Kapitel 5

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"Heilige Scheiße", murmelte Mara, als sie langsam die Augen öffnete. In ihrem Kopf drehte sich alles. So sehr, dass sie sich nicht hinsetzen konnte. Ganze zehn Minuten musste sie liegen bleiben, bis sie sich sicher war, dass sie nicht in Ohnmacht fallen würde.

Doch dann als sie saß, fiel ihr plötzlich alles, was sie vergessen hatte, wieder ein und sie legte sich wieder hin. Das konnte doch nicht wirklich passiert sein! Will hatte... er hatte sie gebissen. Mara war so verstört wie lange nicht mehr. Was war nur in ihn gefahren?

Auf einmal kam ihr die Dunkelheit nicht mehr so gemütlich vor. Zitternd kletterte sie aus dem Bett und befühlte ihren Hals. Nichts. Keine Wunde, kein Blut. Hatte sie nur geträumt?

Unsicher ging sie zum Kleiderschrank, an dem ein Spiegel befestigt war. Trotz dem spärlichen Licht sah sie die rötlich braune Färbung ihres Pullis an dessen linker Seite. Also kein Traum. Das war wirklich passiert. Aber wo war die Wunde? Schon verheilt? Wie lang war sie bitte bewusstlos gewesen?

Sie musste hier weg. Was immer los war, es war nichts Gutes. Und sie hatte nicht vor, ihr Leben hier zu verlieren. Nein, nicht mit ihr. Sie würde abhauen, ganz einfach.

Vorsichtig öffnete Mara die Zimmertür und schlich über den Flur. Will durfte nicht merken, was sie vorhatte. Wer wusste schon, was er mit ihr geplant hatte? Wie hatte sie ihm nur trauen können? Er hatte sie fast umgebracht!

"Es ist zu gefährlich", erklang da eine tiefe raue Stimme aus dem Wohnzimmer.

Augenblicklich blieb Mara stehen. Die Tür war nur angelehnt, deshalb hörte sie jedes einzelne Wort. Sie wusste, sie sollte ihre Chance nutzen und so viel Abstand zwischen Will und die Person, mit der er sprach, bringen sollte, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen. Die Neugier überwog.

Nun begann Will etwas zu sagen. "Selbst wenn. Das kannst du nicht tun!" Er klang aufgebracht. Sehr aufgebracht.

"Wir wissen beide, dass ich das sehr wohl kann. Allerdings bin ich nicht derjenige, der es tun wird. Du hast uns diese Situation eingebrockt, also wirst du es auch wieder geradebiegen." Kühl, emotionslos, schneidend. Ein Befehl, der keinerlei Einspruch duldete.

Und doch weigerte Will sich, es hinzunehmen. Nie hatte Mara ihn so wütend erlebt. Normalerweise war er stets die Ruhe selbst. "Aber nicht so! Du hast den Verstand verloren, wenn du denkst, ich würde sie umbringen!"

Mara machte einen Satz nach hinten. Umbringen? Redeten sie über sie? Nein, das konnten sie nicht. Sie durften sie nicht töten! Es gab zu viel, was sie noch tun wollte, zu viel, was sie im Leben hielt. Sie konnte nicht einfach sterben.

"Wir haben keine Wahl", stellte der Fremde klar. "Sie weiß zu viel. Wenn sie jemandem etwas erzählt, ist das unser Todesurteil."

"Sie wird es niemandem erzählen", warf Will ein. "Sie hat niemanden außer mir, dem sie es erzählen kann. Du wirst Mara nicht töten. Ist das klar?"

"Sei vorsichtig, William. Ich bin noch immer stärker als du. Versuch nicht, mir Befehle zu erteilen."

Mara schauderte beim Klang dieser Stimme. Wenn jemand in diesem Tonfall mit ihr reden würde... es klang einfach beängstigend.

"Ich erteile dir keine Befehle. Aber wenn du versuchst, Mara etwas anzutun..."

Ein trockenes Lachen. "Jetzt drohst du mir auch noch? Ich dachte wirklich, du wärst schlauer."

Keine Sekunde später ertönte ein dumpfes Geräusch, wie von einem Aufprall. Das war es, was Mara aus ihrer Starre riss. Sie nahm die Beine in die Hand. Weg. So schnell wie möglich weg hier.

Doch weit kam sie nicht. Ein muskulöser Oberkörper stoppte sie nur einen Meter weiter. Ihr Herz raste vor Panik und sie wagte nicht, nach oben zu schauen. Doch das musste sie auch nicht. Der Mann packte ihr Handgelenk und zog sie so schnell ins Wohnzimmer, dass sie gar nichts mehr sah.

The Light - Blut des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt