Kapitel 22 - Enya

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Ich saß neben Juan in seinem Wagen, während er uns sicher die Landstraße Richtung des kleinen Städtchen entlang fuhr.
Aus den Lautsprechern dudelte leise Radiomusik und dank dem ein Spalt geöffnetem Fenster, hauchte eine leichte Sommerbrise durch meine Haare.

Zwischen uns herrschte eine Stimmung, die sich fest und sanft zugleich anfühlte.
Etwas worauf man sich auf jeden Fall verlassen und ohne Sorge hineinfallen lassen konnte, ohne Angst vor dem Aufprall zu haben.

Ich fand es ziemlich perfekt.

Entspannt neigte ich den Kopf in die Richtung des Fahrers und beobachtete ihn, in dem was er tat.
Juans Hände ruhten locker auf dem Lenkrad, nur hin und wieder wechselte die rechte zur Schaltung, um den Gang zu verstellen.
Die Gesichtszüge des jungen Mannes waren entspannt und machten den Anschein, dass ihn absolut nichts aus der Ruhe bringen konnte.

„Starrst du mich an?"
Ich verbat mir auf seine Worte hin rot zu werden.
„Vielleicht"
Ein belustigter Seitenblick traf mich, während er den Blinker auf eine Abfahrt setzte.
„Ungeniert wie eh und je"
Darauf fiel mir zwar keine schlaue Erwiderung ein, doch mir entfuhr ein Lachen.

Der Wagen legte sich sanft in die Kurve und folgte dem asphaltierten Weg, welcher sich kurz kringelte, bevor er auf einer Straße endete, die geradewegs zu Häusern und Supermärkten führte.
Ich erinnerte mich wage daran, ebenfalls hier lang gefahren zu sein, um den Stall zu erreichen.

Bäume zogen an uns vorbei, welche vereinzelt am Rand der Straße standen, bis diese zu Gebäuden wurden und Juan das Auto irgendwann am Rand parkte.
„Wir sind da"
Mein Blick fiel auf ein kleines Café, welches sich links auf der anderen Straßenseite befand.

Stühle und Tische standen seitlich des Eingangs und Efeu umkreiste den tiefen Zaun, der allein zur Abgrenzung diente.
Ingesamt sah das Häuschen ziemlich altmodisch aus, passte jedoch durch und durch ins Bild der kleinen Stadt.

Gemeinsam stiegen wir aus dem Jeep, wobei ich mehr kletterte und Juan mir lachend dabei zusah.
„Das du diesen Wagen überhaupt fahren kannst! Das ist eine Zumutung."
Stolpernd, schloss ich die Tür hinter mir und beobachtete wie der braunäugige mich belustigt ansah.

„Ja.."
Ein herausfordernder Blick traf mich.
„Eigentlich ist das aussteigen, auch das kleinste Übel"
Gespielt empört, schlug ich ihm auf die Brust und ging an seiner Gestalt vorbei.
„Jaja, mach dich ruhig drüber lustig"
Jaja heißt so viel wie; Leck mich am Arsch"
Er fing an, mir hinterher zu laufen.
„War ja auch so gemeint"
Feixte ich und wartete auf eine Antwort.
Das diese jedoch darin bestand, den Boden unter den Füßen zu verlieren und herumgewirbelt zu werden, hätte ich nicht gedacht.

Mit einem erschrockenen Aufschrei, krallte ich mich an Juans Handgelenken fest, bevor ich lachend wieder unten ankam und gedreht wurde.
Sein Blick traf meinen.
„Pass bloß auf Fräulein"
Lachend stand ich vor ihm und als er mir dabei zusah, wie ich meine fünf Minuten bekam, konnte er sich auch nicht lange zusammenreißen.

Beide Hände vors Gesicht schlagend, versuchte ich mich wieder in den Griff zu bekommen.
„Was ist so lustig?"
flüsterte mein Gegenüber, mir glucksend ins Ohr und ich schüttelte den Kopf.
„Keine Ahnung, ehrlich."
Er lachte und zog mich Richtung Haupteingang des Cafés.

Als ich meine Sicht wieder freigab, entdeckte ich die neugierigen Blicke der anderen Gäste auf mir und drängte mich näher an Juan.
„Unangenehm"
meine leise Stimme drang zu ihm durch und er warf mir einen Seitenblick zu, sah mich einfach nur an und ich lachte erneut.
„Hör auf so zu gucken, das macht es nicht besser"
„Eben. Deswegen ist es ja so lustig"

Gemeinsam betraten wir das kleine Lokal und wurden von einer netten Mitarbeiterin zu einem weißen Tisch geleitet.
Auf den Bänken lagen Sitzkissen und Kuschel Decken, die jedoch für die Temperaturen draußen, etwas zu warm waren.

Juan lies sich als erster an dem Tisch nieder und beobachtete mich, wie ich mich ebenfalls setze und die Karte ins Visier nahm.
„Heute ist Waffeltag"
verkündete er freudig, zog eines der einlaminierten Sachen aus dem Halter und hielt es mir unter die Nase.
„Na dann brauchen wir ja nicht mehr nach was anderem suchen"
Erfreut schnappte ich mir die Auflistung der Angebote aus Juan's Hand und überflog sie.

„Ich empfehle die, mit geschmolzener Schokolade.
Dazu ein Milchkaffee und dein perfektes Frühstück steht vor dir"
Ihm einen nachdenklichen Blick über die Karte zuwerfend, zog ich eine Augenbraue hoch.
„Du bist gruselig"
Empört stierte er mich an.
„Warum das denn, nun schon wieder?"
„Weil du genau weißt, was ich gerne esse. Das macht mir Angst"
Erneut versteckte ich mich hinter dem Papier, obwohl ich genau wusste was ich wollte.

Ein raues lachen flog zu mir herüber und erweckte die Schmetterlinge in meinem Bauch.

Die Bedienung kam nach fünf Minuten bereits zu uns und das, obwohl der Laden unglaublich voll war.
„Was darf es für euch beide sein?"
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Ich hasste es mit fremden Menschen zu reden und verfluchte mich im selben Augenblick.
Das war einfach nur peinlich.

„Zweimal Waffeln mit geschmolzener Schokolade und zwei Milchkaffee, bitte"
Erleichterung überflutete mich, als Juan das sprechen übernahm und schenkte der Tischdecke einen bösen Blick, da sie mich vorwurfsvoll anzustarren schien.

„Kommt sofort"
Eilig kritzelte die Brünette etwas auf ihr Heftchen und war im selben Moment auch schon verschwunden.
„Danke"
brachte ich hervor und mein Gegenüber lächelte.
„Für so etwas musst du dich nicht bedanken"
Er steckte die Karte zurück zu den anderen und sah zu mir herüber.

„Ist dir mal aufgefallen wie schnell die Zeit verflogen ist? Bald ist der Sommer schon wieder vorbei und dabei fühlt es sich so an, als hätte er erst begonnen"
Ein Stich durchfuhr mich bei seinen Worten.
Bereits über die Hälfte der Zeit war um und uns blieben bloß nur noch wenige Wochen, bis wir wieder heimkehren mussten.
„Du hast Recht, echt scheiße"
Ich schluckte und starrte auf meine Finger auf der Tischplatte.
Ich wollte hier nicht weg.
Hier war es friedlich.

„Hey"
Juan legte eine Hand auf meine und ich sah zu ihm hoch.
„Was wartet auf dich, wenn du nach Hause fährst? Warum sträubst du dich so?"
„Ich bin vor den Problemen da nur weggelaufen, zumindest fühlt es sich so an.
Ich habe irgendwie ein komisches Gefühl wiederzukommen und alles erneut über mich ergehen zu lassen."
Er zuckte mit den Schultern und kurz dachte ich, dass er es als Blödsinn abtuen würde, doch dann lächelte er mich beruhigend an.

„Ich denke das nicht. Du hast sie einfach nur für eine Weile hinten angestellt"
Amüsiert kräuselte sich seine Nase.
„Außerdem hast du ja jetzt uns, da können die anderen sowieso einpacken"
Lachend erwiderte ich den Druck, der von seiner Hand ausging und meine Sorgen verflogen zu einem großen Teil.

Juan hatte recht.
Das hier waren echte Freunde und ich würde sogar nach dieser kurzen Zeit, die ich sie kannte, meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie mich niemals hintergehen würden.

Zeilen zwischen Ruhm und ErfolgWo Geschichten leben. Entdecke jetzt