Als es langsam auf die späten Abendstunden zulief und die Sonne hinter den Bäumen verschwand, saß ich auf dem Rücken meines Pferdes und folgte dem weiten Grasweg.
Bunte Farbtöne leuchteten über uns und es sah so aus, als hätte jemand einen Farbeimer dort verschüttet.Nachdenklich strich ich über die graue Mähne meines Pferdes, die mittlerweile einen erneuten Gelbstich aufwies.
Mir im Kopf eine Notiz machend, dass ich diese morgen unbedingt waschen sollte, zupfte ich ein Stück Stroh von meinem Reitsocken und lies es zu Boden rieseln.Als ich ein Blick auf meine Armbanduhr erhaschte beschloss ich, dass es höchste Zeit wurde sich zu beeilen und zurück zu kommen.
Auf meinen sanften Schenkeldruck reagierend, galoppierte Nino an und folgte in sanften Galoppsprüngen dem Weg Richtung Stall.Seine Ohren schwangen zu jedem Tritt sanft mit und schickten eine angenehme Welle der Ruhe durch meinen Körper.
Während ich zuließ das seine Galoppsprünge länger wurden, genoss ich den Blick auf die untergehende Sonne der wir entgegen steuerten.
Das hier.
Genau das hier liebte ich an diesem Sport und würde es für nichts auf dieser Welt eintauschen wollen.Die leise Musik, die aus meinem Kopfhörer dudelte gab der Atmosphäre einige ganz besondere Farbtupfer, ließen aber gleichzeitig traurige Schwarz-Weiß Töne der Vergangenheit mit hinein fließen.
Erinnerungen meiner Erlebnisse mit dem frechen Braunen der nie mir gehört hatte, obwohl ich es mir so sehr gewünscht hatte.
Ausritte und Abende mit Freunden die nie für die Ewigkeit bestimmt waren und Tage an denen ich jung und naiv war, an denen ich dachte das es niemals etwas geben könnte, was dieses Glück zerstören konnte.
Ich hätte niemals gedacht, dass genau dieses Ende schmetternd und schmerzend auf mich herabgestürzt kommen würde.
In einem Moment in meinem Leben, in dem ich es niemals für möglich gehalten hätte.Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen und nur mit Mühe konnte ich die aufkommenden Tränen zurückhalten.
Wie oft hatte ich diese nassen Wangen an diesem braunen Fell getrocknet?
Wie oft hatten mir die Augen dieses Pferdes Mut und Zuversicht versprochen, während ich nicht mehr daran geglaubt hatte, dass es jemals weitergehen könnte?Meine Gedanken überschlugen sich, während leise die Töne von Everything I wanted mich immer tiefer in das Gedankenkarussel zogen.
In der Hoffnung all diese Gedanken zu verdrängen, trieb ich meinen Schimmel noch mehr an und zwang mich an nichts mehr zu denken.
Nur noch fühlen.
Wind.
Galopp.
Schmerz.
Letzteres drängte ich in die letzte Ecke meines Herzens und versuchte zu vergessen.Wenigstens für diesen einen Moment.
•••
Nino's Hufeisen klapperten, als wir auf den Hof ritten.
Einige Reiter die gerade vom Unterricht zurück kamen, sahen mich verwirrt an.
Ich versuchte es bestmöglich zu ignorieren und lies mich vorm Stalleingang von dem blanken Rücken meines Pferdes rutschen.Neugierig neigte dieses seinen Kopf in meine Richtung und knibbelte an meiner Reitleggings herum.
„Du bekommst gleich eine Möhre, keine Sorge"
Ich lächelte schwach und griff in den Zügel, um ihn in seine Box zu bringen.
Als Nino mit seinen Hufen im weichen Einstreu stand, strich ich ihm vorsichtig die Trense vom Kopf und hängte diese vor seine Box.Müde zog ich die Boxentür ins Schloss und öffnete den kleinen Schrank, der eigentlich zur Futteraufbewahrung gedacht war.
Meine Hände zogen zwei Karotten heraus und hielten sie der Nase hin, die sich bereits in die Richtung der orangenen Leckereien streckte.
Knackend gingen die Möhren zwischen Nino's Zähnen zu Bruch, während er schmatzend darauf herum kaute.Ich schloss die Augen und lehnte mich gegen die Abgrenzung in meinem Rücken.
Die warme Nase strich suchend über meine Hand, herauf zu meiner Wange und in meine Haare.
Nino fing an, an ihnen zu knibbeln und unwillkürlich entfuhr mir ein leises Kichern.
„Lass das"
murmelte ich leise und schlug meine Lider auf.
Tatsächlich hielt mein Pferd inne, als hätte er mich verstanden und legte den Kopf schief.Ohne groß nachzudenken, drückte ich einen Kuss auf seine Nüstern und als wäre das alles gewesen auf das er gewartet hätte, zog Nino die Nase zurück und schnaubte.
Mit einem letzten Blick in diese braunen Augen, die mir als einziges hundertprozentigen Halt gaben, drehte ich mich um und verließ die Stallungen.Wieder einmal hatte ich mich selbst zu sehr in die Vergangenheit zurück katapultiert und erneut musste ich feststellen, dass ich ganz und garnicht damit abgeschlossen hatte.
Zitternd vor zu vielen angestauten Emotionen, trat ich einen Stein vor mir her.
Er schlitterte klirrend über den Asphalt.
Frustriert stieß ich Luft aus und trat die kleine Stufe zur Tür nach oben, nur um kurz darauf das schwere Brett Holz aufzudrücken.Schweren Schrittes stieg ich die Treppen hinauf und bog in den Gang mit meinem Zimmer ab.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich fast in jemanden herein gerannt wäre.
„Sorry"
murmelte ich, bevor ich den Blick hob und in ein vertrautes Gesicht sah.
Juan.
„Oh hey"
Ich mache einen Schritt beiseite und sah verlegen zu Boden.„Hey"
erwiderte er und musterte mich.
„Alles okay?"
Ich nickte und automatisch glitt mein Blick nach oben, um ihn zuversichtlich anzulächeln.
Es war nur ein vorsichtiges zupfen meiner Mundwinkel, doch es sollte genügen um jemanden der mich kaum kannte davon zu überzeugen, dass es mir gut ginge.„Sicher? Du siehst etwas mitgenommen aus."
Besorgt runzelte er seine Stirn.
„Alles gut"
Juan legte leicht den Kopf schief und studierte meine Gesichtszüge.
Als er gerade den Mund öffnen wollte um etwas zu erwidern, wendete ich mich ab.
Ich wollte nicht über meine mentale Verfassung reden und schon garnicht mit einem Typen den ich gerade mal 24h kannte.„Wir sehen uns morgen"
Das war das einzige was ich sagte, bevor ich mit langen Schritten den Flur durchquerte und in meinem Zimmer verschwand.
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Zeilen zwischen Ruhm und Erfolg
Teen FictionSommer, Pferde und für kurze Zeit vergessen. Das ist Enya's Plan für die Ferien, welche sie in einem Trainingslager, fernab ihres Zuhauses verbringt. Mit ihrem Schimmel und etwas zu vielen Selbstzweifeln im Gepäck, flüchtet sie sich gradezu in das T...