Es war spät, als wir uns zurück in unsere Zimmer schlichen.
Während Melli im ersten Stockwerk bereits abgebogen war, hatte Juan mich noch bis zu meinem Zimmer gebracht und sich mit einem kurzen Lächeln verabschiedet.Nun lag ich wach in dem kleinen Bett, das gegenüber von der braunen Kommode stand.
Auf dem abgenutztem Holz lag ein Buch, was meine Mutter mir mitgegeben hatte.
Eigentlich wollte ich es längst angefangen haben zu lesen, doch bisher hatte ich weder die Zeit noch die Motivation dazu aufbringen können.Eine Weile lang starrte ich das Buch an, bis ich mich schließlich aus den Kissen hochdrückte und mit nackten Füßen über den kalten Boden lief.
Meine Finger fanden die glatte Oberfläche des Buches und strichen kurz darüber, bevor sie entschlossen danach griffen.Mit dem Buch in meinen Händen, tapste ich zurück und lies mich auf der Matratze nieder.
Die kleine Lampe auf dem Nachttisch war die einzige Lichtquelle in dem gemütlich eingerichteten Raum, doch es reichte um das weinrote Cover zu erkennen.
Der Titel glänzte in goldenen Buchstaben und sah schon fast etwas zu protzig aus für Mama's Geschmack.Dennoch schlug ich die erste Seite auf und überflog die ersten Zeilen.
Es war ein schöner, flüssiger Schreibstil wie ich erleichtert feststellte.
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen das Kopfstück des Bettes, stopfte mir mein Kissen dazwischen und kuschelte mich in meiner Decke ein.
Mir das Ziel setzend mindestens auf Seite 10 anzukommen, lag ich zwei Stunden später immer noch wach und war auf Seite 101 gelandet..
———
Als ich am nächsten Morgen Nino's Fell striegelte und den Gesprächsfetzen anderer Reiter lauschte, war ich hundemüde.
Es war nicht die schlauste Idee gewesen die ganze Nacht zu lesen, wenn man am nächsten Tag Gelände Training hatte, doch ich steckte den Schlafmangel gut weg.Die zwei Kaffes und die kalte Dusche hatten ihren Job getan und ich war mir sicher, dass ich das Training ohne Zwischenfälle überstehen würde.
Als der grobe Dreck aus dem Fell gebürstet und ich völlig staubig war, schmiss ich den schwarzen Springsattel auf den Rücken meines Pferdes und verschloss das Vorderzeug am Sattel.
Nino döste vor sich hin während ich nach der Trense griff und die Zügel durch die Martingalgabel zog.
Erst als ich den Strick löste und ihm das Halfter vom Kopf zog erbarmte er sich den Energiesparmodus auszuschalten.Willig nahm er das Gebiss an und keine Minute später war alles nötige verschlossen.
Während sich die ersten Reiterpaare mit klappernden Hufeisen verabschiedeten, griff ich nach meinem Helm, steckte die Gerte zwischen das Sattelblatt und folgte den anderen hinaus ins Sonnenlicht.
Das Lächeln welches sich auf mein Gesicht schlich konnte ich nur schwer verbergen, als mir ein brauner - vor Schweiß glänzender Wallach entgegen lief, auf seinem Rücken ein mindestens genauso fertiger Reiter.
Er grinste mir frech entgegen und parierte zum halten, als er bei mir ankam.
„Guten Morgen"
Meine spöttische Grimasse tat seiner guten Laune keinen Abbruch an.
„Guten Vormittag"
Korrigierte ich trotzig und zog mit dir Aufstiegshilfe vor dem Stall heran.
Sein Grinsen wurde bei meinen Worten nur noch breiter und seine braunen Augen blitzen schelmisch.
Er lies sich aus seinem Sattel gleiten, während ich mich in meinen hinein zog.
„Du siehst müde aus"
Juan trat etwas näher an uns heran und strich über die Schimmelnase.
„Bin ich auch"
„Schlecht geschlafen?"
„Wie wärs mit garnicht geschlafen?"
Ich zog nochmals an den Gurt Strippen und vernahm das leise lachen seinerseits.
„Was hielt die junge Lady denn wach?"
Junge Lady?
Ich spürte wie mein Gesicht heiß wurde und versteckte es hinter meinem Arm, während ich so tat als ob ich Nino's Mähne richten müsste.„Ein Buch"
„Ein Buch?"
Ungläubig zog er eine Augenbraue in die Höhe.
„Ja"
Ich hielt kurz inne und sah ihm in die Augen bevor ich weitersprach.
„Ein Buch"
Er hielt meinen Blick fest und wir beide sagten einen Moment lang nichts.
Einige Sekunden später räusperte er sich und sah in die Richtung der verschwindenden Reiter.
„Ich glaube du solltest auch so langsam los"
Mein Blick folgte seinem und ich musste einsehen, dass er recht hatte.
„Sehen wir uns später?"
Ich griff meine Zügel nach und trieb Nino an.
Während wir uns in Bewegung setzten, drehte ich mich zu Juan um den wir hinter uns ließen.
Sein Blick schweifte von den Reitern zurück zu mir, bevor er nickte.
„Klar"
Ich schenkte ihm ein letztes sanftes Lächeln, bevor ich mich nach vorne wendete und mich aufmachte pünktlich zum Unterricht zu erscheinen.
———
„Mehr Tempo Rachel! Irgendwann bleibt der mit den Vorderbeinen am Baumstamm hängen und dann ist Schluss mit lustig!"
Kurz nach seinen Worten holte die angesprochene Blondine mit der Gerte aus und lies sie auf der Hinterhand des schwarzen Hannoveraners mit solch einer Wucht aufkommen, das dieser einen heftigen Bocksprung hinlegte, der nur so nach Empörung schrie.Ich biss mir auf die Unterlippe und drehte meinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung, als Philipp bereits zu einer Schimpftirade ansetzte.
Nino und ich waren fertig für heute.
Bis auf ein paar bergab Sprünge hatte alles super funktioniert und ich war zufrieden mit dem was wir heute geleistet hatten.
Allerdings hatte heute nicht jeder so einen guten Lauf wie wir.
Carlo hatte mehrfach fast den Boden geküsst, da sein Pferd vor jedem erdenklichen Sprung die Notbremse geprüft hat.
Ein anderer Mitreiter durfte baden gehen und Blondine Nummer 2 wurde mit Gravur abgebockt.
Gottseidank war keinem etwas passiert, außer das sie sich eine Menge Ärger von Philipp eingebrockt hatten.Als dieser in beide Hände klatschte, zuckte ich zusammen und sah auf.
„Okay das reicht für heute, ihr habt euch für den Anfang gut geschlagen. Ich hoffe das ihr nächste Stunde mit etwas mehr Motivation erscheint"
Er warf mir einen wissenden Blick zu, den ich bloß mit einem leisen schnauben quittierte.Nach einigen Runden Schritt über den riesigen Grasplatz mit den NaturHindernissen, stakste mein Wallach wie von allein zurück Richtung Futterausgabe - auch bekannt als seine Box.
Carlo ritt mit seinem riesigen Rappen neben uns her, sagte allerdings kein Wort.
„Gehts dir gut?"
Fragend sah ich zu ihm herüber und stellte fest das er etwas benommen aussah.
„Ja natürlich"
„Sicher? Du siehst etwas neben der Spur aus"
Carlo seufzte und strich seinem Pferd über das Schweißnasse Fell.
„Ich habe mich nicht verletzt falls das deine Sorge ist"
„Was ist es dann? Irgendwas beschäftigt dich! Das kann ich dir an der Nasenspitze ablesen"
Kurz schwieg er.
„Es geht schon, nur Stress mit meinen Eltern"
Meine Laune sank, als Carlo dieses Thema anschlug.
„Das kenne ich"Nach dieser Konversation hatten wir uns nichts mehr zu sagen und ritten schweigend bis zum Stall, wo wir absaßen und anfingen unsere Pferde zu versorgen.
Nachdem ich Nino in die Box gestellt und meine Sachen weggeräumt hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer.
Dort duschte ich mich und schlüpfte kurz darauf in meine Leggins und meinen Oversize Pullover.
Eine Nachricht auf meinem Handy verriet mir, dass Melli und Juan unten im Aufenthaltsraum saßen und auf mich warteten.
Ohne mich noch einmal umzudrehen schloss ich meine Zimmertür und eilte die Treppen hinunter.
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Zeilen zwischen Ruhm und Erfolg
Novela JuvenilSommer, Pferde und für kurze Zeit vergessen. Das ist Enya's Plan für die Ferien, welche sie in einem Trainingslager, fernab ihres Zuhauses verbringt. Mit ihrem Schimmel und etwas zu vielen Selbstzweifeln im Gepäck, flüchtet sie sich gradezu in das T...