Reanimated Wounds

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"Mach schon", flüsterte ich zu mir selbst und sah auf Chans Arm, der sich immer schneller in Asche verwandelte. Die Zeit lief ihm davon.

Ich hoffte mit jeder Faser meines Körpers, dass Seungmin es noch rechtzeitig schaffen würde meinen Freund zu retten. Ich wäre immerhin Schuld an seinem Tod. Jeongin würde mich für den Rest meines Lebens hassen und selbst danach noch. Ich wollte meinen Freund zurückholen und dabei hatte er seinen verloren. Also zumindest Fast-Freund oder auch nur Kumpel. Ist auch egal, er würde mir die Schuld daran geben und ich könnte ihm nur Recht geben.

"Komm, wir gehen kurz raus", sprach Jisung vorsichtig und zog Jeongin vorsichtig aus dem Raum. Er musste nun wirklich nicht ansehen, wie unser Freund zu Asche zerfällt. "Wir sollten auch kurz raus; einen klaren Kopf bekommen", murmelte Minho. Verständnisvoll nickte ich und lief Minho hinterher. Schnell hatten wir die Küche verlassen und begaben uns nun auf die geräumige Terrasse.

"Was genau ist eigentlich passiert?", fragte Minho mich dann und lehnte sich an das metallene Geländer des Balkons. "Wir haben je einen der Engel uns jagen lassen und sind dabei aufeinander zu gerannt. Im letzten Moment habe ich mich weggeduckt und Chan sollte das auch tun. Der Plan ist aufgegangen und ein Engel hat den Anderen mit seinem Schwert durchbohrt. Allerdings stand Chan anscheinend in genau dem Moment hinter dem Engel. Ich hab' den Anderen sofort getötet und bin zu Chan gestürzt. Sein linker Arm wurde von dem Schwert durchstoßen und fing nach und nach an zu weißem Staub zu zerfallen. Dann meinte Seungmin, dass ich das Herz und Schwert nehmen soll und gehen soll. Er würde Chan hinterherbringen. Ich habe genau das dann getan und nun sind wir in dieser Situation. Ich hätte ihn doch direkt mitnehmen sollen", berichtete ich und merkte immer mehr, dass ich selbst an der jetzigen Situation Schuld war. Innerlich bereute ich meine Entscheidung und hoffte, dass Seungmin nicht uns nicht im Stich lassen würde. 

"Seungmin?", schrie Minho mich förmlich an und erschrocken zuckte ich zusammen. "Der ist doch bei uns; oder nicht? Was hat er im Himmel zu suchen? Sag mir nicht, dass er tot ist... Hat er dir gesagt, was passiert ist?", fragte Minho aufgebracht und raufte sich verzweifelt die Haare. "Ich habe keine Ahnung, Minho. Er meinte, dass er uns erstmal hilft und dann würden wir alles klären. Nur war dazu am Ende keine Zeit mehr", erklärte ich meinem besten Freund aufgewühlt. 

"Minho", schrie Changbin auf einmal aus der Küche. Augenblicklich war unser Gespräch beendet und Minho und ich stürzten in besagtes Zimmer. Dort angekommen, sah ich weshalb Changbin gerufen hatte. Chan lag dort und atmete. Er lebte. Er war zurück. Er hatte es geschafft. Seungmin hatte sein Versprechen gehalten.

Sein Atem war sehr schwach und ich konnte mir gut vorstellen, dass er noch nicht bei Bewusstsein war. Dann fiel mein Blick auf seinen linken Arm. Dieser wies eine sehr tiefe Wunde auf, aus der unaufhörlich Blut strömte. Da Changbin sein Shirt und seine Jacke entfernt hatte, konnte man seinen Arm komplett betrachten. Überall wurde er von schwarzen hervorstechenden Adern geziert und der Rand der Wunde hatte sich ebenso in einem tiefen Schwarz verfärbt. 

"Changbin, hol sofort Handtücher, den Verbandskasten und meinen Laptop. Hyunjin, schnür damit seinen Arm ab. Es darf ruhig sehr fest sein; es soll die Blutung vermindern", befahl er und hielt mir ein großes Stück Stoff hin. Ich tat, wie er es mir befohlen hatte. Währenddessen war Changbin schon losgelaufen um die besagten Dinge zu holen. "Jisung! Bring mir Schmerztabletten und eine Flasche Gin", schrie Minho dann durch die gesamte Wohnung. Jisung konnte ihn gar nicht überhört haben, so laut wie er geschrien hatte. Minho huschte an mir vorbei und suchte sich einige Dinge aus der Küche zusammen. Ich konnte eine Schere, eine kleine Schale, einen Messbecher mit Wasser und ein kleineres Messer entdecken. Außerdem hielt er mir das Geschirrtuch und die Küchenrolle hin. Verwirrt nahm ich Beides an und beobachtete den Älteren weiter. "Worauf wartest du? Wisch das Blut weg und dann komm her", meckerte der Ältere und wandte sich dann von mir ab. 

"Wieso brauchst du Schmerztabletten und- Was zur Hölle?!", fing Jisung an, wandelte seine Fragen dann jedoch in einen geschockten Schrei um. "Gib her", sagte Minho nur gestresst und riss seinem Freund die Tabletten und den Gin förmlich aus der Hand. "Lass Jeongin ja nicht hier reinkommen", befahl Minho seinem Freund nebenläufig und widmete seine volle Aufmerksamkeit dann wieder Chans Arm. Jisung rannte daraufhin, ohne ein weiteres Wort zu sagen, aus dem Raum. 

"Nimm dir eine Tablette und mach sie irgendwie klein. Dann versuchst du sie in Wasser halbwegs aufzulösen und lässt es Chan schlucken, okay? Wenn du fertig bist, sagst du mir Bescheid", sprach Minho und verschwand dann in das angrenzende Bad. "Wohin soll das?", sprach Changbin dann außer Atem und hielt Minhos Laptop und einen Verbandskasten in den Händen. "Stell es einfach irgendwo hin und vergiss nicht, dass Minho noch Handtücher wollte", sagte ich überfordert und widmete mich dann wieder meiner Aufgabe.

Schnell griff ich nach einem Löffel und einem Schneidebrett. Behutsam legte ich eine der Schmerztabletten auf das Brett und versuchte sie dann mit dem Löffel zu zerdrücken. Die Tablette rutschte allerdings immer wieder zur Seite. Schlussendlich griff ich nach einem Gefrierbeutel und dem Fleischklopfer, den Minho sowieso nie benutzte. Schnell ließ ich die Tablette also in den Gefrierbeutel fallen und legte das Konstrukt dann auf das Schneidebrett. Danach hämmerte ich immer weiter auf der Tablette herum und nach wenigen Versuchen war daraus bereits ein relativ feines Pulver geworden. Dieses kippte ich dann schnell in ein Glas, das ich mit Leitungswasser befüllt hatte und schnappte mir den bereitgelegten Löffel. Immer weiter rührte ich in der trüben Flüssigkeit herum. Irgendwann beschloss ich, dass es reichen sollte. Vorsichtig hob ich Chans Kopf an und kippte ihm die Mischung in den Mund. Zu meinem Glück konnte ich sehen, dass Chan die Flüssigkeit schluckte.

Erleichtert atmete ich aus und blickte mich im Raum um. Minho war bereits wieder hier und nahm Changbin gerade einen Stapel Handtücher ab. "Fertig", sagte ich nur und Minho seufzte erleichtert. "Gut", war das Einzige, das der Ältere von sich gab. Dann schnappte er sich einige Wattepads und die Gin-Flasche. Schnell schüttete er etwas des wertvollen Alkohols auf die Wattepads und stellte die Flasche dann wieder beiseite. Zu guter Letzt ging er zu Chan und fing an die große Wunde an seinem Arm zu reinigen. 

Der Schrei, den der Älteste dann von sich gab, brach mir das Herz. Chan war anscheinend wieder bei Bewusstsein und bemerkte dadurch deutlich, wie der Alkohol sich in seine Wunde brannte und diese dadurch säuberte. "Es tut mir so leid", sagte Minho verzweifelt und wiederholte den Vorgang einige Male.

Bloody Moon | HyunlixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt