Kapitel 6

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Mara konnte es noch immer nicht wirklich fassen, als Will sie kurze Zeit später zurück in ihr Zimmer brachte. Vampire existierten. Und sie befand sich mit zwei davon in einem Haus.

Allein der Gedanke, was da alles passieren konnte, war beängstigend, aber sie ließ sich ihre Panik nicht anmerken. Will musste in dem Glauben bleiben, sie wäre völlig ruhig. Alles andere würde nur noch mehr Probleme bereiten. Und ihr die Flucht nicht gerade erleichtern. Denn die hatte sie nicht aufgegeben. Sie musste hier weg. Das alles war zu viel auf einmal.

Sie hatte schon alles geplant. Mehr oder weniger. Sie würde bis Tagesanbruch warten und sich dann rausschleichen, wenn die Vampire dachten, sie würde schlafen. Und dann würde sie rennen wie der Teufel.

Doch als sie ihr Zimmer erreicht hatten, fiel ihr Blick auf den Vorhang. Eine neue Idee ploppte in ihrem Kopf auf und sie dachte nicht an die Folgen. Vampire konnten schließlich nicht in die Sonne, oder? So schnell sie konnte sprintete sie zum Fenster und riss den schwarzen Stoff ab.

Halb darunter begraben hörte sie Will aufschreien, doch als sie sich befreit hatte, war ihm rein gar nichts passiert. Schien die Sonne etwa gar nicht? Sie schaute raus, doch es war ein wolkenloser Tag. Verdammt, sie durfte nicht auf ihr Bücherwissen vertrauen!

Will jedoch war so perplex, dass sie trotz dem misslungenen Plan einfach an ihm vorbeirennen konnte. Sie dachte gar nicht darüber nach, was los war.

Lange dauerte ihr Sprint aber nicht. Wie vorhin schon, prallte sie wieder gegen Javed. Scheiße. Jetzt war sie definitiv tot.

"Wäre William nicht so ein naiver Narr, wärst du jetzt einen Kopf kürzer", knurrte er. "Mitkommen."

Sie wagte nicht, etwas zu sagen und folgte ihm einfach wieder ins Wohnzimmer. Wo war Will? War er doch verbrannt? Verdammt, was hatte sie nur getan?

"Du bist eine Idiotin", stellte Javed fest, nachdem Mara sich aufs Sofa gesetzt hatte. Der Vampir nahm auf einem Stuhl Platz. "Du legst es wirklich darauf an, getötet zu werden, oder?"

Sie schüttelte hektisch den Kopf. "Nein!" Angestrengt versuchte sie, ihre Atmung unter Kontrolle zu kriegen. "Ich meine: nein. Deshalb will ich doch hier weg."

"Dann bist du noch dümmer als ich dachte. Hast du denn nicht gehört, was William gesagt hat? Er verbürgt sich für dich, du törichtes Kind." Javed rieb sich die Schläfen.

Mara funkelte ihn wütend an. "Ich bin nicht dumm. Ich wusste bis gerade eben bloß nicht, dass Vampire existieren. Woher sollte ich wissen, was es heißt, dass er sich für mich verbürgt. Ihr habt es ja beide nicht für nötig gehalten, mir irgendwas zu erklären."

Entnervt verriet Javed ihr nun doch, was er meinte. "Das bedeutet, dass alles, was du tust, direkt auf ihn zurückgeführt wird. Er ist für dich verantwortlich. Kriegst du Probleme mit Vampiren, hat er sie auch. Es ist die fatalste Verbindung, die ein Vampir eingehen kann, denn sie besteht auf Lebzeit."

"Und warum ist Will sie dann eingegangen?"

"Weil er jung und naiv ist. Er wollte dich retten. Solange die Verbindung nämlich besteht, darf dir kein anderer Vampir das Leben nehmen. Es ist schlicht und einfach nicht möglich. Was aber gleichzeitig bedeutet, dass ein Vampir, der dich tot sehen will, William ebenfalls umbringt", erklärte Javed, unbeeindruckt von Maras Fassungslosigkeit. "William hat durch die Bindung nur Nachteile. Das wird er in ein paar Jahren auch noch bemerken. Wenn er bis dahin überlebt."

"Wenn du das so sagst, klingt es ja wie sein Todesurteil!" Ihr wurde schlecht.

"Gewissermaßen ist es das auch. Zumindest, wenn du dich jemals mit einem Vampir anlegst. Also lass es lieber bleiben."

The Light - Blut des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt