Bis die beiden Frauen ins Auto stiegen, war eine volle Stunde vergangen. Sie hatten sich beide umziehen und Fallon auch noch duschen müssen. Und da die Sonne bald aufgehen würde, hatte Mara ihr etwas Blut gegeben.
Und nun saßen sie also im Auto, für Maras Geschmack viel zu schick angezogen. Doch Fallon hatte gemeint, der Laden, in den sie gehen würde, wäre sehr fein und hatte ihr eines ihrer Kleider gereicht.
Mara hatte seit Jahren kein Kleid mehr getragen, zumindest keins dieser Art. Es war lang und hochgeschlossen, hatte aber links und rechts Schlitze, die ihr fast bis zur Hüfte reichten. Und natürlich war es - wie alles in Fallons riesigem Kleiderschrank - schwarz.
"Wie hast du es eigentlich geschafft, in der kurzen Zeit deine ganzen Klamotten herzubringen?", fragte Mara. "Ich dachte, du wärst ewig nicht hier gewesen."
Fallon lachte. "Das war die Bedingung, unter der ich überhaupt gekommen bin. Javed musste mir helfen, alles zu schleppen. Ohne meine Kleider gehe ich nirgendwo hin." Momentan trug sie eines, das am Oberkörper eng anlag und dann bis zu den Knien locker fiel. Wären da nicht die High Heels und der Ausschnitt gewesen, der fast bis zu ihrem Bauchnabel reichte, hätte es niedlich gewirkt. So sah sie gefährlich aus. Auf eine gute Weise. Das taten sie beide.
Diese Tatsache sorgte dafür, dass sie in dem Laden, einem unfassbar teuren Geschäft, von einigen Leuten angestarrt wurden. Mara fühlte sich dabei nicht ganz so wohl wie Fallon, die das Rampenlicht in vollen Zügen genoss.
"Tu einfach so, als wären diese Menschen nicht da", riet die Vampirin ihr schließlich. "Die sind nur eifersüchtig, weil sie nicht so schön sind. Lass dich davon nicht verunsichern."
Mara nickte und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass die Worte sie berührten. Sie war noch nie schön genannt worden. Nicht auf diese Weise. "Ich versuch's", meinte sie.
"Sehr gut. Und jetzt lass uns shoppen. Dort hinten gibt es immer die besten Sachen." Fallon deutete nach links und die beiden gingen dort hin.
"Wieso hat dieser Laden eigentlich schon offen?", wollte Mara irgendwann wissen. Reden half ihr, sich von den Blicken abzulenken. Ihr Problem war nicht, dass die Leute sie anschauten, ihr Problem war die Angst. Diese schreckliche Angst, dass jemand sie erkannte und ihrem Onkel davon erzählte.
Während Fallon die vielen Kleider anschaute, antwortete sie: "Der Inhaber des Ladens ist ein alter Freund von mir. Ein sehr alter."
Ein Vampir also, das ergab Sinn.
"Er hat das alles hier aufgebaut, damit Leute wie wir auch etwas Spaß haben können. Über die Jahre hat er ein ganzes System solcher Orte aufgebaut. Alle rund um die Uhr geöffnet. Es gibt Restaurants, Clubs, Cafes, eigentlich alles", sprach Fallon weiter. "Mit der Zeit ist das Ganze ziemlich beliebt geworden und jetzt kommen auch Menschen her. Nur die Reichsten, versteht sich. Sie sehen es als exklusiv an. Und für uns Vampire ist das natürlich gut, weil es dadurch viele kostenlose Snacks gibt."
Snacks also... "Das ist alles, als was du uns Menschen siehst?"
"Nicht alle Menschen, nein. Du zum Beispiel gehörst nicht dazu. Aber es ist nun mal ein Fakt, dass wir menschliches Blut zum Leben brauchen. Es ist eine Form von Nahrung. So wie für dich Brot oder Fleisch."
Das ergab tatsächlich Sinn. Doch bevor Mara noch etwas sagen konnte, wurde sie von jemandem angesprochen. Von jemandem, mit dem sie eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte. "Hallo Mara."
Sie verkrampfte sich. Erinnerungen schossen durch ihren Kopf, aber sie verdrängte sie mit aller Gewalt. "Ed", sagte sie kühl.
"Gut siehst du aus", fand der Dreißigjährige. "Du hast ja wieder Kurven bekommen!"
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The Light - Blut des Lebens
ParanormalMara wollte immer nur eines. Leben. Doch in letzter Zeit wurde das immer schwieriger. Als sich der junge Will jedoch dazu entschließt, sie vor dem Tod zu bewahren, dachten sie beide, dass nun alles besser werden würde. Falsch gedacht. Als sie in ein...