Kapitel 12.2

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„Ich bin selbst unsicher", gestand sie leise. „Wir werden auf der ganzen Welt deine Brüder suchen müssen, damit wir schließlich den Magiekreis im Magierorden nutzen können. Ich denke, es wäre wohl auch gut, wenn du anfängst, deine Magie zu lernen", gab sie zu und klang unschlüssig, weil sie selbst nicht wusste, was das beste Herangehen war.

„Acht Söhne? Woher weißt du so genau, wie viele es sind?", verwundert blickte er Lina entgegen. Stimmt ja ... er hatte nie wirklich gehört wie die Prophezeiung eigentlich lautete.

„Das steht in der Prophezeiung", sagte sie und überlegte, ob sie ihm diese vielleicht zitieren sollte. Sie war sich jedoch unschlüssig.

Rathan war immerhin recht labil ... oder wirkte zumindest so. Vielleicht würde sie ihn zu sehr verängstigen oder abschrecken. Das könnte sie nun wirklich gar nicht gebrauchen.

„Aha", machte er ein wenig ratlos. Er konnte schließlich nichts Anderes tun als ihr einfach zu vertrauen. Doch würde dieses Vertrauen weit genug gehen? „Du willst also ..., dass wir Windfall verlassen ... Verstehe ich das richtig?"

Lina nickte. Vielleicht konnte sie ihn irgendwie anders ködern. Er war hier zuhause und hatte hier eine Arbeit. „Und wenn die Aufgabe erledigt ist, könntest du, wenn du das willst, beim Magierorden anfangen", schlug sie vor. Einfach nur, um ihn ein bisschen Angst vor der Zukunft zu nehmen.

Dieser Vorschlag schien ihn durchaus zu überraschen, auch wenn er versuchte es nicht zu sehr zu zeigen. „Du meinst ... so wie mein Vater?"

„Wenn du das möchtest, ja", sagte sie nickend. Sie wollte ihm etwas geben, was ihn erwartete, wenn er wirklich ging. Lina konnte sich vorstellen, wie schrecklich es war, nicht zu wissen, was auf einem zukam.

„Hm ...", machte er nachdenklich und schien vorerst in ein grübelndes Schweigen zu verfallen. Er hatte zwar erwähnt, dass er so einiges von seinem Vater wusste, was seine Mutter ihm erzählt hatte, doch wie er wirklich zu diesem Mann stand, wusste sie nicht.

„Wäre das denn etwas für dich?", fragte Lina neugierig nach. „Möchtest du die Magie erlernen?"

Langsam ließ er sich gegenüber von Lina auf dem Boden nieder und blickte zwischen die breiten Gitterstäbe, hinter welchen sich die Glut des Ofens befand. „Ich würde lügen, würde ich behaupten ich hätte mich nie daran versucht ..., aber es ist auch eine ziemlich große Entscheidung. Es ist immerhin nicht viel über den Orden bekannt, sofern man überhaupt daran glauben sollte, dass er existiert. Ich weiß nicht wie mein Leben außerhalb von Windfall aussehen könnte."

„Ich kann versuchen, dir ein paar Fragen zu beantworten", bot sie an. Sie musste ihn irgendwie überzeugen. Immerhin brauchte sie Rathan! Ohne ihn oder einen anderen, ging es nicht.

„Ist das erlaubt?", fragte er nun sichtlich neugieriger. Er war davon ausgegangen, dass Leute vom Orden nicht wirklich von diesem sprechen durften ... wieso sonst, gab es so wenige, die überhaupt an dessen Existenz glaubten?

Lina zögerte. „An sich nicht", gestand sie schließlich. „Aber, da du wichtig für das Wohl der Welt bist ..." Sie zuckte die Schultern. „... habe ich entschieden, eine Ausnahme zu machen."

Neugierig hob er die Augenbrauen und lehnte sich ein wenig nach vorne. „Na ja, was mich schon immer interessiert hat ... wie genau kommt man da rein? Nach welchen Kriterien werden Magier rekrutiert?"

Diese Frage überraschte Lina nicht so sehr, wie sie es vermutlich tun sollte. Es war klar, dass die meisten gar nicht wussten, wie man zum Magierorden gelangte. „Das Einfachste ist wohl Beziehungen. Man kann aber auch entdeckt werden. Eben, wenn man ein richtig talentierter Magier ist."

„Und wie war das bei dir?", entkam es ihm sogleich, doch zögerte er dann. „Ich meine ..., wenn es dir nicht zu privat ist."

„Das ist ... etwas komplizierter. Oder eher ... unangenehm für mich", bemerkte sie leise, während sie weiter mit ihrer Strähne spielte. „Ich kam ursprünglich nicht als Magierin, sondern als Sklavin zum Magierorden."

Sie fuhr sich durch die tiefschwarzen Haare, während ihre grünen Augen auf einen Punkt an der Wand gerichtet waren.

Lina erinnerte sich nicht gern daran zurück, doch würde sich dieser Teil ihrer Geschichte wohl auch nie ändern lassen. Was brachte es da schon ihn zu verdrängen.

„Sklaven ... im Magierorden?" Verwundert zog er die Augenbrauen zusammen, während er langsam sprach. Das schien ihm doch irgendwie ... absurd. „Ich dachte immer, man wäre da superelitär."

„Jeder, der elitär ist, braucht auch entsprechendes Personal. Der Magierorden liegt isoliert und für normale Angestellte wäre es nicht möglich, ihre Familie wiederzusehen. Oder sagen wir: Sie wären eine zu große Gefahr, wenn sie zu ihren Familien reisen und diesen erzählen würden, was sie erlebt haben. Daher wurde irgendwann entschieden, dass Sklaven passender wären", erklärte sie widerwillig. „Nicht jeder im Orden ist dafür, aber ... irgendwer muss die anfallende Arbeit machen. Wir sind zwar mit vielen Königreichen in Kontakt, aber ... eigentlich bringt das nicht so viel, wenn man versucht im Verborgenen zu bleiben."

„Das ... verstehe ich jetzt nicht wirklich. Ich weiß, dass mein Vater angeblich am windfällischen Hof gearbeitet haben soll. Na ja, in der Zeit, die er hier war, versteht sich."

„Das stimmt. Manche Magier gehen an die Höfe, aber der Großteil hockt im Verborgenen auf Inseln, die kein Mensch je gesehen hat", sagte sie und schüttelte den Kopf. Sie selbst verstand bis heute nicht ganz, was das manchmal sollte. Eigentlich sollten sie parteilos sein und doch gab es einige unter ihnen, die an den Höfen arbeiteten. „Was ich nicht glaube, aber so wird es gesagt. Da ich bisher selbst nie wirklich zu Außenaufträgen geschickt wurde, habe ich nicht viel Erfahrung. Das hier ist mein erster und ich bin nicht einmal als Magier des Ordens hier."

„Aber wie ... bist du von einem Sklaven zum Ordensmitglied geworden?", fragte er noch immer mehr als verwirrt.

„Ich habe ein großes Potential für Magie gezeigt", erklärte sie stolz. „Ich war noch sehr jung, als ich zum Orden kam. Meine Magie war noch nicht ausgebildet", sagte sie und schmunzelte etwas. Das war ein schöner Tag gewesen.

„Woran sieht man denn dieses Potenzial?", wollte Rathan wissen. 

Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt