Kapitel 11

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Mit weit ausgebreiteten Flügeln und nur leichten Bewegungen gleite ich durch die Luft. Einmal weit oben am Himmel, ist das Fliegen völlig entspannt und überhaupt nicht anstrengend. Es ist ein berauschendes Gefühl. Die Welt liegt weit unten und ich komme mir vor, als wäre ich absolut frei. Der Wind streicht sanft über meinen Körper, die Sonne wärmt ihn und ich fühle mich wohl, wie nur selten in meinem Leben. Ich genieße es in vollen Zügen, ein Drache zu sein.

Erst nach einer halben Ewigkeit wird mir bewusst, dass ich Sigur immer noch auf dem Nacken haben sollte. Deshalb drehe ich den Kopf und schaue mich um. Tatsächlich, er sitzt zwischen zwei Stacheln, die sich vom Kopf meinen gesamten Rücken bis zur Schwanzspitze hinziehen. Er hält sich etwas verkrampft daran fest.

„Wie fühlst du dich?", frage ich ihn im Geist.

Ich nutze bewusst die lautlose Kommunikation, da ich nicht davon ausgehe, dass er mich verstehen würde. Zum einen bin ich mir nicht sicher, welche Laute ich als Drache von mir gebe und zum anderen würde er mich in dieser Situation auch rein akustisch nicht hören können.

„Du bist ein gewaltiger Drache. Mein Vater ist gegen dich ein Zwerg", antwortet er mit deutlicher Ehrfurcht in der Stimme.

„Echt? Ich habe mich selbst ja nicht wirklich gesehen."

„Du bist sicher doppelt so groß, wie er."

„Die Flucht ist uns auf jeden Fall geglückt", sage ich kichernd.

„Dafür kennen sie nun dein Geheimnis."

„Wenn ich das richtig verstanden habe, dann bin ich so gut wie unbesiegbar."

„Nur ein anderer Drache könnte dir gefährlich werden."

„Ich kenne nur deinen Vater."

„Ich auch. Aber auch der wäre für einen so gewaltigen Drachen wie dich keine Gefahr."

„So wie du auf mir sitzt, bist du noch nie geflogen", wechsle ich kichernd das Thema.

„Mein Vater hätte mich nie aufsitzen lassen. In seinen Augen wäre das vermutlich ein Frevel. Für ihn ist Fliegen nur den Drachen vorbehalten."

„Das ist doch Quatsch! Wie fühlt es sich an?"

„Es ist wunderbar. Ich habe nur noch etwas Angst, herunterzufallen."

„Dann würde ich dich schon wieder auffangen", grinse ich.

Er lacht und glaubt es mir wohl nicht. Ich kann den Zweifel in seiner Stimme hören. Deshalb erlaube ich mir einen Scherz. Ich drehe mich abrupt zur Seite und bewirke damit, dass er den Halt verliert und in die Tiefe stürzt. Ich kann einen langgezogenen Schrei hören und dabei die Panik erkennen, die von ihm Besitz ergreift.

Blitzschnell schieße ich nach unten, tauche unter Sigur und lasse ihn sanft auf meinem rechten Flügel landen.

„Siehst du!", kommuniziere ich mit ihm.

„Spinnst du? Ich bin beinahe vor Angst gestorben."

„Angsthase, ich wollte dir nur zeigen, dass du dich auf mich verlassen kannst."

„Das soll mich beruhigen?"

„So war es gedacht."

Ich muss lächeln, weil ich Sigur nicht für so ängstlich gehalten habe. Allerdings wird mir auch bewusst, dass das Fliegen nicht sein Element ist und er wohl deshalb mehr Angst hat als ich. Zudem weiß ich, was ich kann, während er sich auf mich verlassen muss und selbst keinen Einfluss auf das Geschehen hat.

Legenda MajorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt