Kapitel 27 - Enya

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Als ich aufwachte, umgab mich Juans Wärme.
Seine Arme lagen um meinen Körper, sein Atem traf meinen Nacken in einem gleichmäßigen Rhythmus.
Zufrieden vergrub ich meinen Kopf tiefer im Kissen und lächelte.

Ich konnte es noch immer nicht ganz begreifen, dass er mir sein Pferd für das Training geben würde, nur um mich hier behalten zu können.
Wärme breitete sich bei diesem Gedanken in meinem Magen aus und verschwand auch über den Tag nicht.

Juan sprach direkt nach dem Frühstück mit Philipp, welcher ihm tatsächlich einen Wallach gab, unter der Bedingung die nächsten Küchendienste zu übernehmen.

Das Pferd war ein paar Zentimeter kleiner als Brezel und ein wunderschöner Palomino, wie ich herausfand, als mein Freund diesen aus der Box holte.
Mein Freund. Okay, daran musste ich mich erstmal noch gewöhnen.
„So ein Angeber"
Ich sah ihn fragend an.
„Was meinst du?"
„Darf ich vorstellen? Lucky.
Ein Holsteiner Wallach, S gewonnen, eine Abstammung von der manche träumen würden"
Lachend fing ich an, das braune Fell zu striegeln.
„Wo ist der Haken?"
„Es gibt keinen, bis auf einen Chip im Hinterbein. Deswegen wurde er aus dem Sport genommen, um zu verhindern das er lahm geht"
„Das waren dann aber umsichtige Menschen"
„Ja. Endlich ein Pferd welches Glück hatte"

Schweigend putzten wir unsere Pferde, sattelten und trensten, bevor wir uns auf den Weg zum Gelände Training machten.
„Aufgeregt?"
meine Neckerei wurde bloß mit einem Kopfschütteln abgetan.
„Du?"
Juan's kluge braune Augen trafen auf meine und ich unterbrach den Blickkontakt.
„Ein wenig"
„Ihr bekommt das hin. Da bin ich mir sicher"
Als er meinen unsicheren Blick bemerkte, zog er fragend eine Augenbraue in die Höhe.
„Was?"
Da ich beschlossen hatte, nicht mehr die alles gut Schiene zu fahren, seufzte ich und fing an zu reden.
„Nichts, ich habe nur Angst, dass ich es verbocke"
„Und was sollte dann sein? Dann machst du es nächstes mal halt besser"
Er zuckte mit den Schultern und brachte kurz darauf seine Hand vor Lucky's Nase in Sicherheit.

„Du wärst nicht enttäuscht? Sauer? Oder so?"
Jetzt war Juan wirklich verwirrt und ich musste auf einmal bei seiner wirklich verdroschenen Miene grinsen.
„Warum sollte ich sauer sein?"
„Weil es dein Pferd ist"
„Na und? Er wird drüber wegkommen, wenn du mal eine Distanz verhaust, oder wegen irgendwas vor ihm über den Sprung fliegst"
Er lächelte.
„Und ich bin bereit alles zu dokumentieren"
Ich lachte und Juan stimmte mit ein.
„Aber ich glaube eh nicht das, dass passiert.
Du könntest noch so blöd drauf sein und würdest es trotzdem schaffen"
„Hast du das studiert? Aufmunternde Worte?"
Seine Augen blitzten amüsiert.
„Nein, aber ich habe mir was von Carlo abgeguckt"
Spielerisch schlug ich ihm auf den Arm und wir liefen lachend zum Trainingsplatz.
———
Am Abend saßen wir zu viert in Juan's Auto und hörten laut Musik.
Er wollte mir jedoch nicht sagen, wohin die Reise gehen sollte.
Stattdessen hatte Melli mir eine Flasche Bacardi in die Hand gedrückt und ihr Handy mit der Anlage verbunden.

Blechern tönte Teenage Dream aus den Boxen des Geländewagens und Melli und ich sangen so sehr mit, dass wir fast die Musik mit unserem furchtbaren Gesang übertönten.
Trotz dessen das die Flasche in meinen Händen noch geschlossen war, fühlte ich mich betrunken.
Keine Ahnung ob es an dem verdammt guten Training mit Brezel, oder an Juan lag.
Vielleicht waren auch diese tollen Leute der Grund, dass ich endlich mal wieder ich selbst sein konnte.
Egal was es war, ich freute mich riesig darüber.

Als der Wagen hielt, standen wir an einem Aussichtspunkt, der uns über ein riesiges Meer blicken lies.
Die Sonne warf orange, gelbe Farben auf die Oberfläche und als Juan ausstieg um mir die Tür zu öffnen, schimmerten seine Haare im Licht der untergehenden Sonne.
„My Lady?"
lächelnd half er mir aus dem Auto.
Die anderen beiden traten zu uns.
„Es ist wunderschön"
tat ich meine Meinung kund.
„Ein perfekter Abschluss für diesen Tag, nicht wahr?"
Zufrieden schlang Melli ein Arm um meine Schulter.
„Und um das ganze noch perfekter zu machen, gibt es jetzt noch ein bisschen Alkohol"
Sie wedelte mit der Flasche vor meiner Nase herum und ich sah zu Carlo, welcher mich lächelnd ansah.
Als er meine Stumme Frage in den Augen las, nickte er.
„Macht nur. Ich werde Taxifahrer spielen"

„Übertreibs nicht Melli, sonst muss Carlo deine charmante Art später ertragen"
Angesprochene verdrehte auf Juan's Worte hin bloß die Augen, öffnete die Flasche und kippte sich den Inhalt in den Rachen.
Schnell nahm Carlo ihr die Flasche weg.
„Hey! Das trinkt man nicht pur. Wie ekelhaft"
Kichernd öffnete sie den Kofferraum und zog eine Kühlbox hervor.
„Bereit für ein paar Mischen?"

Nach einer Stunde, viel Alkohol und lauter Musik, war es dunkel geworden und ich war auf die Motorhaube geklettert.
Um mich herum drehte sich alles und ich fragte mich, wie ich hier überhaupt raufgekommen war.
Melli hatte es vollkommen übertrieben und hatte ihren eigenen Freund so sehr angegraben, dass er sie einfach angefangen hatte zu küssen, damit sie nicht weiter irgendeinen Blödsinn von sich geben konnte.
Jetzt standen sie knutschend etwas weiter weg von mir und mich ereilte das Gefühl, gleich einzuschlafen.

„Na?"
Juan tauchte vor mir auf.
„Hallo"
gab ich gedämpft von mir und sah ihn an.
„Du bist nüchtern, oder?"
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Er lächelte vergnügt.
„So gut wie"
Ein Stöhnen entrang sich meiner Kehle.
„Mein Gott, ich war lange nicht mehr so.. eh.."
Ich suchte in meinem Vokabular das fehlende Wort, während Juan mich aufmerksam beobachtete.
„..dicht?"
beendete ich meinen Satz und er schmunzelte.
„Willst du zurück?"
„Ich will das du dich zu mir gesellst"
„Ich bin hier"

Kurz dachte ich nach, dann legte ich meine Hände auf seine breiten Schultern und drückte zu.
„Kannst du.. mich runterheben?"
Seine Hände fanden Platz unter meinen Kniekehlen und an meinem unteren Rücken, bevor er mich sanft vom Auto hob.
„Danke"
Als meine Füße wieder den Boden berührten, lehnte ich meinen Kopf an seine Brust.
„Ich glaube ich möchte doch zurück"
Sagte ich nach einer Stille die sich wie Stunden angefühlt hatte.

Das vibrieren an meiner Stirn verriet mir das er leise lachte.
„Das kriegen wir hin"
Juan verfrachtete mich auf den Beifahrersitz und zwischen anschnallen und losfahren fehlte mir das Wissen was passiert war.
Kurz dachte ich sogar wir wären ohne Carlo und Melli gefahren, doch die beiden saßen auf der Rückbank.

Ich beobachtete sie durch den Rückspiegel und lächelte Carlo zu, welcher meinen Blick einfing.
Er lächelte zurück, bevor er wieder zu Melli sah.
Sie hatte sich an ihn gelehnt und genoss die Finger in ihren Haaren.

Müde lies ich meinen Kopf an die Scheibe sinken und mit den Gewissen, das Juan uns sicher nach Hause bringen würde, schlief ich ein.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt