete ich den Thronsaal. Als die neue Königin den Raum betritt höre ich „Oh!" und „Ah!" rufen. Die Leute sind überrascht. Für sie dürfte es ungewohnt sein, dass sie von einer Frau regiert werden, von einer so jungen und hübschen noch dazu.

Wir vier haben uns beim Frühstück ausführlich über das Reich der Mitte unterhalten und mit dem neuen Kämmerer beraten. Dieser scheint ein guter Mann zu sein. Mit seiner Wahl hat Anastasia wieder einmal bewiesen, eine gute Königin zu sein.

Als Anastasia und ich auf den Thron zugehen überkommt mich ein sonderbares Gefühl. Ihn so leer und verlassen zu sehen, macht Eindruck auf mich. Wenn ich vor meinem Weggehen den Saal betreten habe, saß immer mein Vater dort. Das wird er nie mehr.

„Nimm Platz!", bietet Anastasia an. Dabei deutet sie auf den Thron.

Ich schaue sie ein wenig überrascht an. Ja, ich hätte mich als Kind manchmal aus reiner Neugier gerne auf den Thron gesetzt, einfach um zu spüren, wie es sich anfühlt, dort zu sitzen und auf die Leute herabzuschauen. Aber jetzt, ist dieser Wunsch nicht mehr vorhanden. Nicht umsonst habe ich freiwillig darauf verzichtet. Deshalb gehe ich stattdessen auf den kleineren Thron zu, der eigentlich für die Königin vorgesehen ist. Bevor ich mich setze, wende ich mich an Nina.

„Darf ich?"

„Warum fragst du mich?", meint sie verwundert.

„Das ist der Thron, der eigentlich dem Partner der Königin zusteht, also dir."

„Du meinst doch nicht etwa...?"

„Doch, Nina. Du wirst als Frau der Königin Aufgaben zu erfüllen haben. Deshalb steht dir auch dieser Platz zu."

„Heute wäre mir lieber, du würdest darauf Platz nehmen", antwortet sie.

Ich stelle mich vor den zweiten Thron, warte aber, bis sich Anastasia auf den eigentlichen Thron niederlässt und setze mich erst dann. Eine gespannte Ruhe herrscht im Saal. Alle blicken erwartungsvoll zu uns. Da erhebt sich Anastasia und alle im Saal tun es ihr gleich.

„Liebe Anwesende, wir haben uns heute hier versammelt, um einen Neuanfang zu unternehmen. Was war, das ist vorbei und wir versuchen es nun besser zu machen. Wir wollen mit Zuversicht auf eine neue Zeit zugehen. Ich bin eure neue Königin und fühle mich geehrt. Es war Aurora, die eine neue Weltordnung ermöglicht hat. Trotz allem hat sie auf den Thron verzichtet. Ich wünsche mir aber, dass sie im Andenken dieses Landes, in der Geschichte, fest verankert ist und bleibt.

Um ohne Altlasten in eine gute Zukunft zu gehen, müssen wir noch das Urteil über den früheren Kämmerer und den Kommandeur der Garde fällen. Sie haben versucht, die Welt aus den Angeln zu heben.

Die beiden haben Auroras Vater, den König, unter Drogen gesetzt, ihn hintergangen und wollten die Prinzessin aus dem Weg räumen. Verbrechen, die jedes für sich schon unverzeihlich sind, und die eigentlich nur ein Urteil kennen. Hochverrat ist eines der schlimmsten Verbrechen, das man begehen kann."

Als sie das sagt, höre ich eine Frau im mittleren Alter scharf Luft holen. Sie sitzt in der ersten Reihe und schart fünf Kinder um sich, die ich auf zwei bis 12 Jahre schätze. Sie hat Tränen in den Augen und ihr Blick wandert nun von Anastasia zu mir. Da ich weiß, dass Börinor keine Familie hat, kann es sich bei der Frau und den Kindern nur um die des früheren Kämmerers handeln.

Noch während ich nachdenklich zur Frau hinschaue, werden die Türen zum Saal geöffnet und die beiden Gefangenen werden in den Saal geführt. Während der Kämmerer dem Wachmann widerstandlos folgt, widersetzt sich der Börinor auch heute aus Leibeskräften. Er schimpft und flucht, wie ein Rohrspatz. Es hilft ihm aber nichts, er wird vor den Thron gezogen und bleibt dort zusammen mit dem Kämmerer stehen. Während dieser wie ein geprügelter Hund dreinschaut, steht der frühere Kommandeur der Garde hoch erhobenen Hauptes da. Sein Blick sprüht vor Hass.

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