Kapitel 5.4

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Verständnislos sah er sie abwartend an, als würde er hoffen, dass ihr Gefasel eventuell mit der Zeit

„Du bist wirklich eine Magierin", flüsterte er mit einem unterschwelligen Lachen der Erkenntnis. Vielleicht weil ihm diese ganze Situation einfach zu absurd erschien.

Zufrieden damit, dass er ihr endlich glaubte, nickte sie. „Sage ich doch", sagte sie noch einmal, doch dieses Mal mit Stolz in der Stimme. „Kannst du mir etwas über deinen Vater erzählen?"

Ein kurzer Schmerz huschte über Rathans Gesicht, doch verschwand er so schnell wie er gekommen war. Stattdessen versuchte er es mit einem Schulterzucken herabzutun und wärmte sich die Hände an dem kleinen Ofen.

„Nicht wirklich. Ich habe ihn nie kennengelernt. Ich kenne also nur die Geschichten, die mir meine Mutter erzählt hat."

„Ich verstehe", sagte Lina mit einem mitleidigen Lächeln, das sie jedoch schnell wieder verbarg. „Darf ich deinen Körper nach dem Mal absuchen?"

Er räusperte sich schnell, um sich wieder auf ihr eigentliches Dasein zu besinnen und nickte hastig.

„Dort oben ist eine Öllampe, wenn du sie anzünden könntest", bat er und deutete dabei auf das besagte, alte Gerüst, während er den kleinen Ofen schloss. Der Raum wurde nur noch spärlich durch die kleinen Rillen der eisernen Tür beleuchtet, während er sich auf einem Fell vor diesem niederließ.

Lina nahm die Öllampe und entfachte auch hier ein Feuer, doch zusätzlich erschuf sie mit Magie eine Kugel aus Licht. Sie wirkte wie ein kleiner Mond in der Dunkelheit des Raumes und spendete gerade so viel Licht, dass sie ihren Gegenüber genau sehen konnte.

Fasziniert verfolgte Rathan die Lichtkugel mit seinen Augen und war für einen Moment versucht sie zu berühren. Vermutlich war er nie sonderlich viel mit Magie in Berührung gekommen, außer vielleicht ab und an im Schloss. Immerhin war er nur eine Wache in Ausbildung. Kein erfahrener Krieger, der im Heer dienen sollte.

„Darf ich?", fragte Lina noch einmal. Alles andere konnte später kommen. Zuerst wollte sie kontrollieren, ob er nicht doch das Mal hatte. Vielleicht an einer Stelle, die er nicht einsehen konnte.

„Oh ... stimmt ja", erinnerte Rathan sich wieder und zog zögerlich das nasse Hemd über seinen Kopf, was ihn kurz zum Schaudern brachte. Er war recht schmächtig, als würde er wenig essen, sich aber dennoch körperlich ertüchtigen. Nicht unbedingt das Gesundeste für einen jungen Körper, aber da er Teil der Unterschicht war, hatte er wohl kaum eine andere Wahl.

Lina begann seinen Oberkörper genau zu betrachten, während sich in ihr das Bedürfnis breit machte, ihn mit Essen zu versorgen. Dass er so schmächtig war, gefiel ihr nicht, doch sie wusste nicht wieso.

Auf den Knien rutschend betrachtete sie sich seinen Oberkörper von allen Winkeln. Hin und wieder bat sie ihm den Arm zu heben, doch erübrigte sich das, als sie sich seinen Rücken besah. Auf seinem linken Schulterblatt zeichnete sich ein deutliches Muttermal, in Form eines zunehmenden Dreiviertelmondes, ab.

Lina schnappte nach Luft. „Du hast da wirklich ein Mal", sagte sie aufgeregt und unterdrückte den Drang vor Freude zu schreien oder hin und her zu hüpfen.

Hektisch versuchte Rathan über seine Schulter zu blicken, doch das blieb natürlich erfolglos.

„Hast du einen Spiegel hier?", fragte Lina, die es ihm dann zeigen könnte. Ihr war jetzt auch klar, warum er das Mal nicht bemerkt hatte. Seinen eigenen Rücken zu betrachten war nicht leicht.

Rathan schüttelte den Kopf. „Ist nicht so, als würde ich hier wirklich einen brauchen."

„Verstehe", murmelte Lina, während sie überlegte, wie sie es Rathan zeigen konnte. Ihr fiel auf die Schnelle jedoch nichts ein. „Jedenfalls hast du da einen zunehmenden Mond."

Tastend strich Rathan über das Mal und schien einen Moment innezuhalten. Er hatte keine andere Möglichkeit als Lina zu glauben oder sie der Lügen zu bezichtigen. Doch wieso sollte sie das auch tun?

„Und ... du glaubst, das hat etwas mit dieser Prophezeiung zu tun?"

„Genau", sagte sie ernst. „Du bist einer der acht Söhne des Mondes. Das heißt auch, dass du in der Lage sein solltest, Magie zu wirken."

Sie hatte eine Art von Euphorie oder Aufregung erwartet, so fasziniert wie er von Linas Magie gewesen war, doch er schwieg lediglich. Tief in Gedanken versunken und vermutlich an einem ganz anderem Ort. Es dauerte einige stille Sekunden, bis er die Stimme wieder erhob. Er klang, schicksalsergeben, doch auch irgendwie besorgt, um seine eigene Zukunft. Und vermutlich auch um all derer die ihm nahestanden. „Und was wird nun von mir erwartet?"

„Erst einmal muss ich prüfen, ob im Schloss noch andere sind. Danach werde ich dich meinem Mentor beim Magierorden vorstellen", erklärte Lina, die sich selbst unsicher war. Sie sollte immerhin nur die Söhne suchen.

Was genau sie jedoch mit diesen Söhnen tun sollte ... das galt es offiziell noch herauszufinden.

Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt