Kapitel 1 - Enya

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Der Wagen meines Vaters rollte samt Pferdeanhänger auf den riesigen Hof.
Ich hatte mich entschlossen für eine Weile meinen Stall zu verlassen, um in einem Trainingslager an meinen Fähigkeiten zu arbeiten und freute mich schon sehr auf die Zeit hier.

Gespannt sah ich aus dem Fenster und beobachtete das rege treiben, was sich vor mir erstreckte.
Es waren bereits mehrere Reiter eingetroffen und führten ihre Pferde über den riesigen Hof.

Mein Vater parkte ein und schaltete den Motor aus, eilig sprang ich aus dem Wagen und lief zum Hänger.

Diesen öffnete ich kurz darauf und schon streckte Nino seine Nase in meine Richtung. Lachend strich ich über seine weiche Stirn, als mein Vater hinter mir auftauchte.
„Ich nehme an, du schaffst es alleine ihn abzuladen? Dann würde ich dich jetzt schonmal anmelden"
Ich warf ihm einen Schulterblick zu und nickte kurz darauf.

Mit einem schmallippigen Lächeln, wendete sich mein Vater ab und lief zu dem riesigen Hauptgebäude, welches sich hinter den Autos abzeichnete.
Neugierig musterte ich es und stellte fest, dass es noch schöner aussah, als auf den Bildern.
Trotz der Jahre die es schon hinter sich hatte, strahlte es ein solch edlen Eindruck aus, dass ich mich schon beim hinsehen schlecht fühlte.

Sie verdient all das nicht.

Genervt verscheuchte ich die Gedanken aus meinem Kopf und machte mich daran meinen Oldenburger abzuladen.
So wie immer, trat er artig von der Rampe und sah sich kurz darauf neugierig um.
Ein wiehern schrillte zu uns herüber, worauf mein Apfelschimmel umgehend antwortete.
Mein Gesicht verziehend, klopfte ich Nino's Hals und fing an ein paar Runden mit ihm um die Hänger zu drehen.

Aufgeregt steppte er neben mir her, der Strick schwang von rechts nach links, als er sich hochgehobenen Hauptes umsah.
Schmunzelnd betrachtete ich ihn dabei und erfreute mich an diesem Anblick.

Wir umrundeten eine weitere Hänger Reihe und steuerten somit wieder unser eigenes Gespann an.
Ich sah meinen Vater bereits aus dem Haupteingang herauskommen und beschleunigte meinen Schritt.
Nino trabte kurz an, was ich mit einer Parade am Strick wieder rückgängig machte.

Zeitgleich trafen wir beide beim Hänger ein.
„Und?"
Abwartend sah ich ihm ins Gesicht.
„Du kannst Nino in den Stall bringen.
Die vierte Box, rechter Gang, linke Seite."
Erneut drehte ich mein Pferd um und lachte, als er einen quietsch gelben Hänger anpustete.
„Der stand da vorhin auch schon"
flüsterte ich und führte ihn Richtung der riesigen Holztüren.

Zwei andere Mädchen waren ebenfalls auf dem Weg zu dem Stall und musterten mich kritisch.
Den Schluss ziehend, dass sie sich kennen mussten, bog ich in den rechten Gang und zählte die Boxen ab.
Als ich vor der vierten stehen blieb, griff ich nach der Boxen Tür und zog diese auf.

Mein Pferd reinschickend, löste ich den Strick vom Halfter.
Nino sah sich neugierig in seinem vorübergehend neuem Heim um und schnaubte.
Lächelnd hing ich den Strick vorerst an die Box und beschloss erstmal zum Hänger zurückzukehren um meine Sachen herauszuholen.

Die Tür wieder in die Verankerung ziehend und Nino zurücklassend, folgte ich dem gut belichteten Weg nach draußen auf den Hof.
———
Ich saß auf meinem Bett und sah mich in dem kleinen Zimmer um, das ich für mich alleine hatte.
Der Abschied von meinem Vater war schwieriger gewesen als gedacht und mal wieder hatte er beteuert, wie sehr es ihm gegen den Strich ging, mich einen Monat hier zulassen.
Ich hatte ihn bloß aufmunternd angelächelt und damit herum gewitzelt, dass meine Abwesenheit bestimmt angenehm sei.

