Bloody Moon | Hyunlix

Gloomy Ride

"Aufstehen, Schlafmütze", wurde ich von einer leisen Stimme geweckt und konnte diese direkt Minho zuordnen. Kurz murmelte ich irgendwas vor mich hin und knurrte dann missmutig, weil mein Bett einfach so schön warm war und ich nicht aufstehen wollte. "Na komm schon, sonst können wir uns den Plan abschminken", hörte ich dann Minho sagen und augenblicklich war ich hellwach und setzte mich gespannt im Bett auf. "Na geht doch", sprach er belustigt und gleichzeitig konnte man den Stolz in seiner Stimme hören. "Chan hat schon Frühstück gemacht. Ich habe ihn inzwischen eingeweiht, weil er gestern Abend nicht locker gelassen hat. Er war nicht sonderlich begeistert, aber wollte dir dennoch helfen. Natürlich habe ich ihm nicht alles erzählt, weil dann würde er uns wohl oder übel davon abhalten", sagte Minho und erleichtert sah ich ihn an.

Minho war dann auch recht schnell aus meinem Raum verschwunden und ich nutzte die Zeit und zog mich um. 

"Also... Was müssen wir als Erstes machen?", fragte Chan interessiert am Frühstückstisch und Seungmin, Jeongin, Jisung und Changbin sahen uns fragend an. "Was machen? Was habt ihr denn vor?", fragte Seungmin dann neugierig und natürlich brachte es nichts, es vor ihnen geheim zu halten. Immerhin würden sie es sowieso bemerken, wenn wir es schaffen würden. "Minho hat von einem Gerücht - nein, eher einer alten Überlieferung - gehört und Hyunjin davon berichtet. Darin wird beschrieben, wie man eine verstorbene Person, die man liebt und die einen ebenfalls liebt, wieder zum Leben erwecken kann. Das Ritual dafür ist recht schwierig und umfangreich und bedarf viel Vorbereitung und es kann nur an Halloween bei einem Blutmond vollzogen werden. Allerdings wollen die Beiden es versuchen", brachte Chan es auf den Punkt, aber natürlich wusste er nichts von den möglichen Umständen, Bedingungen und Folgen. "Aber ist das denn überhaupt sicher? Was ist, wenn etwas schief geht? Braucht es nicht oft ein Opfer um sowas zu machen?", äußerte Jeongin besorgte seine Gedanken und ich konnte das sehr gut nachvollziehen. Immerhin kannte ich die möglichen Konsequenzen, aber dennoch war es mir das wert und Minho würde mitmachen, weil es mir gut täte. Egal, ob es gelänge oder nicht.

"Naja, also klar kann immer etwas schief gehen und wir wissen ja auch gar nicht, ob das wirklich funktioniert oder so, aber ein Versuch schadet immerhin nicht. Es würde Jinnie immerhin gut tun etwas versuchen zu können. Außerdem sind wir so alle einmal von unseren ganzen Sorgen abgelenkt, oder nicht?", sprach Jisung dann ermunternd und Jeongin stimmte ihm sofort zu. Seungmin, Changbin und Chan waren zwar immer noch skeptisch, aber schlossen sich uns letzten Endes doch an. 

"Okay, wie geht es nun los?", fragte Jisung nun völlig aufgeregt und sprang förmlich von seinem Stuhl auf. "Immer mit der Ruhe. Es stand geschrieben, dass wir vor der Mittagsstunde den Eingang der Unterwelt erreichen müssten. Jetzt ist es gerade mal 8 Uhr. Wir haben also noch genügend Zeit. Gerüchte, Überlieferungen und Mythen sagen, dass sich dieser Eingang im Westen befindet. Dort, wo die Sonne untergeht und sich ein Meer befindet. Zumindest haben wir es so verstanden. Also gehen wir einfach zum Strand, beziehungsweise in diese kleine geschützte Bucht bei der wir mal waren, erinnert ihr euch?", legte Minho unseren Plan offen und die Anderen nickten nur.

Wenig später waren wir auch schon aufgebrochen und unterwegs zu besagtem Ort. Dem Eingang zur Hölle.

Ob er wirklich existierte, wussten wir nicht, aber immerhin ging es hierbei um meinem geliebten Felix. Ich würde alles für ihn tun und genau deshalb sind wir nun hier und stehen etwas planlos in der kleinen Bucht. "Wie kommen wir nun in die Hölle? Es ist immerhin schon halb zwölf..", sprach Changbin nachdenklich und direkt wurde seine Frage von Minho beantwortet. Ich glaube er hatte Angst, dass ich mich verplappere, wenn ich antworten würde. Vielleicht ließ er mich deshalb nie antworten.

"Jeder bekommt eine Münze. Die wirft man dann ins Wasser und beschwört dabei den Fährmann zur Unterwelt - Charon. Er muss uns als würdig erachten, damit er uns einfach so mit in die Unterwelt nimmt. Außerdem ist er durch die Beschwörungsformel gezwungen uns einen Wunsch zu gewähren", erklärte der Kleinere und verteilte dabei die silbrigen Münzen und drückte den anderen noch jeweils einen kleinen Zettel in die Hand, auf dem die passende Beschwörungsformel stand. "Aber- Das ist doch überhaupt kein Koreanisch. Wie sollen wir das denn vorlesen?", fragte Jisung und sah uns verwirrt an. "Dreh das Blatt doch mal rum", seufzte Chan nur und verdrehte die Augen. Auf der Rückseite war alles noch einmal mit der entsprechenden Aussprache aufgeschrieben. So konnte man es einfach ablesen. Jisung klatschte sich daraufhin dramatisch die Hand gegen die Stirn und dann mussten wir auch schon loslegen. 

"Apparuit, cito et aedificare
Dona nobis velle
Sequere nostrum vocationem et step in nostro mundo
Apparuit, Citoni, ædificate
Vocamus te, Charon
Ferryman de mortuis et custos de inferis
Dona nobis velle
Exspectamus praesentia, adducere tenebras super hac aqua et induendum nobis societatis
Accipere hoc quasi mercedem, oblationem
Apparuit, Citoni, ædificate
Parere nostro", sprachen wir den Text alle zusammen und als wir fertig waren und letztendlich die Münzen ins Wasser warfen, warteten wir auf ein Geschehnis.

"Haben wir etwas falsch gemacht?", fragte Changbin nach einigen Sekunden, in denen nichts passiert war und ich zuckte nur planlos mit den Schultern. Plötzlich färbte sich das eben noch klare Wasser fast schon pechschwarz und die Bäume um uns herum fingen an sich stürmisch im aufkommenden Wind zu wiegen. Dichter Nebel zog auf und plötzlich kam ein kleines Boot in die Bucht geschippert. Darauf eine gruselige Gestalt mit langem, schwarzen Umhang und einem Ruder in der Hand, mit dem er das Boot steuerte. Vorn am Boot befand sich ein kleiner, schlanker Mast mit einer hell-leuchtenden Laterne, die den weg erhellte. "Charon", flüsterte Seungmin fast schon tonlos und schnell schlug Minho ihm eine Hand auf den Mund. Man durfte nicht reden, wenn er auftaucht, sonst könnte er sich umentscheiden und wieder verschwinden. 

Als das Boot vor uns hielt und wir alle einen Schritt nach vorn traten, erklang eine schaurige Stimme. "Ihr habt mich gerufen. Nun beweist mir, dass ihr würdig seid meine Dienste in Anspruch zu nehmen", sprach nun Charon und winkte mich zu sich. Eine seiner rauen, großen Hände legte sich auf meine Schulter und direkt spielte sich ein Szenario in meinem Kopf ab, in das ich versetzt wurde. Ich stand vor einer Entscheidung. Entweder ich würde Minho von einer Brücke stürzen lassen oder mein geliebter Hund Kkami würde überfahren werden. Schnell entschied ich mich dazu Minho zu retten, da ich Vertrauen darauf hatte, dass Kkami rechtzeitig weglaufen würde, bevor das Auto zu nahe kam. Direkt folgte das nächste Szenario. Ich war eingesperrt in einem dünnen Glaskasten und langsam füllte er sich immer mehr mit Wasser. Ich würde ertrinken. Schnell dachte ich nach, bis mir einfiel, dass das dünne Glas solch einer Wassermasse nicht standhalten könnte und schon befand ich mich wieder in der realen Welt. Was war das? War das Charons Test?

Einer nach dem andern musste zu ihm vortreten und durchlebte vermutlich ähnliches wie ich.

Nach einer Weile setzte Charon wieder zum Sprechen an. "Die von euch, die weise entschieden und gehandelt haben, haben bestanden. Also ihr Fünf", sprach der Wächter des Tores zur Unterwelt und zeigte dabei auf mich, Chan, Minho, Changbin und Seungmin. "Nun denn. Wie lautet euer Wunsch, den ich erfüllen muss?", fragte Charon dann und hielt sein Paddel nun wieder mit beiden Händen fest. "Wir wünschen, dass du uns in die Unterwelt bringst. Deine Bezahlung hast du ja bereits erhalten", äußerte Chan unseren Wunsch und blickte den Fährmann direkt und ohne Scheu an. "So soll es sein", sprach dieser dann und signalisierte uns an Board zu kommen. 

"Jisung, geh mit Innie wieder nach Hause und passt gut auch euch auf. Wir werden gegen sechszehn Uhr wieder hier sein, schätze ich. Zumindest, wenn nichts dazwischen kommt. Wenn wir dann noch nicht zurück sind, findet ihr in meinem Computer alle weiteren Infos um die restlichen Aufgaben zu erledigen und wir treffen uns dann spätestens 23 Uhr am Friedhof, okay?", erklärte Minho. Jisung und Jeongin nickten verstehend und winkten uns dann hinterher, als wir mit Charons Boot das Ufer hinter uns ließen und uns aus der Bucht entfernten. Wir fuhren quasi direkt in eine Rauchwolke und als sich diese endlich lichtete, waren wir in einer völlig fremden Welt.

Die Unterwelt.