Kapitel 27

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Langsam und ausgiebig genießen wir das 5-Sterne-Menü. Wer weiß, wann wir so etwas jemals wieder essen können würden? Wie würde es mit Papa weiter gehen? Kommt er wieder zurück zu uns?
Noch bevor der Nachtisch fertig ausgelöffelt ist, kann ich nicht mehr an mich halten.
"Appa? Wie soll es jetzt weiter gehen? Bleibst du jetzt bei uns? Findest du nicht hier auch Arbeit? Kannst du dich nicht versetzen lassen?"
Traurig sieht mein Papa zu mir auf. "Seri-ah, die Sache ist die... Ich habe einen Führungsposten in Deutschland, den ich nicht ohne Weiteres aufgeben kann. Die Firma ist zwar auch hier in Seoul angesiedelt, aber eine Versetzung ist derzeit nicht machbar. Ich werde dort vor Ort gebraucht."
"Das heißt, dass du wieder nach Deutschland gehst und uns hier zurück lässt?", frage ich empört. Das kann jawohl nicht sein Ernst sein! Stellt er immer noch einen Job über seine Familie?
"Appa, wir brauchen dich hier!", bekräftige ich meine Aussage und schaue zu meiner Mutter. Diese senkt die Schultern und wagt es nicht aufzusehen. Ihr Gesicht wirkt wie versteinert. Wie denkt sie darüber? Warum sagt sie nichts?

Mein Vater räuspert sich noch einmal, ehe er weiter spricht. "Ich will euch nicht zurücklassen. Auf gar keinen Fall! Ich freue mich so, dass ihr mir die Chance gegeben habt mich zu erklären und dass ihr meine Entschuldigung angenommen habt. Ich will euch nicht verlieren. Und genau aus diesem Grund habe ich überlegt, ob ihr nicht mit mir nach Deutschland kommt? Dort können wir zusammen ein neues Leben aufbauen. Wir suchen ein schönes Haus, in
welchem wir zusammen wohnen können und machen es uns dort richtig schön! Wegen der Sprache müsst ihr euch keine Sorgen machen. Ich kenne einen sehr guten Lehrer, der sie euch spielend beibringen wird."

Das hat er jetzt nicht ernsthaft vorgeschlagen...?

Klirrend werfe ich den Löffel auf den Tisch und starre ihn böse an. "Du willst ernsthaft, dass wir unser Leben hier in Korea aufgeben und dir nach Deutschland folgen? Alles, was wir uns in den letzten sieben Jahren hart erarbeitet... nein, erkämpft haben... Das sollen wir alles hier hinter uns lassen?"
Mama legt mir beschwichtigend eine Hand auf meinen Arm. Fassungslos starre ich sie an.
"Eomma... Was sagst du dazu? Willst du unser Leben hier aufgeben? Freunde? Familie? Deine Kollegen? Willst du alles hier zurücklassen?"
Brennende Tränen steigen in meinen Augen auf.
Eigentlich erwarte ich eine Antwort von Mama, doch wieder ist es Papa, der weiter spricht.
"Das wird sicher keine leichte Entscheidung, Seri. Ihr sollt es auch nicht über den Zaun brechen, sondern in Ruhe darüber nachdenken und euch dann entscheiden. Ich bin noch eine Woche hier bevor ich wieder nach Deutschland zurückfliegen muss. Wir können uns noch öfter treffen, wenn ihr wollt und ich kann euch dann vieles erzählen. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn ihr mit mir kommen würdet. Dann hätte ich euch alle wieder um mich und muss mir nicht jeden Tag die Frage stellen wie es euch wohl geht. Ob ihr gesund seid, ob ihr genug zu essen habt..."

Papa wirft einen Blick auf die Uhr und seufzt leise. "Lasst uns Champagner zum Anstoßen bestellen. In fünf Minuten ist Mitternacht und das neue Jahr fängt an. Lasst uns zusammen auf uns anstoßen, ja?"
Wir nicken stumm. Papa winkt den Kellner heran und teilt ihm unsere Bestellung mit. Für Nari gibt es nur einen Orangensaft, womit sie allerdings mehr als zufrieden ist.
Die Bestellung kommt rechtzeitig und wir stellen uns damit zu den anderen Gästen auf die zugehörige Terrasse.
Zusammen zählen wir die Zeit herunter: "10 - 9 - 8 - 7 - 6 - 5 - 4 - 3 - 2 - 1 - HAPPY NEW YEAR!"

"Gesundes neues Jahr, Liebes.", zwinkert meine Mama mir zu und stößt mit mir an. Papa und Nari tun es ihr gleich. Nachdenklich betrachte ich die drei, während sie das aufsteigende Feuerwerk beobachten und Nari vor Freude quietscht.
Zu was würden wir uns entscheiden? Können wir wirklich unser Leben, unsere Heimat hinter uns lassen und in Deutschland von vorne anfangen? Was ist mit meinem Studium? Würde ich das unterbrechen müssen, bis ich die deutsche Sprache beherrsche? Was soll ich solange in Deutschland tun? Würde ich dort Freunde finden?
In meinen Gedanken tauchen auch Eun-Mi und Tae auf. Ob ich sie dann jemals wieder sehen würde? Was würde Eun-Mi ohne mich tun? Oder ich ohne sie? Sie ist beinahe wie eine große Schwester für mich.

Entschlossen raffe ich mich auf und stelle mich zu meiner Familie dazu. Ich habe meine Entscheidung für mich getroffen. Nun muss ich nur noch mit Mama und Nari darüber reden. Wie ihre Entscheidungen dazu aussehen würden?
Papa nimmt mich liebevoll in den Arm und ich schmiege mich wie ein kleines Kind an ihn. Wie sehr ich seine Nähe doch vermisst habe. Er wirkt so vertraut und doch irgendwie fremd. Ob das jemals wieder normal zwischen uns werden kann? Ob wir wirklich wie eine richtige Familie zusammen leben können?

Nach dem Feuerwerk haben wir uns noch ein wenig an den Tisch gesetzt, um den Abend ruhig ausklingen zu lassen.
Nari ist auf meinem Schoß eingeschlafen. Sanft wiege ich sie hin und her, während ihr Kopf auf meinen Schultern ruht.
Papa ist zur Kasse vorgegangen um zu bezahlen und ein Auto zu organisieren, welches uns heimbringen soll. Es dauert auch gar nicht lange, bis dieses vorfährt. Sanft hebt Papa Nari zu Mama und mir ins Auto, bevor er sich verabschiedet.
"Kommst du gar nicht mit uns?", frage ich verdutzt.
"Ich komme morgen bei euch vorbei. Nun schlaft gut und ruht euch aus." Rasch gibt er Nari noch einen Kuss auf die Stirn ehe er die Autotür schließt und der Fahrer losfährt.
Morgen kommt er also zu uns nach Hause. Dann sollten wir auf jeden Fall noch einmal miteinander ausführlich über alles reden.

Do you love the Bangtan Style? Pt.3 - Taehyung-FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt