Kapitel 25 - Juan

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Enya galoppierte um mich herum und ich musste zugeben, dass mir der Anblick gefiel, welcher sich mir bot.
Brezel arbeitete konzentriert unter ihren Hilfen und trat so schön unter den Schwerpunkt, dass ich beschloss direkt etwas Blödsinn zu veranstalten.

„Fängst du mit dem ersten Cavaletti an?"
Ihr Blick fand mich und ich deutete auf die Stange neben mir.
In einem angenehmen Grundtempo, kam sie auf die kleine Hürde zu geritten und saß überrascht den weiten Absprung weg.
Begeistert schnaubte der braune unter ihr und wackelte vorfreudig mit den Ohren.

„Nochmal!"
Erneut kam sie.
Diesmal von der anderen Seite.
Jetzt saß sie den Absprung gut weg, weshalb ich nach dem Cavaletti zwei Meter daneben griff und es auf die niedrigste Stufe oben drauf legte.
„Mach so weiter"
Mein Wallach trug sie ein paar mal sicher über die bunten Stangen, bevor ich es eine Stufe höher stellte.

Enya ritt erneut dagegen und wurde daraufhin fast von dem kräftigen Absprung von dem blanken Rücken befördert.
„Um Gottes Willen"
Grinsend wartete ich garnicht erst darauf, dass sie nochmal drüber sprang, sondern stellte auch das zweite Cavaletti auf die höchste Stufe.
„Willst du mich umbringen?"
Ertönte kurz darauf auch der Protest.
„Das würde mir niemals einfallen"

Sie setzte sich aufrechter hin, griff den Zügel nach und als sie auf die grade kam, zog mein Wallach wie bereits gedacht begeistert hin.
Ich sah es förmlich hinter ihrem hübschen Köpfchen rattern, als sie die Galoppsprünge mitzählte und mit einer perfekten Distanz der Bewegung folgte, als Brezel den Sandboden verließ und kurz darauf sicher auf der anderen Seite ankam.

An sich war der Sprung nicht höher als ein kleines A.
Jedoch musste ich zugeben das es etwas gemein war, sie das erste mal auf einem fremden Pferd, ohne Sattel so etwas springen zu lassen.

Allerdings machte Enya das alles in meinen Augen so gut, dass ich erneut ein Cavaletti oben drauf stellte.
Diesmal bloß sofort auf höchste Stufe.
„Vergiss es"
Sie hielt auf der anderen Seite an und blickte über den Sprung hinweg.
„Das macht ihr mit links"
bekräftigte Melli meine Idee, von der anderen Seite der Halle.

Frech grinste ich die blonde Reiterin an.
„Läuft doch"
„Juan das wird umkippen"
„Wird es nicht. Das habe ich schon ganz oft gemacht"
Ungläubig starrte sie mich an.
„Kennst du sowas wie Sprungständer nicht?"
„Doch schon. Aber diese Teile da sind handlicher"
Ich deutete auf den Turm vor uns, welchen eine braune Nase bereits neugierig beschnüffelte.

„Zu niedrig Kumpel?"
Nein"
Beantwortete Enya die Frage anstellte meines Pferdes.
Lachend sah ich zu ihr hoch.
„Ich reite den grade das erste mal. Du willst mich wohl im Krankenhaus besuchen"
„Ach was. Ich fange dich im Notfall auf"
Seufzend ritt sie im Schritt an.
„Klar. Weil du auch ein Held bist, den die Welt so unbedingt braucht"

Sie entwickelte den Galopp.
„Also springst du rüber?"
rief Carlo ihr zu und man hörte Enya bloß entnervt schnauben.
„Ich will Videobeweis"
Sofort waren sowohl mein, als auch Melli's Handy gezückt, woraufhin der Rappenreiter lachte.

Eine Zirkelrunde drehend, bauten die beiden Grundtempo auf, bevor sie auf mich zuritten.
Erneut zählte Enya die Galoppsprünge mit.
Als sie feststellte, dass das eine weite Distanz wurde, drückte sie das Bein ran und kurz darauf sprang Brezel kräftig ab, wie ich es gewohnt war.

Enya folgte und kurz schien die Zeit stillzustehen, bis die beiden wieder auf der anderen Seite ankamen und Melli begeistert jubelte.

„Sehr gut!"
mein Lob hallte durch die Halle und die Blondine lobte den Wallach unter ihr.
Lächelnd.
Sie hatte ein breites ehrliches Lächeln im Gesicht und mein Herz schlug schneller.

„Leg noch einen drauf"
rief Carlo zu mir herüber.
„Nicht das der Turm an Ende wirklich noch umfällt"
Gab ich zu bedenken.
„Blödsinn. Mach schon. Jetzt scheint sie nen Lauf zu haben"
„Hört auf so zu reden, als wäre ich nicht da"
Enya warf mir einen warnenden Blick zu.
Herausfordernd griff ich nach der nächsten Stange und stemmte sie nach oben.
„Nicht ganz hoch. Mach die Mitte und wir haben einen Deal"
Grinsend folgte ich ihren Anweisungen und machte ihr Platz.

Nachdenklich begutachtete sie das Hindernis.
„Na komm schon. Du bist schon deutlich höher gesprungen"
Melli's Aufbau Versuch verlief ins leere.
Stattdessen wechselten wir einen Blick und ich schenkte ihr ein selbstsicheres Grinsen, welches Enya ermutigte weiterzumachen.

Als sie für das letzte mal diesen Abend auf die Hürde zu galoppierte, lag soviel Freude in meinem Pferd, dass sie deutliche Mühe hatte eine passende Distanz zu sehen, schaffte es jedoch und er drückte ab.
Enya's Knieschluss war perfekt und auch wie sie der Bewegung folgte, sah einfach gekonnt aus.
In ihr brodelte Leidenschaft für diesen Sport und auch wenn ich wusste, was ihr dieser bereits angetan hatte; sie liebte ihn.
Und ich war mir sicher, dass dies auch so bleiben würde.

Kurz nach dem die Eisen in den Sand eintauchten und Brezel vergnügt schnaubte, klopfte Enya ihn großzügig und freute sich über den kleinen Erfolg, der ihr den Tag hoffentlich etwas gerettet hatte.
———
Gemeinsam duschten wir mein Pferd ab und stellten ihn zurück auf die Koppel.
Als wir auch den Rest der Sachen weggeräumt hatten und auf dem Weg zu unseren Zimmern war, ergriff Enya das Wort.
„Danke das ich ihn heute reiten durfte. Das bedeutet mir wirklich viel"
„Gerne. Er hatte sichtlich viel Spaß mit dir"
Verlegen sah sie auf ihre Fußspitzen, bevor sie mich ansah und mir plötzlich um den Hals fiel.

Überrumpelt erwiderte ich die Geste und hielt sie fest.
„Danke. Ehrlich"
Das leise Flüstern an meinem Ohr, lies eine Gänsehaut über meine Haut wandern.
Ich antwortete nicht.
Drückte sie nur enger an mich heran.

Kurz danach löste sie sich von mir und mein Blick traf ihren.
Sie sah so glücklich, traurig und dankbar zugleich aus, dass sich das Bedürfnis in mir breitmache sie zu küssen.
Ob sie es auch wollte?

Ich wollte meine Augen von ihrem Gesicht abwenden, um es mir einfacher zu machen, sie mir zu verbieten.
Doch als ich bemerkte wie ihr Blick kurzzeitig auf meinen Lippen landete, blieb mein Herz stehen.
Hatte ich mir das grade eingebildet?

Doch als sie auf meine Reaktion hin leicht rot wurde, war ich mir sicher das dem nicht so war.
„Alles gut?"
Meine Stimme klang zu rau und ich sah in ihren Augen, dass sie wusste das ich es wusste.
„Ja. Nur ich würde.. eh.."
Sie wurde noch röter und immer leiser.
„Du würdest..?"
„Ich würde dich grade gerne küssen"
Damit das sie mir so ehrlich antwortete, hatte ich nicht gerechnet und demnach sah ich sehr irritiert auf sie herab.

„Oh.. Gott! Tschuldige"
Enya wollte sich losmachen, doch ich hielt sie am Arm zurück.
„Warte"
Mittlerweile waren sogar ihre Ohren rot und ich musste lächeln.
„Warum tust du es dann nicht?"
„Ich habe noch nie.. jemanden geküsst"
Sie stammelte es so leise hervor, dass ich Mühe hatte sie richtig zu verstehen.

„Soll ich es dir zeigen?"
Sie nickte leicht und sah zu mir auf.
„Aber lach nicht, wenn ich mich doof anstelle"
Mein Lächeln wurde breiter.
„Niemals"
Kurz darauf legte ich meine Lippen sanft auf ihre und meine Hände wanderten zu ihren Wangen.
Sie hielt sich an meinen Armen fest und traute sich erst nicht den Kuss zu erwidern.
Als sie es dann doch tat, war sie unsicher.
Das spürte ich deutlich, doch es war okay.

Wir standen mitten auf dem Hof, auf uns schien die Sonne herab, Pferde waren in der Nähe zu hören und sie schenkte mir ihren ersten Kuss.

In diesem Moment wollte ich nicht, dass dieser Sommer jemals zu Ende ging.
Ich wollte die Zeit anhalten, all die Momente ganz tief in meinem Herzen einschließen und sie niemals gehen lassen.

Ich wollte sie nie wieder gehen lassen.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt