Kapitel 18 - Juan

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Diesmal war es kein Wecker der mich aus dem Schlaf rüttelte, sondern ein lautes Poltern an der Tür.
Enya schreckte mindestens genauso perplex hoch, wie ich so eben aufgewacht war.
„Enya! Mach auf! Du musst in fünfzehn Minuten beim Training sein"
Melli's Stimme kam rumpelnd bei uns an und ehe ich mich versah, war das Mädchen welches soeben noch das Bett mit mir geteilt hatte, aufgesprungen und zur Tür gehechtet.

Enya trug immer noch meinen Pullover, als sie in völliger Hektik unserer Freundin die Tür öffnete, nur um dann quer durchs Zimmer zu stolpern und ihre Reitsachen zusammenzuklauben.
Als Melli herein kam und mich erblickte, verdrehte sie die Augen.
„Das ist jetzt bitte nicht euer Ernst"
Enya verschwand mit ihrer Reithose im Bad und die Brünette in der Tür, verschränkte genervt die Arme vor der Brust.
„Als ob du und Carlo das nicht auch machen würden"
„Doch, aber wir schaffen es wenigstens pünktlich aufzustehen"
„Wie spät ist es überhaupt?"
„Neun"
Melli beobachtete wie sich die Badezimmer Tür wieder öffnete und ein sehr gestresstes Fräulein heraus stolperte, sich die Schuhe anzog und Anstalten machte den dunklen Hoodie auszuziehen.
„Den würde ich anlassen, es sind nur 16 Grad draußen"

Die Versuche den Stoff über den Kopf zu ziehen wieder einstellend, warf Enya mir einen Blick zu und ich musste lächeln.
„Ich gebe ihn dir später wieder"
Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Zimmer und ihre schnellen Schritte hallten an den Wänden des Flurs zu uns herein, als sie mit dem Rennen begann.

Ich sah auf die Uhr.
„Das wird knapp"
„Keine Sorge, Carlo hat Nino bereits geputzt. Teamwork und so"
Grinsend lehnte sie sich am Türrahmen an und musterte das zerwühlte Bett in dem ich noch lag.
„Was machst du überhaupt hier?"
Schulterzuckend richtete ich mich auf.
„Hat sich so ergeben"
Melli schenkte mir einen zweifelnden Blick, aber ich führte es nicht weiter aus.
Wenn Enya es ihr erzählen wollte, sollte sie das am besten selber tun.
„Und nein, es ist nichts passiert"
„Deswegen trägt sie deinen Pullover?"
„Ihr war kalt"
„Im Zimmer?"
„Gestern. Bei der Feuerstelle"
Meine ruhige Stimme, brachte Melli zum Lachen.
„Okay hab's verstanden, sie ist nur eine Freundin"

Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
Natürlich hatte Melli durchschaut, das ich Enya tatsächlich mochte.
„Ein Wort und du bist erledigt"
Lachend drehte sich die Brünette aus der Tür heraus und machte sich daran zu verschwinden.
„Ich schweige wie ein Grab"
„Viel Spaß mit deinem Kumpel"
„Fick dich Juan"
Grinsend lauschte ich wie ihre eiligen Schritte durch den Flur hallten, während die Tür ins Schloss fiel.
———
Enya bekam ich erst gegen Nachmittag wieder zu Gesicht, als ich in den Gemeinschaftsraum eintrat.
Sie hatte sich auf das kleine Sofa bequemt, ihre Kopfhörer in den Ohren, während ihre blauen Augen die Zeilen ihres Buches verfolgten, welches in ihrem Schoß lag.

Als mein großer Körpers sich neben ihrer kleinen Gestalt sinken lies, blickte sie irritiert auf, doch als sie erkannte das ich es war, umspielte ein vorsichtiges Lächeln ihre Mundwinkel.
„Hey"
Sie zog einen AirPod aus ihrem Ohr und ich erwiderte ihr Lächeln.
„Na?"
erwiderte ich und lehnte mich an die Lehne hinter mir.
„Wie lief dein Tag bisher?"
Enya zuckte mit den Schultern, zupfte den anderen AirPod auch aus dem Ohr und lies ihn in der dazugehörigen Case verschwinden.
„Ganz okay, bin nur schon die ganze Zeit sehr müde"
„Das kann ich mir vorstellen"
Kurz darauf herrschte zwischen uns eine angespannte Stille.

In ihre Augen trat ein merkwürdiger Ausdruck Verletzlichkeit, der immer härter wurde bis ich begriff was sie dort tat.
Sie versuchte ihre Mauern wieder hochzuziehen.
„Enya-"
„Nein Juan. Ich war gestern nicht Herr meiner Sinne und habe Sachen gesagt die dich nichts angehen. Das wollte ich nicht.
Bitte vergiss das alles einfach wieder"
Ich starrte sie einen Moment lang an, bis etwas in mir kippte.
„Was soll das?"
Enya schwieg und sah mich einfach nur an.
„Hör auf wieder dicht zu machen. Es gibt keinen Grund dazu"

„Lass mich bitte einfach in Ruhe, okay?"
Sie machte Anstalten zu gehen, doch ich hielt sie am Handgelenk zurück.
„Juan!"
„Ich habe dich wirklich gern und will das es dir gut geht. Ich würde dir niemals auf diese Art wehtun, wie es diese Leute getan haben, okay? Verstehst du das?"
Sie entriss mir ihre Hand und Tränen sammelten sich in ihren Augen.
„Bitte lass mich einfach"
Mit diesen Worten flüchtete sie und alles was mir blieb, waren die neugierigen Blicke der anderen.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt