„Du darfst in der Distanz nicht einfach schneller werden, Hannah!"
Unser Trainer stand mit verschränkten Armen in der Mitte des Platzes.
Melli, Enya, Carlo und ich taten es ihm gleich, bloß mit dem Unterschied, dass wir auf unseren Pferden saßen.„Mich irritiert der weite Abstand"
Kam es daraufhin protestierend zurück.
Seufzend raufte sich Philipp sein blondes Haar und sah seine Reitschülerin nachdenklich an.
„Versuch einfach dein normales Grundtempo beizubehalten"
Mit diesen Worten nickte er in unsere Richtung.
„Wer als Nächstes?"
Keiner von uns rührte sich.
„Bitte nicht alle auf einmal"
Er verdrehte die Augen und lies seinen suchenden Blick über uns schweifen, bis er bei einer Person hängen blieb.„Enya"
Er grinste.
Ich sah sie an und erkannte ihren Unmut.
Trotzdem nickte sie ergeben.
„Muss ich dir den Parcours nochmal erklären, oder kannst du ihn?"
„Nein, ich habe ihn im Kopf"
Mit diesen Worten ritt sie los.
Melli neben mir atmete gepresst aus.
„Glück gehabt"
„Du musst wirklich lernen, dir den Parcours schneller zu merken"
brummte ich leise.
„Da hat er leider recht"
stimmte mir Carlo leise zu, ohne den Blick von der kleinen blondhaarigen Reiterin, auf ihrem Apfelschimmel zu nehmen.Sie galoppierte an und ritt auf den grünen Steilsprung zu.
Ihr Pferd zog an und gemeinsam entschieden sie sich für den weiten Absprung.
„Etwas mehr Grundtempo, sonst sieht es gut aus"
Während der blonde Schönling in der Mitte weiterhin das Spektakel im Parcours kommentierte, lehnte Melli sich in meine Richtung.„Was machen wir später?"
„Ich glaube es steht so ein dämlicher Spieleabend auf dem Programm"
grummelnd verfolgte Carlo das Szenario, dass sich uns bot.
„Oh bitte nicht"
stöhnend sackte die Brünette auf ihrem perfekt farbig abgestimmtes Pferd zusammen.
„So schlimm ist es garnicht.
Mit etwas Alkohol im Petto, werden wir es schon aushalten"
Ich grinste als Carlo die Augen verdrehte und Melli empört nach Luft schnappte.„Und wo willst du den herbekommen?"
Die Augen des Jungen neben mir blitzten herausfordernd.
„Wer sagt, dass er noch nicht längst hier ist?"
„Juan!"
zischte es neben mir und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Was ist so amüsant?"
Durchschnitt die Stimme von Philipp unser Geplänkel.
„Bloß der Fakt, dass deine Haare aussehen, als wärst du in einen Strohsack gefallen"Mit einem genervten Blick klatschte er zweimal in die Hände.
„Okay, Juan ist der nächste."
In dem Moment tauchte Enya neben uns auf.
„Guten Tod"
bemerkte sie und deutete auf unseren Trainer der die Kombination 3 Loch höher stellte und sich dazu vermutlich einen extra bescheuerten Weg ausdachte.
„Er nimmt vieles sehr schnell, sehr persönlich"
gab ich zurück.
Schulterzuckend klopfte sie den Hals ihres Pferdes.
„Dann hoffen wir mal, das du nicht wegen einer solch belanglosen Sache, ins Kreuzfeuer gerätst"
„Das ist mein heimliches Hobby, ich beherrsche es gut"
„Merkt man"„Wird's dann bald?"
Kam es aus der Mitte und ich ritt grinsend meinen Wallach an.
„Jawohl Sir"
Er bedachte mich mit einem bösen Blick, als ich salutierte.
Doch darunter lag ein kleines Lächeln.
•••
Enya und ich folgten dem Kiesweg zurück Richtung Stall.
Carlo und Melli waren bereits vor wenigen Minuten vorgegangen, während sich die blonde Schimmelreiterin mit unseren Trainer unterhalten hatte.
Nun lief sie neben ihrem Pferd her, während ich sie von oben beobachtete.Während sie lief versuchte ihr Pferd, sich an ihr zu schubbern und brachte sie somit ins straucheln.
„Nino!"
zischend und vor sich hingrummelnd blieb sie stehen und verzog das Gesicht, als das Leder über ihr dünnes Shirt rubbelte.
„Gratis Massage"
Ich parierte meinen dunkelbraunen Springer durch und sah belustigt dem Spektakel zu.
„Er ist unerzogen"
„Wenn du ihn so erziehst"
„Ich habe ihn schon so gekauft, ich bin unschuldig"
Ein kleines Lachen entkam meiner Kehle.Kurz darauf drückte Enya den Pferdekopf beiseite und lief wieder los.
Brezel stakste hinterher.
„Bist du heute auch bei diesem Spielabend dabei?"
Nachdenklich sah sie auf ihre Füße.
Schulterzuckend trat sie einen Kieselstein vor sich her.
„Ich weiß nicht"Die Hufe unserer Pferde verließen den Kiesweg und liefen kurz darauf über Asphalt, Richtung Stall.
„Melli und ich werden auch da sein"
Enya schwieg und sah vom Boden auf.
Ihr Blick folgte einem Schwarm Vögel, der über uns hinwegglitt.
Ihre dunkelaussehenden Federn durchschnitten den hellen Kontrast der hochstehenden Mittagssonne.
„Darum geht es garnicht"
„Um was geht es dann?"
Abwartend richtete ich meinen Zügel, der sich während des Trainings verdreht hatte.„Ich weiß nicht, ob mich später noch die Motivation mit fremden zu sprechen, über den Abend hält"
„Du musst mit niemandem sprechen, es geht nur ums beinander sein.
Aber wenn du keine Lust hast, kann ich dass absolut nachvollziehen.
Es ist die ersten Tage ziemlich kräftezehrend hier"Wir hielten vor dem großen Stalltor an und ich glitt aus meinem Springsattel.
„Seit wann kommst du schon her?"
„Seit vier Jahren"
Ich machte eine kurze Pause und lockerte meinen Gurt, bevor Enya und ich die Stallgasse betraten, in der unsere Pferde untergebracht waren.
„Es ist ganz okay hier"Enya's Finger glitten unter ihr Kinn und öffneten den Verschluss ihres Helms.
Als sie ihn abzog, lösten sich ein paar widerspenstige Strähnen aus ihrem Zopf.
Genervt strich sie diese beiseite.„Ich werde es mir überlegen"
Kurz brauchte ich einen Augenblick um zu verstehen, dass sie den Spielabend meinte.
„Wenn du dich damit unwohl fühlst, kann ich Melli Bescheid geben und wir überlegen uns was anderes"
„Was anderes?"
Verwirrt musterte sie mich von der Seite.
„Wir könnten uns auf dem Heuboden verschanzen und einfach unter uns sein"
„Wieso sollte sie das wollen?"Ich musste ein seufzen unterdrücken.
„Wieso fragst du soviel?"
Eingeschüchtert zog sie den Kopf ein und wurde gut einen Kopf kleiner, neben ihrem eh schon großen Pferd.
Etwas irritiert kam ich an meinem Platz des Anbinders zum stehen.
Enya parierte ihr Pferd neben mir.
„Sorry"
Ich wandte mich ihr zu.
„Du musst dich nicht entschuldigen.
Was ich damit bloß meinte war, das Melli dich wirklich mag und ich finde den Gedanken ziemlich traurig, dass du deine Zeit alleine in deinem Zimmer totschlägst, während wir uns gemeinsam was anderes überlegen könnten"Enya nickte, ihre Wangen leicht gerötet.
Ob vor Anstrengung des Trainings, oder vor Scham konnte ich nicht sagen.
„Das hört sich nach einer besseren Alternative an"
„Das dachte ich mir"
Ich fing ihren Blick auf und lächelte sie an.
Etwas wacklig erwiderte sie es.
„Danke Juan."
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Zeilen zwischen Ruhm und Erfolg
Roman pour AdolescentsSommer, Pferde und für kurze Zeit vergessen. Das ist Enya's Plan für die Ferien, welche sie in einem Trainingslager, fernab ihres Zuhauses verbringt. Mit ihrem Schimmel und etwas zu vielen Selbstzweifeln im Gepäck, flüchtet sie sich gradezu in das T...