Kapitel 9

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Wir werden in Ketten gelegt und unter strenger Bewachung in den Thronsaal geführt. Auch heute sind alle wichtigen Persönlichkeiten des Reiches anwesend. Natürlich sind alle da, wenn es darum geht, die Prinzessin zu verurteilen.

Als ich eintrete und sehe, dass der Kämmerer neben dem Thron steht, ist mir klar, dass er auf Nummer sicher gehen will. Obwohl es äußerst ungewöhnlich ist, dass jemand, der nicht zur königlichen Familie gehört, neben dem Thron steht, scheint sich keiner im Saal darüber zu wundern.

„Warum ist der zweite Thron leer. Wo ist deine Mutter?", flüstert mir Sigur zu.

„Meine Mutter ist an einer schweren Krankheit gestorben, als ich noch ganz klein war."

„Das tut mir leid."

„Du kannst ja nichts dafür und außerdem ist es lange her."

„Wie hat es dein Vater aufgenommen?"

„Er hat sich sehr in sich zurückgezogen. Aber er war immer für mich da. Er war zwar nie der überschwänglich liebevolle Vater, aber sein derzeitiges Verhalten ist schon noch kälter. Es hat wohl damit zu tun, dass ihm der Kämmerer und der Kommandant der Garde Drogen oder sonst ein Medikament verabreichen."

„Ruhe!", brüllt der Kämmerer.

Er scheint der Rädelsführer der Bande zu sein, welche ganz offensichtlich die Macht im Reich an sich reißen will. Börinor greift sich meine Kette und schleift mich vor den Thron.

„Da unser geschätzter König heute heißer ist, werde ich als sein Sprachrohr dienen", beginnt der Kämmerer. „Wir sind hier versammelt, um über das Schicksal von Prinzessin Aurora und ihres Begleiters zu befinden. Sie werden beschuldigt Magier zu sein."

Ein Raunen geht durch den Saal. Immer dann, wenn die Rede von Magie ist, fürchten sich die Leute. Ich greife nach meiner Geistmagie und versuche herauszufinden, was die Zuschauer denken. Sie sind ein wenig unsicher, aber sie sind nicht gänzlich gegen mich. Sie wollen erst schauen, was gegen uns vorgebracht wird.

„Wie kommt Ihr auf den Gedanken, ich könnte eine Magierin sein?" frage ich deshalb.

„Ich weiß es", fährt mich der Kämmerer an.

„Dann wisst ihr mehr als ich."

„Gebt es doch zu. Es hat keinen Sinn zu leugnen. Es steht in den Büchern, dass eine Prinzessin kommen wird, die über große, magische Kräfte verfügen wird."

„Das kann durchaus stimmen, was in den Büchern steht. Aber muss das genau ich sein?"

„Es gab schon lange keine Prinzessin mehr, es gab in den letzten Jahrzehnten nur noch Prinzen."

„Na und? Was sagen die Bücher dazu? Gibt es genaue zeitliche Angaben."

„Das nicht ...", gibt der Kämmerer zu.

„Aber ihr wollt einfach den sicheren Weg gehen und die Prinzessin aus dem Weg räumen, ganz egal ob sie nun eine Magierin ist oder nicht", halte ich dagegen.

„Die Weissagung kann nur auf Euch zutreffen", beharrt er.

„Das ist doch nur Eure Vermutung. Habt ihr einen Beleg dafür? Habe ich etwas getan, das vermuten ließe, dass ich über magische Kräfte verfüge?"

„Nicht direkt."

„Indirekt?"

„Auch nicht."

„Na, seht Ihr, ich verfüge über keine magischen Kräfte."

„Woher wusstet Ihr, dass Hauptmann Samon in Sicherheit ist. War das nicht Magie?", fällt ihm plötzlich ein.

Ein Raunen geht durch die Zuschauer. Zum ersten Mal hat er sie verunsichert. Bisher war es mir gelungen, sie immer weiter auf meine Seite zu ziehen.

Legenda MajorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt