Kapitel 15

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Ich lande ganz in der Nähe des Schlosses. Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich den größten Teil meines Lebens verbracht und hier kenne ich mich bestens aus. Trotzdem kommt mir dieses Gemäuer plötzlich so fremd vor. Ich kann kaum glauben, dass ich bis vor wenigen Wochen so gut wie nie diese Mauern verlassen habe. Doch inzwischen ist mir ein anderes Land zur Heimat geworden.

Ganz in der Nähe des Schlosses befindet sich die Lichtung, sodass wir nicht weit laufen müssen. Wir nähern uns von der Rückseite und gelangen damit unbemerkt bis direkt an die Schlossmauer. Ich hatte erwartet, dass wir auf Wachen treffen und diese ausschalten müssen. Aber offenbar brauchen sie jeden Mann für den Krieg und lassen das halbe Schloss unbewacht.

„Die sind sich ihres Sieges ziemlich sicher", kommuniziere ich mit Sigur.

„Besser für uns."

Ich überlege kurz, dann gebe ich meinem Begleiter ein Zeichen, mir zu folgen, und schleiche an der Mauer entlang bis zum Bereich, wo sich der Kerker befindet. Nur ein sehr enger Schacht kommt neben der Mauer von weit unten herauf. Es ist die einzige Verbindung nach außen und dient dazu, dass etwas Luft nach unten gelangt. Der Schacht ist allerdings mit schweren Eisengittern gesichert. Für einen Menschen ist ein Entkommen auf diesem Weg völlig unmöglich.

Ich aber bündle meine magischen Kräfte, das Eisengitter klappt hoch und der Schacht wird etwas breiter. Die Materie gehorcht mir. Es ist immer wieder ein unglaubliches Gefühl von Kraft und Macht. Gleichzeitig aber spüre ich auch die immense Verantwortung, die mit diesen Fähigkeiten einhergeht. Solche Möglichkeiten in den falschen Händen, wären eine fatale Kombination.

„Wir müssen da hinunter", teile ich Sigur lautlos mit.

„Du kennst dich gut im Schloss aus. Eine Prinzessin sollte solche Orte gar nicht kennen."

„Hast du eine Ahnung, was eine gelangweilte Prinzessin alles in Erfahrung bringen kann."

„Gelangweilt oder entdeckungsfreudig?"

„Ich fürchte beides."

„Eine gefährliche Mischung."

Er grinst dabei schelmisch und auch ich muss lächeln. Ich verstehe mich mit Sigur und ich fühle mich bei ihm einfach unglaublich sicher. Mir ist durchaus klar, dass uns meine Kräfte wahrscheinlich mehr helfen können als Sigur. Trotzdem gibt er mir die nötige Gelassenheit, um eine solch dreiste Aktion durchzuziehen. Unter normalen Umständen wäre es purer Wahnsinn, einen Gefangenen aus dem Kerker des Königreiches befreien zu wollen. Aber die Umstände sind nicht normal.

Es geht mir bei unserer Aktion nicht nur darum, Eburs Vater zu befreien, es geht auch darum, das Vertrauen der anderen Reiche zu erlangen. Ich will damit aber auch dem Kämmerer und dem Kommandeur der Garde zeigen, dass sie nicht tun und lassen können, was ihnen gerade beliebt. Sie sollen spüren, dass der Feind sich wehren kann, dass ich eine ernstzunehmende Bedrohung für ihre Pläne bin.

Ich steige in den Schacht und lasse mich langsam, indem ich mich mit Händen und Füßen an den Wänden abstütze, nach unten gleiten. Da die Wände des Schachtes feucht und moosig sind, muss ich höllisch aufpassen, nicht abzurutschen. Aber es klappt alles perfekt. Unten angekommen versperrt ein weiteres Eisengitter den Zugang zum Zellentrakt. Aber auch dieses Gitter weicht, dank meiner magischen Kräfte.

Während Sigur hinter mir herabsteigt, springe ich lautlos in den Gang, der vor den Zellen entlangläuft. Es ist sehr dunkel hier. Nur wenige Fackeln spenden ein schummriges Licht. Aber das wussten wir ja bereits aus eigener Erfahrung. Im Moment kommt uns dies jedoch zugute, da wir uns leichter vor den Wachen verstecken könnten, würde jemand auftauchen.

Legenda MajorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt