Weitere zwei Tage verstrichen nach Enya's Sturz und mittlerweile machte ich mir große Sorgen.
So große Sorgen, dass ich mich zwischen sie und die Boxentür schob, aus der Nino bereits den Kopf steckte und nach seiner Reiterin die Nase ausstreckte.
„Was soll das Juan? Geh bitte beiseite"
Ihre kleine Gestalt versuchte sich an mir vorbei zu drängeln, doch ich lies sie nicht.Erbost blitzten mich zwei blaue Augen an.
„Ich habe gleich Springunterricht, falls du den Plan lesen würdest"
„Du siehst aus wie eine schlafwandelnde Leiche, was du wüsstest, wenn du in den Spiegel gucken würdest.
Schläfst du überhaupt?"
„Was geht dich das an?!"Nun war ich der, der sie böse anfunkelte.
„Ich gehöre du deinen Freunden, falls du das vergessen haben solltest"
Für ein kurzen Moment wurde ihr Ausdruck sanfter, bevor er wieder hart wurde.
„Mach Platz"
„Du wirst in dieser Verfassung nicht nochmal reiten. Das letztens, war schon völliger Schwachsinn"
„Juan!"
„Enya, Nein!"
Meine Stimme schnitt so scharf durch den Stall wie eine Messerklinge und sie starrte mich entsetzt an.„Du hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe"
„Du kannst es anscheinend nicht selbstständig einschätzen, wann Schluss ist"
„Weil nichts los ist Juan."
Die Arme vor der Brust verschränkend, sah ich weiterhin auf sie herab und als sie feststellte das ich es ernst meinte, verhärteten sich ihre Augen.
„Du bist ein Arsch"
„Vergiss das gleich wieder, das zieht bei mir kein bisschen"
Wir lieferten uns ein kurzes Blickduell, bevor Enya schließlich aufgab und ihre Maske fallen lies.
Endlich.„Bitte lass mich einfach vorbei, ich bin eingetragen und Nino braucht Bewegung"
„Geh ins Bett, ich reite für dich mit Brezel und schreibe mich heute Abend von dem Gelände Training aus.
Dann kann ich Nino an die Longe hängen"
Ungläubig weiteten sich ihre blauen Augen.
„Nein, das kann ich nicht von dir verlangen. Du brauchst das Training, genauso wie mein Pferd auch"
„Dann lass ihn freispringen, oder ich reite ihn durch die Stunde heute.
Wie auch immer, aber kein Argument der Welt wird mich dazu bewegen, zuzulassen das du ohne Schlaf reiten gehst"
„Ich kann reiten"
„Ja. Aber nicht in solch einer Verfassung, durch einen Parcours mit 12 Sprüngen. Mehrfach."Ihre trüben Augen, wurden neugierig.
„12?"
Seufzend lehnte ich mich an die Schiebetür in meinem Rücken.
„Philipp und sein Trainingsplan"
„Juan, ich muss mitreiten. Das letztens war eine Katastrophe"
„Genau und weißt du auch warum? Weil du mit deinen Gedanken ganz wo anders als im Parcours warst und das hab ich dir überdeutlich angesehen! Das alles hätte ganz anders ausgehen können, als bloß ein paar Prellungen und ich weiß, dass ich mich nicht in der Position befinde, dir das jetzt zu verbieten, aber du wirst nicht mitreiten.
Ende der Diskussion."„Nino-"
„Wenn es hier nur um Nino geht, dann gib mir verdammt nochmal seinen Sattel, Enya!"
Sie schluckte und ich wusste, dass ihr das hier zwar auf die Nerven ging, aber keine Widerworte einlegen konnte.
Sie wusste das ich recht hatte und wie ernst ich dies hier meinte,.. wie wichtig mir ihre Gesundheit war.
„Gut"
Sie packte das Halfter vom Haken und drückte es mir kurzerhand an die Brust.
„Putzsachen stehen da, du hast noch 10 Minuten bis du auf dem Platz sein musst"
Bockig verzog sich die kleine Blondine in Richtung der Sattelkammer und ich holte grinsend ihr Pferd aus der Box, welches mich sofort auf Lekerchen absuchte.
———
Als ich auf Nino's Rücken den Platz betrat, wurde ich von jedem angestarrt.
Inklusive Melli, während Carlo nur selbstzufrieden grinste.
„Was ist denn jetzt los?"
Wisperte sie aufgeregt und ich lächelte leicht.
„Es wurde Enya verboten zu reiten"
„Von wem?"
„Von mir"Zwinkernd fing ich an den Apfelschimmel warm zu machen und stellte fest, dass es wirklich Spaß machte seine Runden im Sand mit ihm zu drehen.
Als es zu den ersten Sprüngen ging, fiel mir direkt auf das er heißer war, als es von unten aussah.
Dennoch sprang er alles und selbst als ich mich beim Wassergraben verschätzte, rettete er mir den Hintern.Enya saß mit hochgezogenen Beinen auf einer Bank neben dem riesigen Platz und sah uns bei den Runden zu.
Ich konnte es nicht richtig deuten, allerdings meinte ich ein zufriedenes Lächeln nach der dreifachen Kombi gesehen zu haben.Nach dem letzten Sprung klopfte ich Nino ausgiebig, wie Enya es immer tat und parierte in den Trab durch.
„Gut Juan, das ist genug für heute.
Klasse gemacht"
Philipp hielt einen Daumen in die Höhe, den ich mit einem Nicken quittierte.Um nicht im Weg zu sein, verließ ich den Platz.
Zum abreiten würde ich eine kleine Runde um den riesigen Geländeplatz drehen.
Bei Enya anhaltend, warf ich ihr einen Blick zu und sie erhob sich.
„Willst du abreiten?"
Kopfschüttelnd setzte sie sich schweigend in Bewegung.
Nino folgte ihr sofort.
„Das sah gut aus, so läuft er sonst nur bei mir"
„Tja"
Sie sah zu mir hoch und ich zu ihr herunter.
„Vielleicht wollte er dir zeigen wie viel es bringen kann ausgeschlafen auf dem Pferd zu sitzen"Sie verdrehte die Augen.
„Ja klar"
Ihr Pferd stupste sie an.
„Ja Nino, dein Plan ist aufgegangen.
Nur ändert das nichts an meinen Schlafproblemen"
Enya sprach leise und ich war mir nicht sicher ob diese Worte für meine Ohren gedacht waren, weswegen ich schwieg.Den Rest des Abreitens sagten wir beide nichts.
Genauso wenig als wir absattelten und Nino auf die Koppel brachten.
Erst als wir auf dem Weg in unsere Zimmer waren, fing ich an zu sprechen.
„Danke das ich Nino reiten durfte, das bedeutet mir viel"
„Kein Problem, ihr habt das gut gemacht"
Sie klang leicht abwesend und ich blieb stehen.
„Sag mir was los ist"
Sie drehte sich zu mir und sah mich an, bevor sie den Kopf schüttelte.
„Juan es tut mir wirklich leid, was ich zu dir gesagt habe"
Meine Schultern sackten nach unten und ich wollte was erwidern, doch ich wusste das sie noch nicht fertig war.
„Ich würde dir gerne erklären was mein Problem ist, aber ich weiß nicht wie"Sie schlug ihre Hände vorm Gesicht zusammen und versuchte ruhig zu atmen.
Als sie ihr Gesicht wieder freigab, sah sie mir direkt in die Augen.
„Ich habe einfach das Gefühl, das egal wo ich hingehe, mir jeder was Böses will und langsam habe ich die Vermutung, dass ich in deiner Gegenwart zu einer Heulsuse mutiere, was mindestens genauso furchtbar ist."
Mit diesem Satz brachte sie mich zum Lächeln.
„Du hast einfach nur Angst"
„Nur"
Sie schluckte.
„Wenn es ein nur wäre, würde vieles einfacher sein"Meine Beine trugen mich zu ihr und meine Arme legten sich um ihre schlanke Gestalt.
„Sag nichts, sonst heule ich wieder"
„Na und?"
„Hör auf"
Ihre Stimme klang gedämmt an meiner Brust und ich grinste in ihre blonden Strähnen hinein.
„Es tut mir leid"
„Mir auch"
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Zeilen zwischen Ruhm und Erfolg
Teen FictionSommer, Pferde und für kurze Zeit vergessen. Das ist Enya's Plan für die Ferien, welche sie in einem Trainingslager, fernab ihres Zuhauses verbringt. Mit ihrem Schimmel und etwas zu vielen Selbstzweifeln im Gepäck, flüchtet sie sich gradezu in das T...