Kapitel 9

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Ein Zischen lässt mich hochschrecken und ich trotte hinter Sami aus dem Bus.

Gerade noch rechtzeitig haben wir es in unseren Zug geschafft und sitzen nun in einem Vierersitz, jeder auf einem Fensterplatz, unsere Taschen und Boards auf den Plätzen neben uns. Ich höre gerade Musik und will ein neues Lied aussuchen, als ich aus Versehen auf die Kontaktliste tippe. "Michi :P", steht groß auf schwarzem Hintergrund, darunter eine Nummer. Ich muss lächeln, als ich seinen Eintrag lese. Soll ich ihm schreiben?

 Zögernd gehe ich auf Whatsapp und sehe mir sein Profil an. Sein Profilbild zeigt ihn und Christoph mit coolen Sonnenbrillen, vor Wasser. Wahrscheinlich irgendwo in Hamburg. In seinem Status sind nur ein paar sommerliche Smileys zu sehen.

Nachdenklich tippe ich auf seinen Chat. Das Wort "online" sticht mir ins Auge. Also entschließe ich mich, ihn anzuschreiben, damit er wenigstens schon einmal meine Nummer hat. Also schreibe ich ihn mit einem einfachen "Hey" und einem lächelnden Smiley an. Nur wenige Sekunden später kommt die Antwort. "Hallo Emma :)", hat er geschrieben. "Habt ihr den Zug noch bekommen?", fügt er hinzu. "Ja, grade noch :P", antworte ich grinsend.

So schreiben wir noch ein wenig weiter, bevor Michi sich entschuldigt und offline geht. Verträumt schließe ich meine Augen und falle in einen kurzen Schlaf.

Sami schüttelt meine Schulter. "Emma, wir sind gleich da!", meint er genervt. Benommen sehe ich mich um, bevor ich realisiere, wo ich bin und was ich hier mache. Schnell schnappe ich mir meine Tasche und mein Board und laufe hinter Sami zu der nähesten Tür. Als wir auf den Bahnsteig treten, ist es schon dunkel und ziemlich kühl draußen.

Wenig später sitzen wir in Moms Auto und  nachdem sie wirklich zugestimmt hat, dass ich morgen noch ein mal nach Köln fahre - wobei ich das Zugticket selber zahlen muss - schließe ich schläfrig die Augen. Doch ich kann nicht schlafen. Auch noch nicht, als ich in meinem kuschligen Bett liege, leichter Wind durch mein gekipptes Fenster frische Luft hereinweht und alles dunkel ist. Mein Kopf ist voll von dem heutigen Tag. Von der Gamescom. Von Simon. Unserer Umarmung. Und von ihm. Gomme. Lächelnd schüttle ich den Kopf. Es ist alles so surreal, dass ich es gar nicht wirklich realisieren kann. Und wie wird es morgen erst sein, wenn ich den ganzen Tag mit ihm verbringen kann? Es gibt nur ein Problem. Bei dem Gedanken daran fallen meine Mundwinkel nach unten und mein Magen verkrampft sich. Ich kenne ihn schon. Und er weiß es nicht. Mir ist klar, welche Konsequenzen mein Versteckspiel mit sich ziehen kann. Sollte er es herausfinden, würde er enttäuscht von mir sein und verletzt und traurig abziehen. Und mich vermutlich hassen.

Aber wenn ich es ihm morgen sagen würde, wäre seine Reaktion anders? Und wäre er immer noch so offen und "normal" gegenüber mir, wenn er wüsste, dass ich eine der Million Menschen bin, die täglich seine Videos gucken. Vermutlich nicht. Was bleibt mir also übrig?

Ich weiß, dass es falsch ist. Dass ich lüge. Ihn in gewisser Weise betrüge. Ein falsches Spiel spiele. Aber ist es nicht verständlich.?Soviel Zeit mit ihm verbringen zu dürfen, übersteigt alle meine Träume und Vorstellungen. Wieso sollte ich diese Chance also nicht ergreifen?

Ich fasse einen Entschluss. Ich werde den morgigen Tag genießen. Und danach werden wir wahrscheinlich sowieso wieder getrennte Wege gehen. Und was mir bleibt, ist eine Erinnerung an einen der schönsten Tage meines Lebens.

Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen schlafe ich schließlich doch ein.


Von Spielemessen und Radiergummis- GommeHD FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt