Lachend kamen Mara un Fallon schließlich wieder nach Hause. Sie waren fast vier Stunden unterwegs gewesen und nun beide todmüde. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Zumindest nicht, nachdem Javed sie ins Wohnzimmer beordert hatte.
"Also, was hat Karan dir erzählt?", erkundigte sich Fallon, die ihre Taschen voller Kleider einfach in die Ecke stellte und sich aufs Sofa fallen ließ.
Javed wartete mit dem Antworten bis Mara ihre Taschen, die weniger mit Kleidern und mehr mit Büchern gefüllt waren, neben der Tür abgestellt hatte. Danach setzte sie sich neben Fallon. Will saß bereits auf einem der Sessel und Javed nahm auf dem Zweiten Platz.
Erst dann begann er zu sprechen. Sein Gesicht war noch ernster als sonst, falls das überhaupt möglich war. "Sie wollen Amara", sagte er ohne jegliche Regung zu zeigen.
Der einzige Mensch im Raum verschränkte die Arme. "Das wussten wir auch vorher schon."
"Nein. Wir dachten, sie wollen deinen Tod. Aber sie wollen dich lebend", konkretisierte der Vampir.
"Wieso?", war das Einzige, was Fallon fragte.
"Wegen dem Blut. Sie wollen wissen, ob man es als Waffe einsetzen kann, wie es wirkt, und was man damit noch tun kann. Sie wollen Tests machen. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass diese Tests nicht angenehm sein werden." Sein Gesicht war noch immer eine eisige Maske und er schaute Mara direkt in die Augen.
Diese schauderte. "Das werde ich nicht zulassen. Lieber sterbe ich."
"Du wirst nicht sterben", entschied Fallon.
"Fallon hat recht", stimmte Javed zu. "Dein Blut ist zu wertvoll."
In diesem Moment räusperte Will sich. "Wenn die Tenebris nur das Blut für die Tests brauchen, warum geben wir ihnen nicht einfach ein bisschen davon?"
Das klang tatsächlich nach einer guten Idee. Mara stimmte zu. "Ja, es ist immerhin nur ein bisschen Blut. Vielleicht lassen sie uns dann in Ruhe."
"Naive Kinder", brummte Javed.
"Das wird ihnen nicht reichten", pflichtete Fallon bei. "Sie sehen dich als ein einziges Forschungsobjekt an, Mara."
Javed nickte streng. "Und es ist zu gefährlich. Wir wissen zu wenig über die Fähigkeiten, die dieses Blut hat. Sie könnten es gegen uns verwenden. Das können wir nicht riskieren."
"Denkst du, sie wissen etwas, das wir nicht wissen?", fragte Mara.
"Natürlich", bestätigte der Vampir. "Und ich werde auch weiter daran arbeiten, mehr aus Karan herauszubekommen, aber momentan ist er dazu nicht in der Verfassung."
Mara schluckte. Sie wollte gar nicht wissen, was Javed diesem Mann angetan hatte, wie er ihn gefoltert hatte. Allein bei dem Gedanken wurde ihr speiübel. Aber sie hatten keine Wahl. Und Karan wollte ihr ähnliches antun, alle Tenebris wollten das. Also sollte sie sich nicht schlecht fühlen. Er hatte es verdient und die Informationen würden ihr und auch den anderen das Leben retten.
"Wann kannst du weitermachen?", wollte Fallon wissen. "Wir brauchen die Infos so schnell wie möglich."
Wenn sie so sprach, verstand Mara, wieso Javed sie hergerufen hatte. Nicht nur, weil sie so alt und stark war, nicht wegen ihrer unglaublichen Macht und auch nicht, weil er ihr traute. Er hatte sie gerufen, weil sie den Verstand einer Killerin hatte.
Keine Killerin in dem Sinne, dass sie kein Mitgefühl hatte, aber eine Killerin, weil sie vor nichts zurückschreckte. Weil sie schlau und berechnend war, und ihr Ziel nicht aus den Augen verlor. All das ließ sich leicht vergessen, wenn sie gerade keine Schlachtpläne schmiedete. Es war bewundernswert.
"Er braucht Zeit, um mental wieder klar zu werden", meinte Javed. "Das dauert vielleicht ein paar Tage. Seine Wunden habe ich bereits geheilt. So wird er sich nicht das Leben nehmen, um den Fragen zu entkommen."
Denn dadurch würde er sich verwandeln. Es war schlau, ihn so am Leben zu erhalten, das musste Mara zugeben, auch wenn es grausam klang. "Gibt es noch etwas, das wir wissen sollten?"
Ein schlichtes Kopfschütteln. "Nichts. Genauere Pläne hat die gesamte Organisation noch nicht. Sie wollen entscheiden, welche Art Tests sie machen, sobald sie dich haben."
In Maras Gedanken formte sich eine Idee. Eine höchstwahrscheinlich dumme Idee, aber... "Was ist, wenn wir Tests machen?", schlug sie vor. "Einfach irgendwie versuchen herauszufinden, was mein Blut noch alles kann?"
Fassungslos starrte Fallon sie an. "Nein", entschied sie.
"Wieso nicht?", fragte Javed. "Wenn Amara sich dafür zur Verfügung stellt, sehe ich darin kein Problem."
"Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist", mischte Will sich zweifelnd ein. "Es könnte gefährlich sein."
"Es ist nur ein bisschen Blut", meinte Mara. Sie verstand seine Sorge nicht. "Das ist echt kein Weltuntergang. Und vielleicht finden wir sogar eine Möglichkeit, die Wirkung länger anhalten zu lassen, oder sogar permanent zu machen. Dann müsstet ihr mich nicht alle zwei Tage beißen."
Javed sah das ebenfalls so. "Wir hätten die Kontrolle darüber, was gemacht wird und was nicht. Es wäre gut, alle wichtigen Faktoren zu kennen. Das könnte entscheidend sein, wenn die Tenebris angreifen."
"Mara ist kein Forschungsobjekt", fauchte Fallon. "Du solltest das am Besten wissen, Javed."
"Das weiß ich", verteidigte er sich ruhig. "Das ändert nichts daran, dass dieses Wissen uns womöglich das Leben retten kann."
Zum ersten Mal überhaupt teilte Mara seine Meinung. "Ich gebe es nicht gerne zu, aber er hat recht. Wir haben nicht wirklich eine Wahl."
Fallon ließ sich nicht umstimmen. "Es gibt immer eine Wahl. Und diese ist die Falsche."
"Mara, du könntest verletzt werden", versuchte Will, den Menschen zu überreden.
Doch sie schüttelte bloß den Kopf. "Wenn wir es nicht tun, könnten wir alle sterben. Und ich weigere mich, das zuzulassen. Es ist mein Körper. Ich entscheide, was damit passiert." Beschwichtigend schaute sie Fallon in die Augen. "Es wird nichts passieren."
Die Vampirin sagte nichts. Sie stand bloß auf, verließ erst den Raum, dann das Haus und knallte die Tür zu. Die danach eintretende Stille war lauter als alles, was Mara je gehört hatte.
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The Light - Blut des Lebens
ParanormalMara wollte immer nur eines. Leben. Doch in letzter Zeit wurde das immer schwieriger. Als sich der junge Will jedoch dazu entschließt, sie vor dem Tod zu bewahren, dachten sie beide, dass nun alles besser werden würde. Falsch gedacht. Als sie in ein...