Kapitel 42

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Es fühlt sich an wie Liebeskummer. Wie eine Trennung, obwohl wir noch zusammen sind. Ich hätte nie gedacht, dass eine Fernbeziehung so schlimm sein kann. Doch jetzt, eine Woche, nachdem Em und ich zurückgefahren sind, weiß ich es besser. Es fühlt sich an, als fehlt ein Teil von mir und jeden Abend, wenn ich im Bett liege und an ihn denke, blutet mein Herz an dem Gedanken, ihn am nächsten Tag wieder nicht zu sehen. Die meiste Zeit bin ich lustlos und warte darauf, mit ihm schreiben können. Doch seit ein paar Tagen muss er wieder arbeiten, und so muss ich mich bis zum Abend gedulden, bis ich mit ihm schreiben oder skypen kann. Außerdem muss er noch seine Videos aufnehmen. Und so bleibt meistens nicht viel Zeit für mich. Den Zettel, den er mir am Bahnhof zugesteckt hat, habe ich an meine Pinnwand gehängt und mindestens einmal am Tag stehe ich davor, lese die Worte und muss lächeln. Und eigentlich sollte ich nicht meckern, denn immerhin bin ich mit dem Jungen zusammen, den ich liebe, und er liebt mich auch. Aber die Ungewissheit, wann ich ihn wiedersehen werde, macht mich traurig.

Em geht es ähnlich. Sie vermisst Chris mindestens genauso stark wie ich Michi. Die ersten Tage nach unserer Abreise, hatte sie, wenn ich sie besuchte, immer verheulte Augen und dann setzten wir uns auf ihr Bett und ich tröstete sie und irgendwann saßen wir da, Arm in Arm, und weinten uns beide den Frust von der Seele, solange, bis unsere Augen austrockneten und wir nicht mehr weinen konnten. Mittlerweile haben wir uns beide ein wenig beruhigt und eingesehen, dass es nichts bringt, uns so herunterziehen zu lassen. Natürlich tut es trotzdem weh. Aber wir schlagen uns tapfer. Diese Gemeinsamkeit, dass wir beide jemanden ganz schrecklich vermissen, verbindet uns und unsere Freundschaft ist in den letzten Tagen noch viel stärker geworden. Wir treffen uns eigentlich jeden Tag, manchmal nur um zu reden, manchmal um uns abzulenken, mit einer Shoppingstour, einem Schwimmbadbesuch oder einem DVD-Abend. Oder wir gehen reiten. Auf dem Pferd ist so ziemlich der einzige Ort, wo ich Michi für eine kurze Zeit vergessen kann.

Außerdem habe ich wegen Michi angefangen, Minecraft zu spielen. Und es macht mir eigentlich sogar ziemlich viel Spaß. Auch wenn ich ziemlich schlecht bin. Aber wenn er abends nach einer Aufnahme noch ein wenig Zeit hat, skypen wir zusammen und spielen eine Runde Survival Games. Und auch wenn ich nicht neben ihm, in seinem Zimmer sitze, sondern auf meinem Schreibtischstuhl, vor meinem alten Laptop, so gibt es mir doch das Gefühl, ihm näher zu sein und erinnert mich an die schöne Zeit mit ihm.

Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. "Em ruft an", steht auf dem Bildschirm. "Hey", sage ich fröhlich. "Hey Emma", antwortet Em aufgeregt. "Willst du vorbeikommen?" Ich überlege kurz. "Klar, gerne. Ich bin in zehn Minuten da." "Cool. Bis dann", verabschiedet sie sich und legt auf. Ich freue mich darauf, sie zu sehen. Sonst wäre ich heute wahrscheinlich den ganzen Tag nur im Bett gelegen oder hätte Youtube Videos geschaut. Grinsend ziehe ich mir eine helle Jeans, ein weißes T-Shirt und ein kariertes Hemd an, kämme meine Haare, schnappe mein Handy und gehe aus dem Haus. Em wohnt bei mir in der Nähe, sodass ich mit dem Fahrrad fahren kann. Wenige Minuten später drücke ich auf die glänzende Klingel neben der weißen Haustür. "Hey", begrüßt Em mich fröhlich und zieht mich in eine feste Umarmung. Dann lässt sie mich rein und wir gehen hoch in ihr Zimmer.

Ihr Zimmer ist der Traum so ziemlich jeden Mädchens. Es ist groß, durch die drei großen Fenster immer schön hell und zwei Wände sind in einem knalligen Pink gestrichen, während die anderen zwei Wände weiß sind. Zugegeben, ich könnte mir nicht vorstellen, eine pinke Wand zu haben, aber die Möbel, die Em dazu kombiniert hat und die Fotos und Wandtatoos, die an der Wand hängen, machen das Zimmer richtig schön. Auf dem Boden liegt ein großer weißer Teppich. Neben ihrem großem, weißem Bett mit unzähligen Kissen besitzt Em einen riesigen Kleiderschrank, einen Schreibtisch, mehrere Regale und einen Schminktisch. Wie immer lasse ich mich auf ihr weiches Bett sinken. Grinsend setzt sie sich neben mich und nimmt ihr Tablet in die Hand. "Ich habe gerade zufällig gesehen, dass Michi ein neues Video hochgeladen hat. Ein LetsPlay mit Chris!", teilt sie mir mit leuchtenden Augen mit. "Wie cool!", sage ich begeistert und zeige aufgeregt auf das Tablet. "Na los!" Lächelnd startet sie das Video. Es sind zwei Survival Games Runden, in denen Chris spielt, während Michi neben ihm sitzt. Es ist ungewohnt, aber ziemlich lustig, Chris' "Milchbubi-Stimme" zu hören und bei der Vorstellung, wie er vor dem Mikrofon sitzt und seine Stimme dermaßen verstellt, muss ich kichern. Er muss sich ziemlich doof vorkommen. Aber den meisten Zuschauern gefällt es und Milchbubi ist wirklich ziemlich beliebt. Wie immer, wenn die Beiden ein Video machen, ist es total lustig, vor allem, wenn Chris in einen Kampf gerät und total aufgeregt um sich schlägt. Em und ich sitzen lachend vor dem Tablet. Als das Video vorbei ist, starrt Em verträumt auf den schwarzen Bildschirm. "Es erinnert mich so an unsere Zeit in Hamburg", flüstert sie lächelnd. Ich nicke. "Vielleicht haben sie ja gerade Zeit, zu skypen", fällt mir ein. Sarah sieht mich hoffnungsvoll an. "Ich frag Chris!" Blitzschnell ist sie bei ihrem Handy und tippt gehetzt eine Nachricht ein. Ich schaue auf die Uhr. Heute ist Donnerstag, und es ist kurz nach fünf Uhr nachmittags, also könnte es gut sein, dass sie schon wieder daheim sind von der Arbeit. Eine Minute später piept Ems Handy. "Sie rufen in einer halben Stunde an", sagt Emily glücklich nach einem kurzen Blick auf den Bildschirm. Ich lächle zufrieden. "Das wird bestimmt lustig", sage ich vorfreudig zu ihr und stoße ihr in die Seite. Sie lacht und sieht mich dann an. "Ist das nicht total irre, dass wir mit Brüdern zusammen sind?", stellt sie dann lachend fest. "Oh ja, und wie", stimme ich ihr lachend zu. "Und dann auch noch mit zwei berühmten Brüdern", füge ich schmunzelnd hinzu. Sie kichert.

Dann wird sie ernst. "Du hast nicht vor, es ihm zu sagen oder?" Fragend blickt sie mich an. Ich senke den Kopf und zucke mit den Schultern. Dann schaue ich sie traurig an. "Bleibt mir eine Wahl? Du hast doch gesehen wie e"

Aprubt stoppe ich. Sie weiß das von der Party ja gar nicht mehr. "Was gesehen?" Em mustert mich irritiert. "Naja, wie... wie unangenehm es ihm war, mir von Youtube zu erzählen." Sie runzelt die Stirn. "Ich habe es nicht gesehen, weil ich nicht dabei war." "Ja, aber ich hab's dir erzählt", rechtfertige ich mich. Das scheint sie zu überzeugen. "Hm", brummt sie nachdenklich. Ich seufze innerlich erleichtert auf.

"Ich weiß, dass du Angst vor seiner Reaktion hast. Aber stell dir mal vor, Michi würde dir sowas Großes verschweigen. Wärst du da nicht total verletzt?" Ich schlucke.

"Doch. Aber ich weiß nicht, ob es viel besser wäre, wenn er es mir jetzt sagen würde."

"Und würdest du ihn deswegen hassen?", fragt Em weiter. "Oder würdest du ihn immer noch lieben?"

"Ich werde ihn immer lieben, egal was kommt", sage ich bestimmt.

"Da hast du deine Antwort.", sagt Em achselzuckend.

"Welche Antwort?", frage ich verwirrt.

"Auf die Frage, wie Michi reagieren wird. Er wird verletzt sein, aber nicht aufhören, dich zu lieben."

Sie lächelt mir aufmunternd zu. Ich denke über ihre Worte nach. Es tröstet mich nur wenig. Ihn zu verletzen wäre schlimm genug. "Das wird schon", versucht Em mich aufzumuntern. "Und jetzt denk' an was anderes. Gleich rufen die Jungs an und es wird bestimmt total witzig und cool." Ich lächle ihr dankbar zu und mache es mir in ihrem Bett gemütlich. Emily holt ihren Laptop und setzt sich neben mich. 


Von Spielemessen und Radiergummis- GommeHD FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt