Kapitel 12 - Juan

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„Ist alles okay?"
„Wie oft willst du mich das noch fragen?"
Enya und ich verteilten seit zwanzig Minuten Heu an alle Pferde und dennoch sah sie bereits ziemlich fertig aus.
„Bis du aufhörst so zu gucken"
„Wie gucke ich denn?"
Genervt schob ich eine weitere Gabel Heu zu einem Schecken, der auch direkt danach schnappte.
„So.. müde?"
„Es ist früher morgen"
„Ach ja"
Ich zog sarkastisch meine Augenbrauen nach oben.
„Du schläfst ja nie"
Ein halbes Lachen und halbes seufzen entkam Enya's Kehle und ich musste schmunzeln.

Sie rammte ihre Heugabel ins Futter der Pferde und schob sie zur nächsten Box.
„Ich hatte bloß meinen Kaffee noch nicht, das ist alles"
„Das will ich für dich hoffen, der Ausritt später wird etwas länger dauern"
Neugierig hob sie den Blick, stellte das Werkzeug an seinen Platz und ging zur ersten Futterdose, um sie zu öffnen und bei Melli's Pferd in den Trog zu kippen.
Wie auf Knopfdruck fingen alle anderen an zu wiehern.

„Reiten wir etwa einen Umweg?"
„So etwas in der Art"
Das zusammengemischte Kraftfutter rutschte aus der Pinken Futterdose in den Trog des Schimmels, vor dem Ich stand.
Sofort machte er sich darüber her.
„Aha? Erzähl mir mehr"
Enya hatte bereits 2 weitere Pferde gefüttert und machte sich nun am dritten zu schaffen.
„Zieh Sachen an die zum schwimmen geeignet sind"
„Willst du eine Plantschparty veranstalten?"
Ich grinste.
„Nur mit dir"
Lachend lies sie den Ausziehbaren Trog zurückschnappen und warf mir einen Blick zu.

„Wirklich, wirklich unerzogen"
Ich stimmte in ihr Lachen ein und während wir weiterhin gemeinsam die Pferde fütterten, fragte ich mich wie ein solch lustiger Mensch zeitgleich so verschlossen sein konnte.
———
Nachdem wir alle Pferde rausgestellt und sowohl noch etwas gegessen wie uns umgezogen hatten, machten wir unsere Pferde für den Ausritt fertig.
Die Sonne schien bereits hoch am Himmel und versprach das dieser Tag ziemlich warm werden würde.

Enya hatte eine kurze schwarze Stoffhose und ein bauchfreies Top an, während ihre Strähnen in einem unordentlichen Zopf zusammengefunden hatten.
Während sie ihr Pferd putzte entging mir nicht wie schmal sie war und wie trainiert ihre Schultern aussahen.
Es war nicht doll, aber dennoch ein Kontrast zu ihrer sonst sehr grazilen Gestalt.

Eilig wand ich den Blick ab und entschied mich dazu mein Pferd zu satteln bevor sie merkte wie abgelenkt ich war.
Enya befestigte währenddessen Hartschal Gamaschen an den Vorderläufen von Nino und fing an ihn zu trensen.
Sie hielt kurz inne als sie den Nasenriemen schloss und sah zu mir herüber.
Ich selbst griff grade nach meinem Zaumzeug und sah sie fragend an.
„Passt du kurz auf das er nicht stiften geht? Ich habe meinen Helm vergessen"
„Kann ich machen"
Sie lächelte und verschwand kurz darauf, nur um keine Minute später wieder um die Ecke zu biegen.

„Danke"
Sie griff in den Zügel ihres Schimmels und wartete bis ich fertig war, bevor wir gemeinsam dem Gang nach unten folgten.
Einige Reiterinnen sahen und neugierig an, doch mir war ziemlich egal was sie dachten.
Enya die ein paar Schritte vor mir lief strich Nino lächelnd über die Stirn und kratze ihn am Hals, was er mit einem schnauben quittierte.

Als wir in den Sonnenschein traten, gurtete ich nochmals nach und beobachtete Enya dabei, wie sie sich von der Aufstiegshilfe aus auf Nino's Rücken zog.
Als sie saß, klopfte sie ihrem Pferd den Hals und drehte sich zu mir.
„Du bist ein Spielverderber"
Grinsend trat ich zu ihr und zog mir den Hocker an Brezel heran.
„Warum das denn?"
Der braune streckte die Nase nach Nino's aus und fing an daran herumzuknibbeln.
„Weil du wie ein Anfänger mit Sattel reitest"
Ihr einen spöttischen Blick zuwerfend lies ich mich auf mein Pferd gleiten.
„Wenn du heute wie ein Anfänger wegen fehlenden Sattels im Dreck landest, helfe ich dir ganz sicher nicht"
Lachend ritt sie los und ich folgte ihr.
„Ich bin öfter mit Sattel geflogen als ohne"
„Soso, bist du also heimlich eine Ostwind Reiterin?"
„Nein"
„Merkt man kaum"

Wir ritten durch das große Tor hinaus zum weitläufigen Ausreit Gelände.
„Übrigens; Melli ist gestern in mein Zimmer gestolpert und hat mir erzählt das sie Gefühle für Carlo hegt"
Überrascht sah ich zu ihr herüber.
„Echt jetzt?"
Enya nickte.
„Sie war wirklich aufgewühlt und wusste nicht was sie tun soll"
„Es ihm sagen?"
„Ja-"
Sie warf mir einen gespielt genervten Blick zu.
„..Versuch einem deiner besten Freunde mal zu verklickern das du auf ihn stehst"
Nachdenklich beobachtete sie das aufmerksame Ohrenspiel unserer Pferde.

„Was hast du ihr geraten?"
„Tja. Das sie es ihm sagen soll"
Ich fing an zu lachen.
„Hast du gerade nicht noch gesagt, dass genau das schwierig ist"
„Nur weil es schwer ist, ist es ja nicht gleich ein schlechter Rat"
„Sie wird nicht den Mut dazu aufbringen können"
Enya schwieg kurz.
„Doch ich denke das wird sie.
Ich habe ihr gesagt das er es nicht wert ist falls er sie tatsächlich abweisen und nicht mehr mit ihr reden würde.
Aber da ich mir sowieso sicher bin, dass er genau das nicht tun wird, mache ich mir um noch größeres Drama keine Gedanken"

Wir schwiegen erneut eine Weile, während wir dem Weg in ein kleines Wäldchen folgten.
„Du solltest Beziehungscoach werden"
Enya gluckste leise und schüttelte eilig den Kopf.
„Besser nicht"
„Ach komm, hab dich nicht so"
Wir fingen beide an zu lachen.
„Brauchst du etwa Hilfe?"
Wenn sie so weiter machte, dann bestimmt.
„Sehe ich so aus?"
Sie wiegte den Kopf hin und her, als würde sie das für und wider abwägen wollen.
„Ein bisschen, aber es könnte auch das Licht sein"
Kopfschüttelnd griff ich meinen Zügel nach und deutete auf den langen Waldweg der vor uns auftauchte.

„Trab?"
Enya nahm die Riemen in ihren Händen ebenfalls kürzer und trabte los.
Grinsend drückte ich sanft mein Bein an Brezels Bauch, woraufhin er ihr umgehend folgte.
Mit leichten Paraden hielt ich meinen braunen Wallach schräg hinter Enya und beobachtete sie beim reiten.
Während sie jeden Trabschritt locker mitschwang, trat Nino an die Hilfen und schwenkte entspannt mit seinen grau, weißen Ohren.
Unter uns dämpfte der weiche Boden die Tritte der beschlagenen Pferde und das gleichmäßige schnauben, welches aus den Nüstern drang war so vertraut, dass es sich wie nach Hause kommen anfühlte.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt