Kapitel 3 - Juan

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Alle Jahre wieder.

Mit diesem Motto führte ich meinen unbeteiligt aussehenden Wallach an den neugierigen Blicken der Schüler/innen vorbei und stellte ihn in die vorgesehene Box.

Ohne große Blicke an die Menschen zu verschwenden, verließ ich den Stall wieder und schloss den Hänger.

Ich hatte gerade herzlich wenig Lust ihn auszuräumen und beschränkte meinen Tagesablauf auf essen-duschen-schlafen.
Mit diesem grandiosen Plan im Kopf, lief ich zu dem weitläufigen wunderschönen Gebäude, betrat es und steuerte unumgänglich die Cafeteria an.
Als ich diese betrat, schlug mir eine angenehmer Duft von essen ins Gesicht und so viele Blicke, dass ich erst gar keine Lust hatte sie zu zählen.

Höflich grüßte ich die alte Dame an der Essensausgabe und bekam kurz darauf einen ordentlich vollgehäuften Teller mit Lasagne.
Kurzerhand drehte ich mich um und lies meinen Blick über die manch vertrauten und manch fremden Gesichtern schweifen.
Tatsächlich entdeckte ich Melli, die mir einem mir fremden Mädchen an einem kleinen Tisch saß.
Zielsicher steuerte ich auf sie zu und lies mich kurzerhand neben sie fallen.

„Juan!"
Freudestrahlend fiel mir die kleine Brünette um den Hals.
Lächelnd erwiderte ich die Umarmung.
„Hey"
brummte ich zur Begrüßung und zog mich kurz darauf zurück.
Lächelnd wendete Melli sich dem Mädchen zu, dass etwas hilflos in ihrem Essen herumstocherte.
„Enya? Das ist Juan!"
Ein paar blonde Strähnen fielen in ihr Gesicht, als sie den Kopf hob und mir ein unsicheres Lächeln schenkte.
„Hi"
Kurz musterte ich sie, bevor ich ihr zunickte.

„Freut mich dich kennenzulernen"
Und das tat es tatsächlich.
Sie schien keine hyperaktive Zicke zu sein, wie Emily und Rachel - zwei Blondinen die zu viel Geld und zu wenig Selbstreflexion besaßen - und genau das gefiel mir jetzt schon an ihr.
„Wann hast du morgen Training?"
Unterbrach Melli meine Gedanken.
„Keine Ahnung, ich kam noch nicht dazu in die Liste zu schauen"
Schulterzuckend spießte ich etwas essen auf.
Enya grinste kurz, allerdings verschwand dies genauso schnell, wie es gekommen war.
Kopfschüttelnd sah mich Melli an.
„War ja klar"

„Ich meine dich in der 10:00 Uhr Liste gesehen zu haben..
Aber seh besser nochmal nach.
Es kann auch sein, dass ich mich irre"
Überrascht glitt mein Blick zu meinem gegenüber.
So viele Worte auf einmal?
Ich verkniff mir jeglichen unfreundlichen Kommentar, bezüglich dieses Themas.
„Danke, aber ich vertrau auf dich"
Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, während sie die Augen verdrehte und den Kopf einzog.

„Beschwer dich aber nicht, wenn es nicht stimmt!"
Sie lud sich essen auf die Gabel und schob sich diese kurz darauf in den Mund.
„Keine Sorge"
Kurzer Augenkontakt.
Kurzes Lächeln meinerseits.
Unsicheres schweigen ihrerseits.

Jeder unseren Gedanken nachhängend verdrückten wir unsere Mahlzeit, räumten kurz darauf alles weg und liefen gemeinsam Richtung Flur.
„Ich lade meinen Hänger aus"
beschloss ich und steuerte auf den Ausgang zu.
Zwar war mein Plan ein anderer gewesen, doch wenn ich morgen nicht mit meinem Sattel über den Parkplatz rennen wollte, blieb mir kaum was anderes übrig.
„Wir helfen dir, oder Enya?"
Ich drehte meinen Kopf in die Richtung der beiden Mädchen.
Lächelnd erhaschte ich einen Blick auf die blondhaarige Freundin von Melli.

Schulterzuckend folgte sie uns.
„Klar, ich habe eh nichts vor"
Gemeinsam betraten wir den Innenhof und liefen auf mein Gespann, aus Auto und Hänger zu.
„Wie läuft es mit Brezel?"
Ich neigte meinen Kopf in die Richtung der Brünette.
„Gut"
„Brezel?"
Enya zog verwirrt eine Augenbraue in die Höhe.
„Was dagegen?"
Schnell erhob sie die Hände.
„Niemals"
Grinsend schüttelte ich den Kopf.
„Eigentlich heißt er Fairway, allerdings hat er mir in seinem 3. Lebensjahr meine Laugenbrezel geklaut und naja, seitdem nennen wir ihn Brezel"
Schulterzuckend öffnete ich die kleine Sattelkammer Tür des Hängers.

„Kreativ"
Sie lächelte zurückhaltend und zog den Sattel heraus, bevor ich danach greifen konnte.
„So ist Juan halt"
Die Ironie in Melli's Stimme war nicht zu überhören.
Ohne darauf einzugehen, zog ich die Trense hervor und griff nach dem Putzkasten.
„Kannst du die Tüte aus dem Kofferraum nehmen?"
Ohne eine Antwort abzuwarten lies ich sie am Wagen stehen und Enya folgte mir eilig.
Sie schwieg, während wir nebeneinander in den Stall liefen, bloß ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, als ein Schimmel den Kopf in unsere Richtung streckte.

„Du bist das erste mal hier"
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, doch sie überging dies gekonnt.
„Jep"
Erneut schwieg sie.
Besonders gesprächig schien Enya nicht zu sein.
Mir im Kopf eine Notiz machend, dies zu ändern, betrat ich die Sattelkammer am Ende des Gangs.
„Den Sattel kannst du oben rechts drauflegen"
Mit dem Kinn deutete ich auf einen höher angebrachten Sattelbock.
Kurz musterte Enya das Gestell, legte dafür ihren Kopf in den Nacken und ging kommentarlos darauf zu.

Kurz hatte ich Sorge, dass sie den Sattel nicht hoch bekommen könnte, doch sie überraschte mich, indem sie ihn geschickt nach oben stemmte und sicher auf dem Halter ablegte.
Sie drehte sich um und warf mir einen fragenden Blick zu.
Eilig drehte ich mich weg und verstaute mein Gepäck in dem großen Holzschrank vor mir.

In dieser Sekunde betrat Melli den Raum und schmiss mir die Tasche vor die Füße.
„Was ist dadrin? Steine?!"
Grinsend zog ich eine Augenbraue in die Höhe.
„Hättest du reingeschaut, wüsstest du es"
Beleidigt verschränkte sie die Arme vor der Brust und musterte mich abwartend.

„Aber nein, tatsächlich stehen keine Steine in der Kleiderordnung meines Pferdes.
Sag mir bitte Bescheid, wenn du jemanden siehst der Steine an die Beine seines Pferdes knotet oder sie damit eindeckt. Ich muss dringend wissen ob das so ergiebig ist, wie du es darstellst"
Kichernd wendete sich Enya ab.
„Haha sehr witzig"
Augenverdrehend glitt Melli's Blick auf die Tüte herab.
„Hast du sonst noch was in deinem Auto?"
Ich griff nach dem Inhalt und verstaute ihn in meinem Schrank.
„Nein"
Sie musterte mich genervt, bevor sie sich Enya zuwandte.
„Dann wäre unsere Arbeit getan, komm wir lassen den Herrn allein"
Angesprochene musterte mich ein letztes Mal, bevor sie Melli aus der Sattelkammer folgte und die beiden mich Allein ließen.

Kopfschüttelnd schloss ich den Schrank ab und verließ ebenfalls den Raum.
Rechts neben der Tür blieb ich stehen und sah mir die Einteilung der Stalldienste an.
Um den Plan nicht zu vergessen fotografierte ich ihn ab und verließ ebenfalls die Stallungen, um mich in meinem Zimmer einrichten zu können.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt