„Fliegen wir wieder mit dem großen Drachen?", will Emelie wissen.
„Natürlich, wir müssen nur noch zur Lichtung gehen", sage ich zu meiner zweijährigen Tochter.
„Kommt der Drache dann dorthin?", will ihr Zwillingsbruder Benno wissen.
„Du Dummi, der Drache ist doch die Mami", lacht seine Schwester.
„Kinder, zu mir her, wir müssen aufsteigen!", ruft Sigur. „Eine Kiste Flöhe zu hüten, wäre leichter", jammert er.
Ich lache. Ihn zu sehen, wie liebevoll er sich um die Kinder kümmert und wie unbeschwert sie aufwachsen können, erfüllt mich jedes Mal aufs Neue mit großer Freude. Meine Kinder dürfen Kinder sein. Keine Gouvernante, keine Lehrer und keine Ammen. Um unsere Kinder kümmern wir uns. Wir sind ihre Eltern. Zum Glück denkt Sigur in diesem Punkt genau wie ich.
Die Schlacht liegt nun schon fünf Jahre zurück, wir haben geheiratet und leben im Land der magischen Wesen. Seit die Kinder da sind, besuchen wir einmal im Monat den Opa, der sich immer riesig darüber freut. Unser Verhältnis ist zwar noch immer nicht perfekt, aber es hat sich gebessert. Mein Vater hat in seine neue Rolle gefunden und unterstützt nun tatkräftig den früheren Kanzler, von dem ich inzwischen weiß, dass er Baltasar heißt.
Etwas umständlich krallt sich Sigur an mir fest und hält dabei die Kleinen, so gut das eben geht. Ich verwandle mich und sie sitzen oben in meinem Nacken. Die Kinder lassen ein Juchzen hören und haben sichtlich Spaß. Vor allem Emelie liebt es zu fliegen. Manchmal kommt sie zu mir und bettelt mich an, eine Extrarunde mit ihr zu drehen. Natürlich muss dann immer ein Erwachsener mit, aber inzwischen hält sie sich gut auch selbst auf dem Drachen. Wir werden bald schon allein einen Flug wagen können.
Ich steige hoch in den Himmel und ziehe eine Extrarunde, die dieses Mal nicht für Emelie ist, sondern vor allem für mich. Ich genieße es immer noch, wenn ich hoch oben in den Wolken dahingleite. Sigur weiß das und sagt nichts, wenn ich nicht den direkten Weg nehme.
Doch auch so ist der Flug bald wieder vorbei. Ich kann die Kleinen nicht zu lange hinhalten und lande wenig später hinter dem Schloss.
„Weißt du noch, als wir das erste Mal hier gelandet sind?", frage ich in Gedanken meinen Mann.
„Das war eine Aktion."
„Aber es ist doch alles gelaufen, wie geplant?"
„Natürlich ist es das, bei deinen magischen Kräften", grinst er.
„Das waren schöne Zeiten."
„Heute nicht mehr?"
„Oh doch, versteh mich ja nicht falsch. Aber, wenn ich ehrlich bin, war für mich damals alles neu und aufregend. Bis dahin hatte ich wohlbehütet im Schloss mein Leben mit Lehrern und Aufgaben gefristet. Da wäre es nie denkbar gewesen, dass die Prinzessin in den Kerker einbricht und einen Gefangenen befreit", lache ich.
„Du schlimmes Mädchen", lacht auch Sigur.
Wir machen uns auf den Weg zum Schloss. Noch immer weiß niemand aus meinem früheren Leben von meinem Dasein als Drache. Selbst mein Vater kennt meine magischen Kräfte nicht. Er weiß auch nicht, wo wir wohnen, und kennt das Land der magischen Wesen nicht. Allerdings hat dies den Nachteil, dass wir unsere Sachen immer selber schleppen müssen, wenn wir anreisen. Zum Glück haben wir genügend Kleider und Spielzeug im Schloss, sodass wir nicht viel mitnehmen müssen und mit leichtem Gepäck reisen können.
„Hallo Arthur", begrüße ich den Wachmann. „Hast immer du Dienst, wenn ich komme?"
„Ich versuche hier zu sein, um Euch zu begrüßen, Prinzessin", antwortet er.

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Legenda Major
FantasyEine junge Frau liest ein Buch und taucht dabei in eine magische Welt ein