Nun sah ich auf meine Finger, durchdachte meine Entscheidung hierher gekommen zu sein und fragte mich gleichzeitig was meine Großmutter jetzt von mir denken würde.
Wäre sie stolz auf mich?
Oder empfand sie mich für feige, einfach vor meinem Problemen zuhause wegzulaufen?
Nachdenklich verwarf ich meinen letzten Gedanken.
Ich arbeitete hier an meinen Reiterlichen Fähigkeiten, was sollte daran schon feige sein?

Seufzend stand ich auf und fing an meine Sachen in den Schrank zu räumen.
Als das getan war, befand ich es für nötig mein Lieblingsfoto aufzustellen und somit fand es Platz auf dem kleinen Schreibtisch.
Nun strahlte mir mein eigenes Lächeln, meines 13 jährigen Ichs entgegen.
Der Tag, an dem ich Nino offiziell „meins" nennen durfte.
Vier Jahre ist es nun her und so viel ist in dieser Zeit passiert, auf was ich unfassbar stolz war.
Lächelnd betrachtete ich das Bild einen Moment, griff dann nach meinen Schuhen und öffnete meine Zimmertür.

Unten hörte man einige Gespräche und Gelächter.
Allerdings waren nicht die Menschen mein Ziel.
Leise lief ich die Treppe herunter, huschte an dem Gemeinschaftsraum vorbei und schlüpfte unauffällig durch die Tür nach draußen.

Der Abend war mittlerweile angebrochen und eine angenehme Sommer Brise strich durch meine Haare, während ich in meine Schuhe schlüpfte und zum Stall herunter joggte.
Eine angenehme Idylle herrschte auf diesem Hof und augenblicklich fühlte ich mich angekommen.
Als mir Nino auch noch freudig entgegen wieherte, brach ein Grinsen auf meinem Gesicht aus.

Zufrieden brummelnd, streckte der Oldenburger mir seinen Kopf entgegen und genoss die Streichle Einheiten.
Schritte hallten durch den Gang und ich hob neugierig den Kopf.
Ein Mädchen, in meinem Alter, kam auf mich zugelaufen.
„Abend"
grüßte sie mich fröhlich, was ich mit einem höflichen Nicken quittierte.

Sie blieb vor mir stehen.
Aufmerksam musterten ihre blauen Augen jeder meiner Bewegungen und ihre braunen Strähnen wehten leicht im Wind, der durch den Stall zog.
„Du bist neu hier, richtig?"
Lachend lies ich von meinem Pferd ab.
„Ist das so offensichtlich?"
„Nein, bloß habe ich dich hier noch nie gesehen und das macht es irgendwie doch offensichtlich"
„Also ja?"
Kurz sahen wir uns an, bevor sie lachte und mich dazu brachte mit einzustimmen.

„Ich mag dich"
kicherte sie vergnügt.
Schmunzelnd wendete ich mich wieder Nino zu.
„Danke"
Kurz herrschte Stille, bevor das unbekannte Mädchen wieder das Wort ergriff.
„Ich bin Melli!"
Sie streckte mir ihre etwas blasse Hand entgegen, die ich kurz darauf ergriff.
„Enya"
„Freut mich dich kennenzulernen!"
Kurz schüttelte sie meine Hand, bevor sie wieder losließ und Nino ansah.
Schweigsam stand ich daneben, beobachtete bloß lächelnd wie sie seine Nase streichelte und erblickte ein paar Vögel, die an der Decke herumflatterten.

Melli machte auf mich einen äußerst netten Eindruck und ich freute mich schon darauf sie und die anderen, in der nächsten Zeit besser kennenzulernen.
Mein Oldenburger begann spielerisch in ihren Haaren herumzuwühlen und Unordnung zu schaffen.
Quiekend sprang sie zurück und richtete lachend ihre Strähnen.
„Du bist ja ein richtiger Clown!"
Lächelnd nickte ich und kraulte mein Pferd hinterm Ohr.
„Bist du in den Springkursen eingeschrieben?"
Melli musterte mich neugierig von der Seite.
„Ja, du auch?"
Mein Blick fing ihren ein und ein siegreiches Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht.
„Klar!"
Sie hielt die Hand hoch und ich klatschte ab.

Entsetzt zog Nino den Kopf zurück und brummelte beleidigt.
Mit einem verwegenen Lächeln auf den Lippen beobachtete ich ihn dabei.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt