Kapitel 5.1

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Tage verstrichen und die Wache schien jeden Tag ihr Bestes zu geben, um Lina aus dem Weg zu gehen. Doch wenigstens hatte sie die Möglichkeit gehabt seinen Tagesablauf zu studieren. Sie wusste, wann er seine Arbeit antrat, wann seine Pause war und wann er Feierabend machte.

Auch wenn es schwer war ihn unbemerkt zu beobachten, denn Arabella schien einen Narren an Lina gefressen zu haben. Zum Glück hatte sie bisher nicht gemerkt, dass Lina oft keine Ahnung hatte, wovon sie eigentlich sprach. Sie tat es mit genug Überzeugung, dass die Prinzessin ihr glaubte.

Manchmal konnte man einfach nichts sagen, doch die Leute hingen an den Lippen, weil man selbstsicher genug war. Lina hoffte, dass das auch bei der Wache funktionieren würde.

Sie beobachtete vom Fenster aus, wie er sich für den Feierabend fertig machte. Wenn sie ihm in die Stadt folgte, hatte sie vielleicht bessere Karten.

Vielleicht wäre er auch weniger angespannt, wenn er nicht am Hofe war. Jedoch hatte sie noch nicht ganz herausgefunden, wie sie am besten mit ihm umgehen sollte. Kurzerhand griff sie sich ihren Mantel und machte sich fertig für einen Abstecher in die Stadt.

Dafür trug sie extra ein schlichtes Kleid, damit man sie nicht sofort für adlig hielt. Sie wollte weder Aufmerksamkeit noch Fragen, die sie umgehen musste.

Lina freute sich sehr auf die Stadt, hatte sie diese bisher noch nicht gesehen. Ihr Weg hatte sie an dieser vorbei, direkt zum Schloss geführt.

Da sie den Weg in die Stadt auch nicht wirklich kannte, folgte sie Rathan.

Ohne seine Rüstung, sah dieser gar nicht mal mehr so kläglich aus. Sein blondes, strähniges Haar stand im Gegensatz zu seiner leicht gebräunten Haut und die himmelblauen Augen boten einen leuchtenden Kontrast zu diesen. Ob ihm die Rüstung zu groß war und sie ihn deshalb so komisch wirken ließ?

Lina folgte Rathan möglichst unauffällig. Der Weg in die Stadt war gar nicht weit und so konnte sie bald die Menschen dort als Schild nutzen.

Es schien Markttag zu sein, denn selbst um diese Uhrzeit war noch sehr viel los.

Händler riefen ihre Ware aus und Kinder rannten kichernd umher, um so den ein oder anderen Apfel zu stibitzen. Das wurde zwar mit Flüchen und ein bisschen Gewerfe beantwortet, jedoch nicht weiterverfolgt. In manch anderen Reichen hätte man den Kindern dafür einen Finger abgetrennt. Windfall schien wirklich eine wesentlich friedlichere Welt zu sein, im Gegensatz zu dem Grauen, was sich so auf dieser Welt rumtrieb.

Lina nahm die Atmosphäre in der Luft in sich auf und genoss sie. So wollte sie auch leben. Ein Gefühl von Sehnsucht packte sie, das sie schnell abschüttelte. Sie hatte eine wichtige Aufgabe, weshalb sie Rathan auch mit schnellen Schritten folgte.

Er lief gemütlich die Gassen der Stadt entlang, grüßte hin und wieder jemanden, den er vermutlich kannte und hielt letztlich auf eine der Hütten zu. Sie sollte ihn lieber erwischen, bevor er in seinen eigenen vier Wänden verschwand. Sonst könnte es schwierig werden, noch an ihn heranzukommen.

Also lief sie schneller und blockierte ihm schließlich den Weg. „Ich hoffe sehr, du hast Zeit", sagte sie mit einem auffordernden Lächeln.

Rathan zuckte zurück und stolperte vor Schreck beinahe über seine eigenen Füße, als Lina so plötzlich vor ihm auftauchte. „Was ... was tust du denn hier? Stellst du mir jetzt etwa nach?!", rief er erschrocken aus und vergaß sogar die Höflichkeitsform. Das für einen Moment Blicke auf ihnen lagen, ignorierten beide.

„Nein, aber ich möchte Zeit mit dir verbringen", sagte Lina und schmunzelte, aber leiser, da sie hoffte, dass die Leute schnell das Interesse an ihnen verloren. So war es schließlich auch, da man sie wohl einfach nur für eine junge Frau handelte, die mit ihrem Liebsten sprach oder so ähnlich. „Also? Hast du etwas vor?"

Skeptisch runzelte er die Stirn und bedachte Lina mit einem eingängigen Blick. Es war klar, dass er ihr misstraute, doch schien er neugierig genug zu sein, um auf ihre Frage hin zu nicken. „Geh aber nicht davon aus, dass ... dass ich mit dir an einen verlassenen Ort gehe."

„Nein, keine Sorge", winkte sie ab und grinste. „Wir bleiben in der Stadt. Fühlst du dich eigentlich anders, nachdem ich dich geküsst habe?", wollte sie wissen. Ihr war bewusst, dass sie mit der Tür ins Haus fiel, doch es störte sie nicht. Vielleicht gab er ihr eine zufriedenstellende Antwort und sie musste ihn gar nicht mehr ausziehen!

Unbehaglich räusperte er sich, als sie besagtes Ereignis erwähnte. Sie hätte sogar meinen können, dass er ein wenig rot wurde. „Ich ... ähm ... wie genau meinst du das?"

Lina hob die Augenbraue. „Keine Ahnung. Fühlst du dich anders? Hast du vielleicht irgendeine Veränderung bemerkt?", fragte sie, wollte aber nicht auf das Mal eingehen, da sie es nicht aus Versehen verraten wollte.

„Du meinst, außer mit der Erinnerung zu leben, dass eine Frau in der Öffentlichkeit über mich hergefallen ist?", fragte er sichtlich sarkastisch und sah Lina mit nüchternem Blick an.

Sie tat einen Moment, als würde sie nachdenken. „Ja. Sowas. Aber mehr ein: Siehst du irgendwelche Veränderungen an deinem Körper?", wollte sie wissen.

Abwehrend hob er die Hände und trat einige Schritte von ihr weg, als würde er diesen Sicherheitsabstand brauchen. „Worauf willst du hinaus? Du hast doch irgendwas im Kopf. Hast du mir etwa Gift verabreicht?", fragte er nun doch geschockt und wischte sich hektisch über die Lippen.

Lina lachte leise. Es war irgendwie sehr amüsant, wie er reagierte. „Nein. Ich hantiere nicht mit Giften. Aber manchmal kommt es zu ... seltsamen Dingen, wenn man einen Magier küsst", sagte sie zwinkernd. Dass er plötzlich wieder so geschockt und unsicher war, machte ihn irgendwie niedlich.

Versteinert sah er Lina hinterher und nahm langsam den Arm runter, als müsste er erstmal verarbeiten, was er gerade gehört hatte. „Eine Magierin ... du bist eine Magierin?"

„Ich beherrsche Magie, ja", antwortete sie schmunzelnd. Seine Reaktionen waren einfach so gut, dass sie ihn weiter necken wollte.

Die Sonne hatte sich schon lange verabschiedet, daher hob er den Blick in den Sternenhimmel und blickte zu den beiden Moden, welche am Himmel standen. „Bedeutet das, du weißt was das zu bedeuten hat?", fragte er nun neugierig und sah wieder zu Lina, um ihre Reaktion zu beobachten.

Sie hob ihren Blick ebenfalls und betrachtet die beiden Monde. Das waren die ersten Anzeichen. „Ja, leider", seufzte sie und musste gar nicht nachfragen, was er meinte. „Deshalb bin ich auf der Suche."

Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt