LUCCHETTO

13 2 9
                                    


Blair

Behutsam strich ich meinem Sohn, einer seiner braunen Strähnen aus der Stirn. Ein leichtes Lächeln, was sowohl Angst, Trauer, als auch Liebe beinhaltete, stahl sich auf meine Lippen und ließ mich verträumt auf mein Ein und Alles nieder blicken.

"Was auch immer noch geschehen mag,", fing ich an zu flüstern, "Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben, mein kleiner, gebrochener Engel..."

Elliott

Von Kopfschmerzen geplagt öffnete ich meine Augenlieder, welche sich so schwer anfühlten, als würde ich mich erst gerade zum schlafen hingelegt haben. Dabei musste ich schon über mehrere Stunden weg gewesen sein, was sich jedoch alles andere als erholt anfühlte. Meine Glieder wahren wie betäubt und ließen mich so fühlen, wie ein Querschnittsgelähmter - nämlich gar nichts. Selbst das anheben meiner Arme viel mir sehr schwer, was aber teils auch daran lag, das ich an beiden meiner Handgelenk an das Gestell des Bettes fixiert war.

"Was..."

Auch meine Knöchel wurden festgebunden, womit ich, alle viere von mir gestreckt, wie auf dem präsentier Teller da lag; ausgeliefert und völlig wehrlos.
"Macht mich sofort los, ihr Bastarde!", kam es, anstatt gebrüllt, krächzend aus meinem Mund.
Nichts. Nicht mal der kleinste Mucks.
"Ich weiß dass du hier bist!", provozierte ich weiter, "Also komm aus deiner lächerlichen Deckung und hör endlich mit diesem dummen Versteckspiel auf!"
Ein schwaches Seufzen erklang, während im nächsten Augenblick eine Gestalt aus dem Schatten trat.

Trotz dem luxuriösen Chanel Kostüm, was die Frau trug, sah man wie am Ende sie wahr. Die Wangen wahren leicht eingefallen und unterstrichen die hohen Wangenknochen somit nur noch mehr. Auch der Körper wahr magerer geworden; die Haut so leichenblass wie meine. Und dennoch sah sie schön aus. Krank, aber wunderschön. Das lange, braune Haar glänzte und umschmeichelte die zierlichen Kurven, ihrer femininen Gestalt.

Knappe zwei Meter vor dem blieb sie schließlich stehen. "Du siehst schrecklich aus, mein Engelchen.", stellte die Brünette überflüssiger Weise fest. "Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben, Mum." Sachte legte sich ein Lächeln auf ihre dunkel geschminkten Lippen. "Der Krebs tut eben sein bestes was er kann.", Blair zuckte mit den Schultern, was mir ein schnauben entlockte: "Wie schade das sein Bestes dafür ganz schön lange dauert, um dich dahin zu raffen. Dabei währe ich doch schon so gerne vor neun Jahren auf deine und Vater's Beerdigung gegangen." "Lüge." "Nein, wahrheitlicher Sarkasmus."

Eine lange Weile wahr es still zwischen uns. Keiner Sagte, oder machte etwas. Wir sahen uns nur stumm in die Augen, bis meine Mutter nach Minuten den Blickkontakt abbrach.
"Meinst du das ernst?", fragte sie leise und sah auf ihre filigranen Finger, welche ich von ihr geerbt hatte, "Das, das du mich und Vincent tot haben willst?" "Ja! Warum sollte ich lügen?", kam es ohne zu zögern aus meinem Mund, "Außerdem habe ich euch bis vor kurzem noch tot geglaubt." Vorsichtig nickte die Brünette. "Verstehe." "Nein, tust du eben nicht!", wurde ich wütend, "Du, oder Vater versteht gar nichts! Ihr denkt, das ihr mich kennt, weil ich ja euer so perfekter Sohn bin! DABEI VERSTEHT MICH KEINER IN DIESER GOTTVERDAMMTEN WELT!"

Laut hallte der Schlag in dem Zimmer wieder, als die Hand meiner Mutter, auf meine Wange traf. Sofort wurde die Stelle heiß und fing an zu brennen. Mein gesamter Körper verspannte sich augenblicklich, während sich die Augen meiner Mutter vor Schreck weiteten. Als könnte sie nicht glauben, was sie gerade getan hatte, blickte sie mich wie ein scheues Reh an. "I-i-ich- Oh mein Gott! E-Elliott es tut-", fing sie an zu stottern, doch resigniert unterbrach ich sie: "Nein tut es nicht - sonst hättest du es nicht gemacht. Spar dir also deine Entschuldigungen und binde mich lieber los." "Das kann ich nicht. Das würde sonst den ganzen Plan ruinieren." Abstoßend schnaubte ich. "Elliott bitte! Ich- Wir wollen doch nur das beste für dich; dich beschützen." "Ach ja? So wie wie damals? Vor wem wollt ihr mich denn schützen, wenn nicht vor euch selbst?"

"Vor dir!"

Wie in einem schlechten Film, ließ sich meine Mutter vor mir auf ihre Knie fallen und faltete ihre Hände flehend zusammen. "Ich weiß das wir nie eine normale Vater-Mutter-Kind-Beziehung hatten und das tut mir auch unfassbar leid, das wir nie die Eltern sein konnten, die du eigentlich gebraucht hättest, aber du musst uns verstehen, mein kleiner Engel - wir wollen doch nur dass es dir gut geht und das tut es dir definitiv nicht! Elliott, du magst vielleicht denken, dass du in so einer Welt wie den Underground leben kannst und bis hier hin hast du es ja auch geschafft, aber hast du dich mal im Spiegel angesehen?", die braunen Augen von Blair füllten sich mit Tränen, "Du siehst aus, wie der Tod persönlich. Weder glänzen deine Augen, noch ist eine einzige Emotionale Regung in deinem Gesicht zu finden, dabei bist du doch gerade erst achtzehn." Als sie mütterlich meine Wange streicheln wollte, wand ich den Kopf ab: "Warum jetzt? Was ist in den letzten Jahren geschehen, dass ihr erst euren Tod vortäuscht und nun mich im Auge habt? Was ist so anders, als zu damals?"

"Alles..."

Zum zweiten Mal fand sich eine bedrückende Stille ein. Ich sah stur an die Decke, während meine Mutter ihre Augen schloss, um ihren Tränen keinen freien Lauf zu gewähren.

"Es tut mir leid. Es tut mir alles so unendlich leid, mein kleiner Engel. Wenn ich könnte, würde ich alles ungeschehen machen. Dein Leid. Dein schweres Leben. Ja sogar deine Geburt! Hätte ich dich damals einfach abgetrieben, währe es heute nie soweit gekommen. Was nicht heißen soll, dass ich dich nicht liebe und vom ganzen Herzen wollte! Aber ich wahr damals so geblendet von der Vorstellung, Mutter zu werden und ein kleines Lebewesen großzuziehen...Ich habe dabei jedoch nicht an die Konsequenzen gedacht, die der Underground mit sich zog und nun ist es zu spät - für alles und jeden. Besonders für dich."

"Warum plötzlich so melancholisch?", mit einer erhobenen Augenbraue drehte ich meinen Kopf wieder zu meiner Mutter, die sich die nassen Spuren auf ihren Wangen wegwischte. Tonlos zuckte sie mit ihren Schultern. "Keine Ahnung. Vielleicht kommt mein Mamisinn nun doch durch, wenn auch spät." "Mamisinn?", lachte ich die weibliche Figur vor mir aus, "Natürlich. Und was kommt als Nächstes? Der Sinn danach, sein eigen Fleisch und Blut umzubringen? Ach Nein, warte - der ist ja bereits da."

Erneut traf Blair's Hand auf meine Wange. Entsetzen stand in ihren Augen.
"Mein Gott, verträgst du etwa keine Wahrheit?"
"Doch! Aber nicht wenn du dich darüber lustig machst!", zischte sie ernst.
"Jetzt verbietest du mir, in meinen letzten Stunden, auch noch den Spaß? Du bist wirklich nicht für die Rolle der fürsorglichen Mama gemacht.", ein drittes Mal klatschte es laut, "Aber keine Angst: der liebliche Sohn, stehst mir auch nicht so."

"Womit habe ich das bloß verdient?", verzweifelt schlug sich die Brünette ihre Hände vors Gesicht.

"Ähm, hallo? Ich bin hier derjenige, der ans Bett gefesselt wurde und in - schätzungsweise - zweiundsiebzig Stunden sterben wird!"
__________
Na, wie ist der erste Eindruck von Elliott's Mama, Blair?

Der erste Eindruck täuscht dich.
Der zweite verwirrt dich.
Und der dritte, lässt dich vollen Bewusstseins sterben. ~ Mellarie-Bellancia

Lizenz zum WahnsinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt