Kapitel 15

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Es stellte sich heraus, dass Karan nicht die gewöhnliche Art von Gesellschaft war. Von ihm kam das Blut, das Will gerochen hatte, und es war nicht gerade wenig. Wie könnte das auch sein, schließlich hatte er eine ziemlich schlimm aussehende Wunde am Hals und blutete auch an den Armen. Eine Geisel, die sie bei den Tenebris genommen hatte, erzählte Fallon.

Und in diesem Augenblick befand diese Geisel sich im Keller, wo Javed versuchte, so viele Informationen wie möglich aus ihm herauszubekommen. Und das nicht auf herkömmlichem Weg. Mara wollte gar nicht wissen, was der Mann dort unten alles aushalten musste.

Wills Blick und die Tatsache, dass er immer wieder zusammenzuckte, weil er etwas hörte, ließen ihre Neugier schon nach zwei Minuten verfliegen. Jetzt hörte sie lieber einfach zu, was Fallon zu erzählen hatte.

"Sie planen einen Angriff", war das Erste, was sie sagte, nachdem Javed mit Karan nach unten gegangen war. Oder ihn nach unten getragen hatte, denn der Mensch war kaum noch bei Bewusstsein.

Will nickte ernst. "Wie viele Leute haben sie?"

"Das konnte ich nicht herausfinden, aber sie haben Waffen. Beschissen viele Waffen. Locker genug für hundert Leute."

Mara schluckte. "Wann werden sie zuschlagen?"

Fallon schüttelte den Kopf. "Wir müssen jederzeit vorbereitet sein. Noch sind sie nicht bereit, aber bald. Sehr bald."

"Verdammt", fluchte Will. Mara hatte ihn noch nie fluchen gehört. "Welche Art Waffen haben sie?"

"Hauptsächlich Holz", antwortete Fallon ernst. "Viel Esche, einiges an Ahorn und sogar ein bisschen Pockholz. Aber keine Eibe. Vermutlich bin ich dort nur deshalb lebend rausgekommen. Aber sie haben auch Feuerwaffen. Flammenwerfer, Bomben, die Holzsplitter schießen und so weiter. Das volle Programm."

"Oh Himmel", flüsterte Mara. Ihr wurde übel. Und das alles, weil sie am Leben war. Weil sie bei Vampiren lebte und ihnen ihr Blut gab.

Fallon nahm ihre Hand, als sie drohte, in Ohnmacht zu fallen. "Wir schaffen das schon", beruhigte sie sie. "Es sind nur ein paar Menschen. Wir sind stärker als sie."

"Es sind zu viele", hauchte Mara. "Dabrio... er wird vor nichts zurückschrecken, bis wir nicht alle tot sind. Er ist ein Psychopath."

"Tja, wir werden aber auch vor nichts zurückschrecken, um ihn zu vernichten." Fallon lächelte ermutigend. "Und ich für meinen Teil werde es genießen, ihn in Stücke zu reißen. Außer natürlich, du willst die Ehre haben, es zu tun."

Mara schüttelte den Kopf. "Nein, ich... ich weiß nicht, ob ich das könnte." Jemanden umbringen... Sie wusste einfach nicht, ob sie dazu fähig war. Natürlich wollte sie ihren Onkel tot sehen, mehr als alles andere auf dieser Welt, aber sie wusste nicht, ob sie es persönlich tun könnte. Sie hatte nie darüber nachgedacht.

Gerade als Fallon etwas sagen wollte, sprang Will von seinem Sessel auf. "Ich muss gehen", sagte er, sein Gesicht vor Anspannung verzerrt. "Das Blut... Der Geruch ist zu stark. Tut mir leid."

"Schon gut", versicherte Mara. "Geh ruhig."

Kaum hatte er genickt, war er auch schon weg.

"Junge Vampire", seufzte Fallon. "Bin ich froh, dass ich aus der Phase raus bin."

"Wie lange ist das so?" Will schien schließlich schon lang darunter zu leiden.

Die Vampirin überlegte kurz. "Normalerweise ein paar Jahre. Die Wenigsten haben sich direkt unter Kontrolle. Ich habe aber auch schon von Leuten gehört, bei denen es viel länger gedauert hat. Aber irgendwann legt es sich bei allen."

"Und bei dir?", erkundigte Mara sich.

"Wenn ich mich richtig erinnere, hat es bei mir etwa zwanzig Jahre gedauert, bis ich mich endgültig beherrschen konnte. Aber schon die Jahre davor habe ich nicht direkt alles angegriffen, was mir über den Weg gelaufen ist."

Angesichts der Tatsache, dass Fallon kaum aussah wie zwanzig, klang das absolut absurd. "Wow", war deshalb das Einzige, was Mara herausbrachte.

Fallon lachte. "Es klingt schlimmer als es ist. Was sind schon zwanzig Jahre, wenn man ewig lebt? Und ewig jung ist, natürlich. Ich habe nichts verpasst, nur weil ich in dieser Zeit von so ziemlich allem abgeschottet war. Es war sicherer so und ich konnte alles nachholen. Das ist bei allen so."

"Hast du das damals auch so gesehen?"

"Wieso willst du das alles wissen? Planst du etwa, ein Vampir zu werden?" Eine Frage, die nur halb im Scherz gestellt wurde.

Mara stockte. Das hatte sie noch gar nicht in Erwägung gezogen. "Nein. Ich meine, ich weiß nicht. Ich bin nur neugierig."

"Weil du ein Vampir werden willst?" Fallon zog eine Augenbraue hoch.

"Darüber habe ich wirklich noch nicht nachgedacht. Ich will einfach nur verstehen, wie das ist." Verstehen, was Will durchmachte.

Für ihre Aussage erntete sie einen ungläubigen Blick von der Rothaarigen. "Du willst mir ernsthaft weismachen, dass du seit Wochen in einem Haus mit Vampiren lebst, aber nie daran gedacht hast, dich verwandeln zu lassen?"

So formuliert klang das tatsächlich unglaubwürdig. Aber es war die Wahrheit. "Scheint ganz so", lachte sie. "Irgendwie dachte ich wahrscheinlich, dass ich die Möglichkeit gar nicht hab." Auch das stimmte. Javed würde sie niemals verwandeln, weil er dann Verantwortung für sie hätte und er sie eine Ewigkeit lang ertragen müsste, und Will... Er würde es schon aus dem Grund nicht tun, dass er sie beschützen wollte.

"Tja, die hast du aber", stellte Fallon klar. "Wenn du ein Vampir sein willst, kann ich dich verwandeln. Es geht ganz schnell."

Das wusste Mara. Will hatte ihr erklärt, wie die Verwandlung ablief. Der Mensch trank das Blut des Vampirs und musste danach sterben. Einfach, schnell, beängstigend. "Danke für das Angebot, aber ich glaube nicht, dass ich das will. Zumindest nicht sofort."

"Kein Problem", versicherte Fallon mit einem Lächeln. "Ich hatte auch nicht erwartet, dass du dich sofort entscheiden würdest. Es ist immerhin eine Entscheidung für die Ewigkeit."

Mara nickte. "Und die Sache mit dem Blut ist da ja auch noch. Es würde vermutlich nicht funktionieren, wenn ich ein Vampir wäre, oder?"

"Vielleicht. Das lässt sich im Voraus nicht sagen. Aber das solltest du bei deiner Entscheidung nicht zu wichtig nehmen. Es ist schließlich dein Leben." Fallon streckte sich und schlug die Beine übereinander. "Also falls du es irgendwann willst, gib einfach Bescheid."

"Okay, mach ich." Die Idee war zugegebenermaßen wirklich verführerisch. Als Vampir wäre sie stärker und könnte sich besser verteidigen, wenn Dabrio ihr etwas antun wollte, aber sich jahrelang nicht unter Kontrolle zu haben... Das war ein drastischer Nachteil. Deshalb sagte sie auch: "Das dauert aber wahrscheinlich noch ein bisschen."

Fallon nickte. "Klar. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst."

"Danke."

"Da gibt es nichts zu danken. Dein Körper, dein Leben, deine Entscheidung. Ganz einfach." Sie klopfte sich auf die Oberschenkel und stand auf. "Okay, was hältst du von Einkaufen? Javed und Karan brauchen unten wahrscheinlich noch ein bisschen und es ist unglaublich laut. Shoppen scheint eine gute Art von Ablenkung zu sein, oder? Ich kenne ein paar Orte, die schon so früh offen haben."

Während Mara auf die Uhr schaute, lauschte sie. Von dem Lärm, von dem Fallon gesprochen hatte, hörte sie nichts. Vampire hatten wirklich unfassbar gute Ohren. Ob das auf Dauer wohl anstrengend war? Sie riss sich von dem Gedanken los. Warum ließ sie sich immer so leicht ablenken?

Aber die Uhrzeit verriet alles. Es war bereits fünf Uhr morgens. Und sie war seit sechzehn Uhr wach. Trotzdem wollte sie es sich nicht nehmen lassen, mit Fallon shoppen zu gehen. Sie mochte die Vampirin und das könnte echt Spaß machen.

"Dann lass uns gehen", sagte sie und erhob sich ebenfalls.

The Light - Blut des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt