Kapitel 26 - Juan

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„Wie heißt es so schön? Mensch ärgere dich nicht"
Melli kickte grinsend meine Figur vom Spielbrett und ich warf ihr einen genervten Blick zu.
„Jetzt darf ich wieder von vorne anfangen"
Carlo und Enya lachten, während ich die Figur zurück in die Ecke stellte.

Wir saßen zu viert in Carlo's und meinem Zimmer auf dem Boden, spielten Brettspiele und tranken Eistee.
Enya saß neben mir, die anderen beiden gegenüber von uns.

Melli reichte den Würfel zu mir weiter und mit jedem Fehlwurf, wurde ihr Grinsen breiter.
„Ich hasse dich"
„Wie bitte? Ich habe dich nicht ganz verstanden"
Kopfschüttelnd drückte ich das kleine Ding in die Hand neben mir.
„Ich sagte, dass ich dich bei der nächsten Gelegenheit, meine Box mit misten lasse"
Empört schnappte Melli nach Luft.
„Ich verweigere diesen Dienst"
„Kannst du nicht"
mischte sich nun Carlo ein und beobachtete, wie Enya würfelte und ihr Männchen nach vorne bewegte.

„Wieso kann sie das nicht?"
Wollte diese nun interessiert wissen und angesprochener griff nach dem blöden Punkteding, welches mich noch in den Wahnsinn trieb.
„Weil sie noch einige Stalldienste offen hat.. hey!"
Melli hatte Carlo den Würfel aus der Hand geschnappt und versteckte ihn hinter ihrem Rücken, als er ihn zurück ergattern wollte.
„Dafür sitzt du jetzt eine Runde aus"
„Was? Weil ich dir einmal kein Recht gegeben habe?"
Ein belustigtes Grinsen schmückte sein Gesicht.
„Nein. Weil du mich bloßstellst"
Die Brünette versuchte krampfhaft ernst zu bleiben.
Scheiterte jedoch, als Carlo anfing sie zu kitzeln und nach den Armen griff, die kurz darauf nach vorne schnellten, um sich zu schützen.

„Carlo! Stopp!"
Lachend wand sie sich in seinen Armen, jedoch nicht gewillt den Würfel rauszurücken.
„Erinnert mich ein bisschen an dich, wenn du mich tyrannisierst"
Enya schnaubte.
„Sagt genau der richtige"

Wir sahen uns an und sie wurde rot.
Schnell fuhr sie sich durch die Haare.
„Du bist viel schlimmer als ich"
„Ach ja?"
„Ja. In vielen Dingen"
„Zum Beispiel?"
Herausfordernd zog ich eine Augenbraue hoch.
„Küssen"
Sofort hielten die beiden gegenüber von uns inne.
„Ach?"
Ich musste mich sehr zusammenreißen nicht zu lachen.
„Und wie willst du das beurteilen?"
„Naja, ich lese viel"
Sie zuckt mit den Schultern.
„Da läuft sowas immer anders ab"
Sie wollte mich nur ärgern und das wusste ich.
Zu ihrem Glück, sprang ich heute darauf an.

Rasch stand ich auf und zog sie dabei mit nach oben, hob sie hoch und ehe ich mich versah, hatte sie ihre Beine um meine Hüfte geschlungen.
Da war ihr Mut dann auch wieder verpufft und sie sah mir mit verschränkten Armen in meinem Nacken, in die Augen, während wir im Zimmer standen.

„Was habe ich verpasst?"
„Du sprichst im Singular? Ich wusste auch nichts davon!"
Entgeistert wurden wir vom Boden aus angestarrt und Enya wurde noch röter.
Peinlich berührt vergrub sie ihren Kopf in meiner Halsbeuge und tat so, als wäre sie nicht da.

Mich zu unseren beiden Freunden umdrehend, sahen mich diese sehr verdattert an.
„Das ist ja jetzt wohl ein schlechter Scherz"
grummelte Melli und Carlo musste lachen.
Enya löste ihre Beine und ich lies sie langsam zu Boden gleiten.
„Sorry"
murmelte sie leise.
„Hör auf dich zu entschuldigen"
flüsterte ich zurück und drängte sie Richtung Bett.
Als sie die Matratze in den Kniekehlen hatte, knickte sie ein und lies sich auf den Rücken fallen.

„Wollt ihr jetzt etwa schlafen?"
„Wir haben's schon elf"
war die einzige Antwort auf Carlo's Frage.
Man hörte wie das Spielfeld abgeräumt wurde.
„Juan du hast Hochhaus verloren"
Gab Melli bekannt und klatschte erfreut in die Hände.
„Kannst dich ruhig freuen, während du morgen meine Box mistest"
„Du bist so ein schlechter Verlierer"
Schulterzuckend zog ich meinen Pullover über den Kopf und warf ihn in eine Ecke.
„Du schläfst heute hier"
Ich blickte zu Enya.
„Ich hatte nicht vor, jetzt noch zu meinem Zimmer zu Latschen, wenn ich bereits in einem Bett liege"
Sie richtete sich auf und beobachtete mich dabei, wie ich neue Sachen aus dem Schrank kramte.

„Shirt? Hose?"
„Beides"
Ich schmiss ihr die Sachen zu, bevor ich mich zu den anderen beiden umdrehte.
„Und ihr so?"
„Nein danke, wir wollen nicht deine Klamotten anziehen"
feixte Carlo.
„Sicher? Würde dir bestimmt gut stehen"
„Findest du?"
Er stand auf und kam auf mich zu.
„Klar"
Wir hielten Blickkontakt, während Melli im Hintergrund die Augen verdrehte.

„Hör auf meinen Freund an zu flirten. Wir verziehen uns auf mein Zimmer"
Lachend wendete sich mein gegenüber ab und ich stimmte ein.
Wir machten uns bereits seit längerer Zeit einen Spaß daraus, einander anzumachen, nur um sie zu ärgern.

Mit einem letzten bösen Blick, den sie unmöglich ernst meinen konnte, nahm Melli Carlo's Hand und verschwand mit ihm aus dem Zimmer.
Enya saß immer noch auf meiner Matratze und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.
„Es ist ziemlich lustig, sie mal angepisst zu erleben"
„Glaub mir, dass kann auch sehr schnell, sehr anstrengend werden"

Schmunzelnd sah sie auf die Klamotten in ihren Händen herab und ich begriff, dass sie sich nicht traute, sich vor mir umzuziehen.
Also verdrückte ich mich ins Bad und als ich wieder rauskam, lag sie auf der Decke, tippte auf ihrem Handy herum, das Licht der Nachttischlampe bereits gelöscht.

„Steht dir gut"
Mein Kommentar zu Enya's Outfit wurde bloß mit einem Augenrollen quittiert und sie machte mir Platz.
Als mein Körper neben ihrem lag, zog ich sie an mich heran und sie packte das Handy beiseite.
Eine Zeitlang schwiegen wir, bis das Mädchen anfing zu sprechen.

„Was wird jetzt passieren?"
Ich wusste, dass sie von den Folgen der Verletzung ihres Pferdes sprach.
„Wir sagen erstmal nichts. Ich werde mit Philipp sprechen und ihn nach einem Pferd fragen"
„Ich bezweifle das er mir eins gibt"
murmelte sie leise.
„Dir vielleicht nicht, aber mir.
Und du hast Glück, dass dich Brezel so gern hat, dann kann ich ihn dir nämlich überlassen"
Ich drehte einer ihrer blonden Strähnen um meinen Finger.
Als sie sich aufrichtete, lies ich die Haare los.
„Das würdest du tun?"
Enya sah mich an, als wäre ich eine Erscheinung und ich musste lächeln.
„Für dich ja"
Augenblicklich fiel sie mir um den Hals und ich musste lachen, als sie mich umklammerte.
„Danke Juan. Danke."
Sie ein Stück von mir wegdrückend, legte ich meine Lippen sanft auf ihre Stirn.
„Ich weiß wie gerne du hier bist und ich bin auch etwas egoistisch veranlagt, wenn ich dir mein Pferd gebe"
Neugierig musterte sie mich.
„Weil?"
„Weil ich dich gerne hier behalten würde"
Kichernd lies sie es über sich ergehen, wie meine Arme sie an mich pressten und wir uns umdrehten.
Jetzt lag sie unter mir.

„Es ist trotzdem nicht selbstverständlich"
flüsterte sie leise.
„Nichts auf dieser Welt ist selbstverständlich. Viele Sachen sind einfach zur Erwartungshaltung geworden. Auch Sachen, die nicht von einem erwartet werden sollten"
„Hast du ein Beispiel, was nicht auf diese Liste gehört?"
Meine Finger wanderten erneut in ihre Haare.
„Das man seine Ziele und Träume wegwirft, nur weil es manchmal der einzig selbstlose Weg ist.
Darf man nicht einmal egoistisch sein?"
„Nichts wenn's ums Tier geht"
widersprach das Mädchen unter mir sofort.
„Nein"
Gab ich ihr Recht.
„Aber ich denke Nino ist hier auch als Patient gut aufgehoben"

Sie lächelte dieses wunderschöne Lächeln und ich konnte nicht anders als sie zu küssen.
Sanft legte ich meine Lippen auf ihre.
Sie waren weich und schmeckten nach Eistee.
Vorsichtig lies ich meine Zunge über ihre Lippe fahren und sie teilte diese daraufhin.
Als sich unsere Zungen berührten, stieß ich ein Brummen aus, welches Enya in mein Haar greifen lies.

Sie war noch immer etwas unbeholfen, weswegen wir uns nach kurzer Zeit lachend voneinander lösten.
„Ich habe dir noch viel beizubringen"
„Halt die Klappe Juan"

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