Kapitel 4

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Das Feuer im Kamin knisterte. Mara blätterte in einem der vielen Bücher, die sie im Wohnzimmerschrank gefunden hatte. Alle davon waren sehr alt und auf verschiedensten Sprachen. Die meisten auf Hindi und Sanskrit geschrieben, das hatte sie dank Google erfahren. Der Computer im Arbeitszimmer hatte sich als ihr größter Freund entpuppt. Dank ihm hatte sie eine ganze Menge erfahren. Auch über ihre eigene Vergangenheit. Oder zumindest das, vor dem sie rannte.

Ihr Onkel war vor ein paar Tagen gefasst worden. Sie war nie so erleichtert gewesen wie in dem Moment, in dem sie das gelesen hatte. Doch vorhin... Sie berührte vorsichtig die Narbe an ihrem Hals. Seine Leute hatten ihn befreit. Er war wieder da draußen.

Die Panik, die sie überkommen hatte, war allmächtig gewesen und sie war unglaublich froh, hier bei Will zu sein. Hier würde er sie nie finden. Wie auch? Niemand wusste, wo sie war. Dennoch, die Angst war da. Wenn Dabrio sie fand... es wäre ihr Todesurteil.

"Kannst du so schnell lesen?"

Mara hatte gar nicht bemerkt, wie Will sich neben sie gesetzt hatte. Erschrocken klappte sie das Buch zu. Eins der wenigen, das auf Englisch geschrieben war. "Ich war in Gedanken", erklärte sie. Das passierte ihr oft. Sie driftete dann einfach ab und blätterte einfach die Seiten weiter um. Oder tat eben das, was sie zuvor getan hatte.

"Hab ich mir gedacht. Woran hast du gedacht?"

"Nicht so wichtig", winkte sie ab. Sie wollte nicht darüber reden. Will wusste nichts von ihrem Onkel und ihrer Vergangenheit und das sollte auch so bleiben. Niemand durfte es erfahren.

"Na dann. Wie geht's dir?" Er ließ sich neben sie aufs Sofa fallen.

"Gut", erwiderte sie automatisch.

"Und wie geht es dir wirklich?"

Mara bemühte sich um ein Lächeln, als sie ihn ansah. "Gut."

"Du lügst", stellte Will fest. "Ich sehe es in deinen Augen."

Die junge Frau schaute weg. War es so offensichtlich?

"Eine Frage für eine Frage?", schlug Will vor.

Sie seufzte. So hatten sie das "Spiel" getauft, das sie an ihrem ersten Tag hier gespielt hatten. "Okay." Sie überlegte kurz, was sie fragen konnte. "Was machst du den ganzen Tag?" Das war eine der wenigen Sachen, die sie nicht wusste. Wenn sie nicht zusammen waren, hatte sie keine Ahnung, wo er war oder mit wem.

"Schlafen", meinte er.

Mara verdrehte die Augen. Natürlich. Sie musste besser auf ihre Wortwahl achten. Und warum begann Will eigentlich genau jetzt, Witze zu machen? Sie schnaubte.

"Jetzt weißt du, wie ich mich immer fühle", lachte Will. "Also, was ist los? Und sei ehrlich, das ist der Sinn des Spiels."

Sie zupfte nervös an den Fingernägeln herum. Diese waren wie immer extrem kurz und spröde. Auch ihren Händen ging es nicht viel besser. Ihre mahagonifarbene Haut war schon seit sie ein Kind war rissig gewesen, aber in letzter Zeit hatte sie auch noch an Glanz verloren. Das war schade, Mara hatte ihre Haut immer geliebt. Vielleicht würde es ja irgendwann wieder besser werden.

"Mara, bist du da?" Will wedelte vor ihrem Gesicht herum.

Sie zuckte zusammen und nickte. "Natürlich. Was war nochmal die Frage?"

"Was los ist. Du bist völlig abwesend."

"Nichts Besonderes. Ich hab mich bloß an etwas erinnert. Ich möchte nicht darüber reden." Sie konnte nicht darüber reden. Zumindest nicht ohne zusammenzubrechen.

Will nickte verständnisvoll. "Okay. Wenn du doch reden willst, kannst du es mir aber gern erzählen."

"Das wird nicht passieren. Also, was machst du in deiner Freizeit? Egal ob Tag oder Nacht."

The Light - Blut des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt