Es war bereits dunkel und die Straßenlaternen spendeten kaum Licht. Für die paar Straßen hatte ich mich nicht extra umgezogen und bereute diese Entscheidung sofort, als wir durch die Tür traten.
Die spätsommerliche Luft war gut abgekühlt und eine Gänsehaut überzog meine Arme.
Leo schaltete direkt und bot mir ohne Worte sein Sakko an. Dankend nahm ich es an und wir machten uns auf den Weg. Die Häuser waren von Graffiti überzogen und das, obwohl wir uns hier in einem der besseren Viertel von Berlin befanden.
Eine Straße weiter befand sich wohl ein Nachtclub und eine größere Gruppe junger Männer stand davor.
Mit mulmigem Gefühl wechselten wir die Straßenseite und ich rückte etwas näher an Leo heran.
Zwar musste ich noch keine wirklich schlechten Erfahrungen machen, aber man wusste ja nie und Berlin hatte einen gewissen Ruf weg. Ich war glücklicherweise sehr behütet in einem Vorort von München aufgewachsen und dort war die Welt noch in Ordnung.
Als wir gerade an der Gruppe vorbei waren, fing es an. Es wurde gepfiffen und obszöne Bemerkungen wurden gemacht. Jetzt war ich heilfroh, dass ich von Leo begleitet wurde, das gab mir zumindest etwas Sicherheit. Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, dass er etwas gegen so viele Leute ausrichten konnte.
"Bei dem Outfit hast du doch bestimmt noch Bock mit uns zu feiern.", rief einer der Männer, der schon ziemlich betrunken war.
Ich ignorierte ihn und bereute es ein zweites Mal, dass ich mich nicht umgezogen hatte. Obwohl mein Outfit bei solchen Männern sowieso keinen Unterschied machte. Sie suchten nur nach einem Grund, um einen zu provozieren.
Stur zog Leo mich weiter und ignorierte die Gruppe ebenfalls. So sah er es auch nicht kommen, dass sich einer von der Gruppe gelöst hatte und mich an meinem Arm festhielt.
"Komm leiste uns doch Gesellschaft. Dieser Looser kann dir doch eh nichts bieten.", säuselte er in einem ekelhaften Ton.
Ohne zu zögern riss Leo seinen Arm weg und stellte sich zwischen uns.
Das gefiel dem Halbstarken jedoch gar nicht und er schubste Leo, der sich davon jedoch nicht bewegen lies. Die Muskeln spannten sich unter seinem Hemd an und drohend flüsterte er: "Das solltest du besser lassen. Verschwinde!"
Mittlerweile waren auch die Gespräche der anderen fünf Männer verstummt und sie hatten sich schützend hinter seinem Kumpel aufgestellt.
"Du solltest aufpassen, was du sagst.", entgegnete der Halbstarke und schubste Leo erneut.
Ein gefährliches Knurren bildete sich in Leos Kehle und seine Augen glühten auf, als er seinen Angreifer einige Meter zurück zu seinen Kumpels schubste. Erschrocken keuchte dieser auf und ging mit zwei seiner Freunde zu Boden.
Wütend über die Reaktion gingen die restlichen drei auf Leo zu, aber das schien ihn im Gegensatz zu mir nicht im geringsten zu beunruhigen.
Als der erste zum Schlag ausholte, verpasste Leo ihm einen kräftigen Kinnharken, bei dem dieser Blut spuckte. In der Zeit hatte der zweite allerdings auch einen Treffer in Leos Bauch gelandet, aber er reagierte nicht einmal darauf und revanchierte sich sofort mit einem Tritt in die Magengegend, bei dem sein Gegenüber zu Boden ging.
Der Dritte hatte sich nun mit voller Wut auf Leo gestürzt und versuchte ihn umzuwerfen, aber es war als würde er gegen eine Wand laufen und Leo schleuderte ihn von sich, sodass er den ersten unter sich begrub. Die Halbstarken hatten genug und liefen fluchend davon, als sie bemerkten, dass sie sich mit dem falschen angelegt hatten.
Schockiert starrte ich immer noch auf die blutenden Gesichter, als Leo mich weiterzog.
"Komm schnell weg hier, bevor noch mehr kommen.", sagte Leo.
Noch nie hatte ich eine Prügelei erlebt, geschweige denn einen Werwolf kämpfen sehen.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie der Abend nur ohne Leo verlaufen wäre. Dafür war ich ihm sehr dankbar und stand wohl auch etwas in seiner Schuld. Aber mit diesen Sorgen würde sich die Fiona von Morgen befassen müssen.
Für heute war der Tag einfach gelaufen und ich sehnte mich nur noch nach meinem Bett.
Als wir endlich im Hotel ankamen, checkte ich schnell ein und ging auf mein Zimmer. Leo verabschiedete sich noch und dann war ich alleine.
Schnell schlüpfte ich in bequeme Schlafkleidung, schminkte mich ab und putzte meine Zähne. Dann legte ich mich schnell ins Bett und holte mein Handy zum ersten Mal an diesem Abend hervor. Ich ging auf Instagram und suchte nach dem altbekannten Namen von Henry. Dann ging ich auf sein Profil und schrieb ihm das erste Mal seit fünf Jahren.
"Wie konntest du mir verschweigen, dass du mich zur Hälfte markiert hast? Du hast wissentlich mein Leben riskiert. Das ist ein neuer Tiefpunkt, selbst für dich. Mir ist egal wie, aber du machst das wieder rückgängig!"
Es tat gut, den ganzen Frust an jemand anderen abzuwälzen. Damit bekam ich meine Probleme wenigstens einen Moment aus dem Kopf und hatte die Hoffnung, dass mein Leben wieder so werden würde, wie vor diesem Abend.
Erschöpft schloss ich meine Augen und hoffte darauf, dass morgen ein besserer Tag werden würde.
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Lunas Chosen One
WerewolfFiona führt ein perfektes Leben - bis sie auf einer Geschäftsreise zufällig das größte Geheimnis der Menschheit entdeckt: Werwölfe existieren wirklich. Doch das ist erst der Anfang. Fiona erfährt, dass sie von der Mondgöttin Luna auserwählt wurde, u...