Grieving Soul

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Erneut war es der 30. Oktober und erneut stand ich hier an diesem elendigen Ort und sah auf den schwarzen, kunstvoll verzierten Stein vor mir. Die Sonne verschwand allmählich hinter dem Horizont und hinterließ den Himmel in ihrem Blut getränkt. Wolken konnte man weit und breit nicht sehen; sie wollten sich das nicht mit ansehen müssen. Das saftige Gras, das hier sonst wuchs, war schon zum Großteil verdorrt und färbte sich gelblich. Vögel zogen allmählich Richtung Süden um ihr Überleben zu sichern und vor dieser unglücklichen Kälte zu fliehen. 

"Hyunjin, wir sollten langsam gehen", sprach Chan leise und legte mir beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Der Ältere stand direkt hinter mir und sah mir traurig in die Augen als ich mich zu ihm umgedreht hatte. "Ich weiß, dass du am liebsten noch bleiben willst, aber wir sollten nach Hause. Es wird allmählich kalt und ich will nicht, dass du krank wirst. Wir kommen morgen wieder, okay?", sagte er und sah mir mit einem traurigen Lächeln in die Augen. Versöhnlich nickte ich und akzeptierte somit seine Entscheidung. 

Langsam wurde ich zurückgezogen und drehte mich schlussendlich auch um, damit wir gehen konnten. Chan nahm meine linke Hand in seine und verschränkte sie mit meiner, Jisung tat auf der anderen Seite exakt das Gleiche und somit verschwanden wir nach und nach von dem Gelände des Friedhofs. Vor mir lief Changbin und versuchte mich nach wie vor aufzuheitern, doch das würde wohl nichts nützen. Die letzten Tage hatte es auch nichts gebracht. Direkt hinter Jisung lief sein Freund Minho. Ich hatte ihn erst vor wenigen Monaten kennengelernt, aber direkt ins Herz geschlossen. Er war einer meiner engsten Freunde geworden. Lee Minho war unglaublich freundlich, verständnisvoll und treu. Er konnte gut zuhören und wusste immer, was er sagen musste. Er ärgerte einen zwar liebend gern, aber wusste auch, wann er es lassen sollte. Minho wusste immer, wann man ihn brauchte. Das Gleiche galt für Chan - meinen besten Freund. Er hatte mir durch so viele Situationen geholfen, aber die Aktuelle konnte man einfach nicht damit vergleichen.

Meine Gedankengänge wurden durch ein lautes Klingeln unterbrochen, das ich Jisungs Handy zuordnen konnte. Geschickt fischte Minho es ihm allerdings aus der Hosentasche und nahm den Anruf an. "Jisung kann grad nicht, was ist los?", fragte er. "Ja, wir sind auf dem Weg. Bis dann", antwortete Minho dann der Person am Telefon und legte auf. Jisungs Handy steckte er sich einfach in die Hosentasche und wandte sich dann an Chan: "Seungmin und Jeongin warten schon mit dem Essen auf uns. Wir sollen uns ein bisschen beeilen, damit es nicht kalt wird." Aus Chans Richtung vernahm ich nur ein stummes Nicken ehe wir unsere Schritte zwangsweise etwas beschleunigten.

Zuhause angekommen aßen wir und direkt danach begleitete mich Minho in mein Zimmer. Ich wollte einfach nur weinen und das wusste der Ältere genau. Direkt setzte er sich zu mir auf das große Bett und zog mich in seine Arme. "Ich weiß, ich weiß. Alles wird gut, hörst du? Morgen wird alles wieder gut, ja? Denk an unseren Plan", sprach er mir aufmunternd zu. "Welcher Plan?", fragte Chan plötzlich von der Tür aus. Er war uns nachgelaufen, weil er vermutlich wusste, dass es mir alles andere als gut ging.  Schnell hatte er Minho von mir weggezogen und wollte ihn darauf ansprechen, doch mein Schluchzten wurde nur lauter, als Minho mich nicht mehr umarmte. "Hey, Jinnie. Komm her. Tut mir leid", entschuldigte sich Chan sofort und zog mich in seine starken Arme. Minho schloss sich uns direkt an und ich drückte mich enger an meine beiden Freunde. "Felix", wimmerte ich zwischen meinen Tränen und als ich mich den Namen aussprechen hörte, wurde es nur noch schlimmer. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen und ich hatte das Gefühl an meinen Emotionen zu ersticken. "Shhh. Morgen wird alles wieder gut. Wir holen ihn zurück, Jinnie", flüsterte Minho beruhigend in mein Ohr. Natürlich hatte Chan das gehört, aber er würde wohl erst morgen etwas dazu sagen.

Lee Felix, Yongbok, die Liebe meines Lebens, war von mir gegangen.
Er ist bei einem tragischen Unfall gestorben und hatte somit unsere Welt verlassen. Allerdings hatten Minho und ich einen Weg gefunden, um ihn zurückzuholen. Egal, was es kosten möge.

Ich konnte einfach nicht ohne ihn leben. Es tat so unglaublich doll weh. Mein Herz war in klitzekleine Splitter zersprungen und niemand außer ihm selbst könnte diese wieder zusammenfügen.

Wieso waren wir genau an diesem Tag, um diese Uhrzeit, Snacks kaufen gegangen? Wieso hätten wir nicht in einen anderen Laden gehen können und wieso ausgerechnet Felix - mein Felix?

Bloody Moon | HyunlixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt