Kapitel 22

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PoV Taddl

"Ma, es ist nicht so, wie es aus-"
Ich unterbrach mich und sah zu Boden. Es war eben schon, wie es aussah.
Das konnte keiner leugnen. Stopp! Ich wollte es gar nicht leugnen!

"Ja, Mum. So ist es.", sagte ich jetzt entschlossen.
Sie schüttelte den Kopf.
"Seit wann?", fragte sie knapp.
"Seit ein paar Tagen."

Ihr war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Aber sie soll davon jetzt halten was sie will.

"Du bist..."
"Was bin ich, Mum? Hm?", fragte ich aufdringlich.
"Du bist nicht mehr mein Sohn."

Das war ein Dolchstich ins Herz.
"Mama...", flüsterte ich und Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Doch sie drehte sich kalt um und verschwand in ihrem Zimmer.

Das Türknallen war das letzte, das ich hörte, bevor ich auf dem Boden zusammensackte.

Ardy nahm mich sofort in den Arm, doch nicht einmal er konnte mich jetzt aus diesem Loch ziehen. Es gab fast keinen schlimmeren Schmerz, als wenn deine eigene Mutter dir sagt, dass du nicht mehr ihr Kind bist.

Umso mehr man eine Person liebt, desto schlimmer kann sie dich verletzen.

Ich hatte es mir immer wie eine Schlucht vorgestellt. Umso vertrauter du mit einem Menschen wirst, desto höher fliegt er mit dir, um dich vor dem Abgrund zu bewahren, doch lässt er dich fallen, wird der Aufprall mit jedem Meter an Höhe unerträglicher.

Und dieser Aufprall war fast tödlich.

Mit letzter Kraft und Ardys Hilfe schleppte ich mich auf mein Bett.
Meine Wut und Trauer lasteten schwer auf meiner Brust, sodass ich kaum noch atmen konnte. Es fühlte sich an, als würde etwas auf mir liegen, dass mich mit aller Kraft nach unten drückt.

"Soll ich die Nacht bei dir schlafen?", flüsterte Ardy besorgt.
Ich konnte nicht sprechen, also nickte ich.
Er ging sich schnell umziehen und kuschelte sich dann an mich.
Nach einer Weile hörte ich seinen regelmäßigen Atem; er war eingeschlafen.
Ich lag noch lange wach. Irgendwann schlief ich ein.

Nein! Nein! schrie ich. Nein! Eine Gestalt stand vor mir. Sie war das Nichts. Sie sah aus wie das Nichts. Sie hatte keine Form, sie war einfach ein Fleckchen Nichts.
Sie hielt ein Ende des Teppichs, auf dem ich stand, fest. Ich wusste was darunter war. Noch mehr Nichts.
Nein! schrie ich noch einmal.
Dann zog das Nichts den Teppich weg.
Ich fiel in ein unendliches Nichts. Ich sah das Nichts. Ich schrie und hoffte auf Rettung. Ich fiel immer weiter, tiefer. Als ich spürte, wie ich dem Abgrund näher kam, hörte ich Ardys Rufe, die sich im Nichts verloren. Ich kam dem Abgrund immer Näher.

Plötzlich realisierte ich, dass die Schreie nicht aus dem Nichts kamen und schlug die Augen auf. 2 Ärzte und ein verweinter Ardy standen um mich herum. Meine Klamotten klebten vom Schweiß an meinem Körper.
Ich schnappte hysterisch nach Luft.
Ich war so unglaublich froh, aus dem Traum erwacht zu sein.
Alle riefen jetzt meinen Namen.
Doktor Ericht stand direkt neben mir.
"Jetzt mal alle kurz langsam, lasst ihn erstmal zu sich kommen. Thaddeus, willst du etwas trinken?"
Ich schüttelte stark den Kopf.
"Okay, gib dann einfach Bescheid. Also... Was ist passiert?"

"Nur ein Albtraum... vom Nichts", sagte ich mit trockener Stimme und schwer keuchend.
"Wie meinst du, vom Nichts?", fragte der zweite anwesende Arzt.
"Na vom Nichts eben. Ich bin einfach gefallen. Ins Nichts. Ich weiß jetzt, wie das Nichts aussieht", stellte ich entschlossen fest.
"Thaddeus," fing Doktor Ericht wieder an, "kein Mensch kann sich das Nichts vorstellen! Jeder stellt sich dann eine schwarze, weiße oder rauschende Fläche vor. Man kann sich nichts ohne Farbe vorstellen - schwarz und weiß natürlich auch als Farben gesehen."

Aber ich war mir meiner Sache sicher, ich hatte das Nichts gesehen.
"Was sehen Sie hinter ihrem Kopf, ohne sich umzudrehen", sagte ich knapp. Kürzer hätte ich es nicht erklären können.

Alle drei schluckten, als hätte ich ihnen eben die Erleuchtung beschert.
So mussten auch Blinde "sehen". Als würde man jetzt rückwärts gehen ohne nach hinten zu gucken.

"Stellen Sie sich jetzt vor, dass sie mit dem Rücken nach unten jetzt in einen Abgrund fallen, aber nicht nach unten sehen können. Das war mein Traum."

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Habe selbst letztens so etwas in der Art geträumt. Na, wer weiß jetzt auch auf einmal was das Nichts ist? :D
Und ja ich weiß, das Kapitel ist traurig. Es wäre eventuell besser geworden, aber ich musste es zweimal neu schreiben -.-
DAN-KE WATTPAD

One wall between us ~ Tardy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt