„Prinzessin Karna ist aktuell in ihrer Heimat, um ihre Familie zu besuchen", setzt er Lina recht professionell in Kenntnis. Beinahe, als würde er über eine generische Adlige und nicht seine Frau sprechen.
Lina nickte. „Ich verstehe. Gestattet Ihr mir die Frage, ob das Leben mit Eurer Gemahlin nach Euren Vorstellungen ist?", wollte sie wissen. Es interessierte sie nicht, ob sie vielleicht zu intime Fragen stellte.
„Gestatte ich nicht", erwiderte er mit einem charmanten Lächeln, doch sagte diese Antwort wohl schon mehr als genug.
„Dann entschuldigt meine Neugier", antwortete Lina und musste ihr wissendes Lächeln verbergen, indem sie den Kopf ein Stück wandte, um sich umzusehen. Sie freute sich irgendwie darauf, den Hirsch zu reiten.
Dieser kam ihnen gerade entgegen, gemeinsam mit Kivan, welcher den gesattelten Meloceros und den Greif führte.
„Eure Hoheit", sagte Kivan höflich und reichte dem Prinzen die Zügel für den Greifen. „Braucht Ihr Hilfe beim Aufsteigen?", fragte er dann an Lina gewandt.
Diese schüttelte leicht den Kopf. „Danke, ich denke, dass ich selbst hochkomme", sagte sie, bevor sie an den Meloceros herantrat und vorsichtig in die Steigbügel trat, bevor sie sich nach oben schwang. Es wirkte etwas ungeschickt und steif, aber sie fiel nicht.
Generell war es ein wenig schwerer aufzusteigen als bei einem Pferd, da der Hirsch wesentlich längere Beine hatte und somit größer war als ein einfaches Ross.
Das Tier gab zwar ein unwilliges Schnauben und Brummen von sich, doch hielt zum Glück still.
Kivan versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, als Lina aufstieg, strich dem Hirschwesen jedoch dann aufmunternd über den Hals. „Also dann. Ich wünsche einen guten Ritt."
Lina klopfte vorsichtig den Hals des Tieres, um es zu beruhigen. Damit wollte sie sich auch dafür bedanken, dass es sie nicht abwarf. „Danke."
Sie ergriff die Zügel des Geschirrs und folgte dem Prinzen vorsichtig, als er begann vorzureiten. Unweigerlich bemerkte sie dabei, dass das Tier viel mehr von selbst lief, als dass es wie ein Pferd auf ihre Wegweisung reagierte. Es musste ein Wesen der intelligenteren Sorte sein.
Daher ließ sie die Zügel auch etwas lockerer, damit er laufen konnte, wie es ihm passte, solange er dem Prinzen folgte. „Habt Ihr ein Ziel für diesen Ausritt?", wollte sie wissen, wobei sie es genoss auf dem Rücken dieses Tieres zu sitzen. Es erinnerte sie an früher, nur nicht mit diesen negativen Erinnerungen.
„Nein, nicht wirklich. Habt Ihr denn einen?", fragte er amüsiert und blickte über seine Schulter zu Lina, auch wenn sie hinter dem prachtvollen, goldenen Geweih wohl schwer zu erkennen war.
Sie lief so, dass sie nur ein kleines Stück hinter ihm ritt. „Nein. Ich kenne mich hier leider nicht sonderlich aus."
Der Prinz grinste schief und wandte sich wieder den weiten Ebenen vor ihnen zu. „Ich würde vorschlagen, wir folgen einfach dem Pfad und genießen das Wetter ein wenig. Für einen Ausritt in die Stadt hätte man sich lieber Pferde nehmen sollen. Außerdem hattet Ihr doch Fragen zu unserem Heer, oder etwa nicht?"
Sie stimmte seinen Worten mit einem Nicken zu. „Fragen sind es nicht unbedingt. Es interessiert mich einfach. Gerade für meine eigenen Politikkenntnisse ist es immer gut so viel wie möglich aus erster Hand zu erfahren", sagte sie mit einem Grinsen.
Doch der Prinz reagierte nicht wirklich auf ihre Spielerei. Stattdessen hielt er seinen Blick ernst auf den Trampelpfad gerichtet. „Euer Gemahl ist doch ein General, wenn ich mich recht entsinne."
Lina suchte nach dem, was ihr Mentor ihr über Lady Zaratus Leben geschrieben hatte. „Ja, da habt Ihr recht. Aber das heißt nicht, dass er weiß, wie diese Dinge in anderen Gebieten gehandhabt werden. Es ist, wie er selbst sagt, überall anders und die Dinge, die er weiß, bilden zwar eine Grundlage, doch keine Garantie." Dass er das nie gesagt hatte, sondern einer ihrer Mentoren im Magierorden war irrelevant. Es konnte sicherlich auch von ihrem Gemahl kommen.
„Mit Sicherheit", stimmte der Prinz ihr zu und kniff ein wenig die Augen zusammen, als das Licht ihm in diese fiel. „Aber ich bin sicher, dass der General an unserer Streitmacht Interesse hat. Von daher wäre ich vorsichtig darüber zu viele Fragen zu stellen. Das könnte ... Misstrauen wecken."
„Da habt Ihr recht", stimmte Lina zu. „Mich interessiert tatsächlich auch weniger Eure Stärke als mehr die Tatsache, dass auch hier maskierte Wegelagerer unterwegs sind. Das scheint im Moment in allen Gebieten der Welt der Fall zu sein."
„Ihr meint die Sharakan?", fragte er stirnrunzelnd, als wäre das nur Ungeziefer im Stall, dem man keine Beachtung schenken sollte. „Ja, ich hörte schon davon, dass sie durch die ganze Welt reisen."
„Ich bin nicht sicher, ob es die Sharakan sind. Aber sie sind ihnen auf alle Fälle ähnlich", stimmte sie nickend zu. „Ihr klangt, als wärt Ihr dagegen, dass man sie angegriffen hat", stellte sie fest, auch wenn sie sich kaum eine Antwort darauf erwartete.
„Das würde ich nicht unbedingt behaupten. Aber ich denke, man sollte sich nicht wundern angegriffen zu werden, wenn man als erstes das Schwert zieht", korrigierte er sie.
„Das ist wohl wahr", stimme Lina nachdenklich zu. Sie würde die Sharakan gern kennenlernen.
Doch ob das auf Gegenseitigkeit beruhte, war fraglich. Eine Bande von Verbrechern und Dieben ließ sicher nicht gern mit sich reden.
Der Meloceros verschnellerte sei Tempo ein wenig, beinahe so als würde er das Bedürfnis haben über die Ebenen zu rennen und sich auszutoben. Oder aber er wollte sich mit dem Greifen ein Wettrennen liefern, um sich zu beweisen, so wie er immer wieder vor sich hin schnaubte und stolz den Kopf streckte, um seine Größe zu unterstreichen.
Lina hielt ihn nicht auf. Wenn der Prinz sich beschwerte, konnte sie es auf das Tier schieben.
„Auf meinen Reisen habe ich viele Geschichten über Windfall gehört. Stimmt es, dass ihr größtenteils Getreide und andere Lebensmittel abbaut?", fragte sie, um ein unverfänglicheres Thema zu haben.
Der Prinz nickte und besah sich den Meloceros, welcher hin und wieder den Kopf schüttelte, als würde ihn etwas irritieren. „Ja, wir wurden mit fruchtbarem Boden gesegnet. Am meisten verdienen wir jedoch mit dem Getreide."
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Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDET
פנטזיהBand 1 der Mondmagie-Reihe Wenn der Doppelmond am Himmel erscheint, beginnt die Zeit des Blutes. Es wird fließen in Strömen und die Menschen werden befallen vom Heißhunger. Es wird sein die Zeit der Säuberung. Blutsklaven werden alles sein, was von...