KÖNIG

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Spencer

"Wieso denn zurückholen? Ich wahr doch nie weg!"

Verwundert über die plötzlich aufgetauchte dritte Stimme, drehte ich mich um. Vor mir stand ein schwarzhaariger Mann, im edel gekleideten Anzug. Auf den Lippen trug er ein leichtes Lächeln, was jedoch nicht seine braunen Augen erreichte.
"Elliott...?", überrumpelt blinzelte ich einige Male, doch die verblüffende Ähnlichkeit des Mitte Dreißiger, mit dem Supergenie verschwand nicht. Nun wurde dessen Grinsen breiter. "Fasst.", mit geschmeidigen Schritten, wie eine Raubkatze kam er auf mich zu, "Aber falsch. Elliott ist mein Sohn. Dementsprechend bin ich-"

"Vincent Leonardo Da Vinci!"

Liam wahr neben mir aufgesprungen und stierte den, noch recht jungen Mann fassungslos an. Als könnte der Lockenkopf nicht glauben, was er sah, rieb er sich mit Daumen und Zeigefinger über seine geschlossenen Lieder, um sie darauf wieder zu öffnen. "Gott, halluziniere ich, oder i-ist er echt?" "Sollte letzteres nicht stimmen, sollte ich wohl auch mal zum Augenarzt.", antwortete ich ironisch, während ich nicht drumherum kam, Elliott's Vater von oben bis unten zu mustern. "Das kann nicht sein. Vincent ist tot!" "Anscheinend ja nicht, wie wir beide sehen." "Aber tot ist tot. Wenn das Herz erst einmal aufhört zu schlagen und auch das Gehirn seine Funktionen einstellt, ist da nichts mehr, mit atmen und lebendig sein." Wow, da hatte aber jemand viel Zeit mit dem Supergenie verbracht.
"Ob du es glaubst, oder nicht - das weiß ich! Trotzdem steht er da, mit anscheinend doch schlagendem Herzen und leistungsfähigem Gehirn."
"Ob du es glaubst, oder nicht - DAS SEHE ICH!", schrie Liam mich schon beinahe an. Seine Nerven wahren sichtlich am Ende.

"Meine Lieben, jetzt streitet euch doch nicht, wegen so einem kleinem Fehler in meinem Lebenslauf.", Vincent schüttelte amüsiert seinen Kopf über unsere Reaktion. "'Kleiner Fehler im Lebenslauf'?! Willst du mich eigentlich verarschen?!", nun wahr Liam wirklich auf hundertachzig, "Du bist 2009, mit der White Fly abgestürzt! Der Jet ist in über Hundert Teile zertrümmert worden und schließlich im Meer versunken - das hätte unmöglich jemand überleben können!" "Und doch stehe ich nun hier. Unverletzt und lebend. Solltest du dich nicht eigentlich darüber freuen, anstatt mich anzuschreien?" "Freuen? Worüber denn? Etwa, dass mein ehemaliger, sadistisch, kranker Meister - der eigentlich tot sein sollte - wieder da ist? Entschuldige wenn ich darüber nicht vor Freude in die Luft springe!"

"Du solltest deine Zunge zügeln, Liam."

Der Schalk wahr nun aus Vincent's Gesicht geflüchtet. Stattdessen durchbohrte er den älteren neben mir.
"Sonst was? Bringst du mich um?", als würde der Lockenkopf es herausfordern wollen, breitete er seine Arme aus, "Na dann; mach es hier und jetzt - alles ist besser, als auch nur eine verfluchte Minute länger in so einer Welt zu leben!"

"Okay, das reicht jetzt!"

Beschwichtigend schob ich mich vor Liam. Ich mochte den Kerl zwar nicht, aber sterben sollte er nun auch nicht gleich. Außerdem brauchte ich ihn noch, um Elliott wieder zu finden, um die egoistische Wahrheit zu sagen. Jedoch traf dies auch auf den schwarzhaarigen direkt vor mir zu. Ohne den Vater des Supergenie's würde ich scheitern - das wusste ich schon ab dem Moment, wo ich ihm das erste Mal in seine leeren, kühlen Augen gesehen hatte.

"Und du bist dann wohl der Wachhund, welcher sich die Sache, mit meinem Sohn angenommen hat."

"Spencer James - nett sie mal persönlich getroffen zu haben, Sir. Ich würde ihnen der höflichkeitshalber ja gerne auch noch die Hand zur Begrüßung reichen, aber leider trifft das nur auf Leute zu, die ich auch mag."

Belustigt gab Vincent ein Schnauben von sich und zog gleichzeitig eine seiner geschwungenen Augenbrauen in die Höhe. "Du hast mir damals schon gut gefallen, aber heute? Bonnie hat echt gute Arbeit geleistet, in deiner Erziehung. Ich mag dich und deine Art - ein schöner Gegenpol zu meinem Sohn." Bei der Erwähnung des Namens meiner Tante, kniff ich leicht meine Augen zusammen. Ich wollte etwas sagen, doch noch bevor ich den Mund öffnen konnte, grätschte mir Liam dazwischen: "Entweder rückst du mal langsam, mit der Sprache raus, was du hier willst, oder du verschwindest ganz schnell wieder in deine Rattenloch, aus dem Du gekrochen bist, Vincent!" "Du legst es auch wirklich darauf an, von mir verletzt zu werden, Liam; so kenne ich dich ja gar nicht.", erwiderte der ehemalige König des Underground's, "Henry ist da um einiges gefügiger." Nun wahr es Liam selbst, der bei dem Namen seiner zweiten Hälfte erstarrte. Wütend zuckte sein Adamsapfel auf und ab.

"Henry?", hakte ich nach, "Was hat er denn jetzt-" "Damit zu tun?", erneut erschien das krankhafte Grinsen, auf Vincent's Lippen, "Oh meine Lieben, Henry hat nie aufgehört für mich zu arbeiten. Weder vor, noch nach dem tragischem Unfall. Er wahr so zu sagen, mein verlängerter Arm, um besser an meinen kleinen Schatz, Elliott heranzukommen."
Mein kleiner Schatz, Elliott?
Warum auch immer, ob es an der Tonlage, oder doch am Gesichtsausdruck lag - vielleicht auch an beidem - konnte ich nicht sagen, nur das sich diese vier Wörter mehr als falsch aus Vincent's Mund anhörten. Dahinter steckte keine normale Väterliche Liebe; nicht mal ansatzweise. Ehr ekelte es mich an und ließ meine Galle noch oben wandern. Mich schüttelnd, schluckte ich das bittere Zeugs hinunter. "Das hört sich nicht gerade nach elterlicher Fürsorge an.", kritisierte ich, "Ehr nach einem psychopathischem Puppensammler, der die Porzellanfigürchen gegen echte Leben eintauscht." "So drücke ich nun mal meine Zuneigung zu meinem eigen kreiertem Meisterwerk aus."
Gott, das ging ja immer mehr in die falsche Richtung.
"Das ist doch-" "Krank?", unterbrach Vincent mich zum zweiten Mal, "Mach dir darüber keinen Kopf, Spencer - das liegt in der Familie." "Na dann bin ich ja beruhigt. Habt ihr eventuell schon mal nach nem guten Psychiater Ausschau gehalten?"

Nun lachte der schwarzhaarige kehlig auf: "Warum sich denn beschwatzten lassen, wenn man einfach lernt, mit seinen Schattenseiten umzugehen?" "Damit so etwas", mit meinem Finger deutete ich auf ihn, "nicht frei herumläuft." "Guter Einwand.", säuselte Vincent, "Nur leider gefällt er mir nicht." "Echt? Das hätte ich nun wirklich nicht erwartet.", verschränkte ich meine Arme vor der Brust. So langsam wurde ich ungeduldig. Ich wollte endlich wissen wo dieser Bastard Elliott hinverschleppt hatte und ob es ihm, verdammt nochmal gut ging!

"Du bist ganz schön drängelnd, Spencer.", kommentierte Vincent meine Haltung, während er sich in einen der Ledersessel niederließ, "Liegt dir vielleicht irgendwas auf deinem kleinen, mickrigem Herzen?" Wie bei einem Welpen, funkelten die braunen Augen des ehemaligen Königs gespielt unschuldig auf, ohne dabei ihre dominante Härte zu verlieren. "Ich glaube sie wissen was es, oder besser gesagt wer es ist - ich muss das nicht noch extra in Worte fassen.", knurrte ich. Kurz schielte ich dabei neben mich zu Liam, der verdächtig ruhig geworden ist und wie apathisch vor sich hin starrte. Das mit Henry schien ihn richtig runtergezogen zu haben, jedoch nicht so sehr, wie ich eigentlich vermutet hätte. Sein Gesichtsausdruck gehörte ehr jemanden, der für seine schreckliche Theorie nun den Beweis bekommen hatte. "Also,", wand ich mich meiner Zielperson wieder zu, "wo ist er? Wo ist Elliott?" "Ganz schön forsch...aber gut, ich sollte dich wohl nicht länger auf die Folter spannen, obwohl du im Gegensatz zu meinen anderen Opfern, trauriger Weise ganz schön ruhig bleibst - Edward hat dich gut dressiert - schade eigentlich; so macht das ja gar keinen Spaß." Wütend näherte ich mich diesem arroganten Stock-im-Arsch-Träger, doch seine im nächsten Augenblick erhobene Hand, ließ mich stoppen.

"Was?!", fuhr ich ihn an, als er nichts sagte und mich nur hämisch ansah. Ich wusste das Vincent mich auf die Probe stellte und meinen Zorn heraus kitzeln wollte. Doch diesen Gefallen strebte ich nicht an ihm zu geben, weswegen ich mich innerlich um Ruhe und emotionalen Abstand zwang. Ich musste mich beruhigen; professionell bleiben.
"Ich würde es nett finden, wenn sie mir endlich ausführlich erzählen würden, was sie mit Elliott gemacht haben." "Wie nett du dich doch ausdrücken kannst - ein Gentleman wahrer Klasse. Du würdest perfekt in diesen Job hinein passen; als König und Leiter des Underground's meine ich." "Erstens: irren sie sich und zweitens: lenken sie vom Thema ab.", auffordernd hob ich meine Brauen, "Sollten sie also nicht langsam, mit der Sprache rausrücken, werde ich nicht mehr dieser feine Kerl sein und meine Manieren schnell vergessen."

"Lucchetto."

Das wahr alles. Nicht mehr und auch nicht weniger. Nur ein einziges Wort. Für mich ohne Bedeutung und ohne Zusammenhang, doch ich wusste, dass da etwas hinter steckte, leider nur nicht was.
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Wieso kann unsere Welt ohne Querdenker nicht existieren?
Ganz einfach: selbst die unendlich grade wirkendeste Straße, biegt irgendwann ab. ~ Mellarie-Bellancia

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