Lina seufzte. Das war nicht so gelaufen, wie sie es sich gedacht hatte. Sie wandte sich kommentarlos um und machte sich auf den Weg aus der Küche hinaus. Sie hoffte, dass sie dort die Wache fand.
Doch kaum, dass sie die Küche verlassen hatte, zog plötzlich etwas an ihrem Rock. Als sie sich umdrehte, erblickte sie wieder das junge Mädchen, welches sie zuvor noch angerempelt hatte. In ihrem Gesicht erkannte man blassgrüne Male, die sie in hübschen Mustern über ihre Haut zogen und spitze Ohren, dass man sie glatt für eine Elfe halten könnte. „Verzeiht, Mylady. Ich hörte Euer Gespräch mit der Köchin. Vielleicht könnte ich Euch dabei helfen", flüsterte sie leise, als wäre es ein Geheimnis.
Lina, die zuerst skeptisch war, lächelte nun doch. „Das wäre wirklich wunderbar", sagte sie und nahm die Gestalt in sich auf. Irgendwie mochte sie das Mädchen. Sie wirkte so zierlich.
Das junge Mädchen lächelte zaghaft, blickte sich jedoch kurz um, bevor sie Lina in eine ruhigere Ecke führte. „Meine Großmutter führt einen Teeladen in Windfall. Alles frisch hergestellt und auch ein paar exotische Sorten. Ihr könnt mir sagen, was Ihr sucht und ich werde sehen, was sich finden lässt", bot sie an und neigte höflich ihr Haupt. Allerdings war wohl zu erwarten, dass sie sich damit ein paar Kupfermünzen dazuverdienen wollte. Vermutlich wollte sie deshalb unbemerkt bleiben, weil es ihr nicht gestattet war, die Obrigkeiten mit ihrer Eigenwerbung zu belästigen.
Lina schmunzelte leicht. „Kannst du mir Tee aus Karakams besorgen?", fragte sie. „Eine einfache karakams Kräutermischung", konkretisierte sie. Wenn sie diese wirklich besorgen konnte, würde sie ihr gern etwas geben.
Diese Information drosselte die Freude das Mädchens leider. „Hm ... Ich würde Großmutter fragen müssen, aber das ist denke ich eher unwahrscheinlich. Sie ist damals viel gereist und hat in verschiedenen Gegenden immer mal wieder ein paar Samen gesammelt. Doch nie außerhalb des Kontinents. Verzeiht, Mylady."
Lina hatte mit so etwas schon gerechnet. „Dann wäre eine Kräutermischung gut, die eine leicht saure Note hat und einen deutlichen Fruchtgeschmack", versuchte Lina es weiter. Wenn sie keine Kräutermischung bekam, dann eine Fruchtmischung.
Enthusiastisch nickte das Mädchen nun doch und verneigte sich nochmal. „Ich werde mein Bestes geben. Ich muss nun aber wieder zurück, bevor ich Ärger kriege."
„Danke dir", flüsterte Lina lächelnd, bevor auch sie sich abwandte und die Umgebung absuchte. Wo war die Wache?
Sekunden und Minuten verstrichen, in denen Lina und Rathan sich aus einiger Entfernung einfach nur ansahen. Anscheinend war er heute für den Schlossgarten eingeteilt worden. Wie praktisch, denn so stand er nicht direkt neben seinen anderen Kameraden, sondern in einigem Abstand zu diesen. Weit genug weg, um ein unverfängliches Gespräch zu führen. Wobei Lina nicht wusste, ob es wirklich unverfänglich bleiben würde.
Langsam schritt sie auf ihn zu. Den Blick dabei weiterhin direkt auf ihn gerichtet. Wie sollte sie dieses Gespräch am besten beginnen? Sollte sie mit der Tür ins Haus fallen?
Umso näher sie ihm kam, desto zittriger schien er zu werden. Oder eher angespannt. Er fühlte sich sichtlich unwohl in ihrer Nähe. So viel war klar. Auf die letzten Meter wendete er den Blick stur geradeaus, an ihr vorbei, als würde Lina einfach verschwinden, wenn er sie ignorierte.
Doch das tat sie nicht. „Habe ich dir etwas Probleme gemacht?", fragte sie flüsternd und mit einem Lächeln, das zeigte, wie viel Spaß es ihr machte.
„Ihr habt Nerven, m-mit mir zu reden", flüsterte er noch immer stotternd. Sein Blick war noch immer felsenfest in die Ferne gerichtet, als würde er versuchen sich als Statue zu tarnen.
Lina hob die Hand und fuhr damit sanft über seinen Arm. „Wieso? Fühlst du dich in meiner Nähe unwohl?", fragte sie neckend. Irgendwie gefiel es ihr, wie er reagierte.
Nicht, dass er von ihrer Berührung etwas spüren konnte. Die leichte Eisenrüstung hielt jegliche Berührung von ihm fern. „Eine halbe Stunde, h-habe ich an der Balkont-tür gewartet." Nun schielte er doch für einen kurzen Moment zu ihr. „Habt Ihr eine Ahnung was Ihr mit diesem Schauspiel alles riskiert?"
„Ich?", fragte sie überrascht und lachte leise. „Woher willst du wissen, dass ich etwas zu verlieren habe?", wollte sie wissen. „Ich glaube eher, dass du etwas zu verlieren hast."
Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. „Ihr seid eine Hochstaplerin, also ja. Jeder hat etwas zu verlieren. Und sei es nur, dass Ihr nie wieder einen Fuß auf windfällischen Boden setzen dürft."
Lina machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das nehme ich in Kauf, solange ich finde, was ich suche." Sie wollte ihm nicht sagen, was genau das war. Allerdings stimmte es. Es war ihr wichtiger, den drohenden Untergang abzuwenden.
Verständnislos schüttelte die Wache den Kopf. „Ihr habt vorher schon von einer Suche gesprochen. Was genau sucht Ihr denn überhaupt?"
Lina ließ ihre Hand über seinen Arm fahren und versuchte schnell mit den Augen eine Stelle zu finden, wo sie ihn berühren konnte. Vielleicht konnte sie so einfach die Magie in ihn fließen lassen. Allerdings gab seine Rüstung nichts dergleichen her. Daher entschied sie sich dazu, es einfach schnell hinter sich zu bringen. Dieser junge Mann war schon schwach genug. Bei ihm musste sie sicher keinen Moment der Schwäche finden.
Sie blieb dicht vor ihm stehen, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen. Dabei ließ sie ihre Magie fließen und hoffte, dass irgendwas geschehen würde. Laut ihrem Mentor war das der Zauber, der das Mal zum Vorschein brachte. Wenn nicht, war er wohl der Falsche.
Überrumpelt blickte die Wache Lina einfach nur an, als hätte sie ihn soeben mit ihrem Kuss versteinert. Er sagte weder etwas, noch rührte er sich.
Lina trennte sich von ihm und schenkte ihm ein Lächeln. Noch war nichts passiert, doch sie hoffte, dass der Kompass ihn so ausschließen würde. Sicher war sie sich dabei jedoch nicht.
Nichts tat sich. Noch immer blinzelte Rathan sie einfach nur überfordert an, als würde er befürchten sich das nur eingebildet zu haben. Für ihn kam das immerhin aus dem Nichts.
„Überrascht?", fragte Lina, die selbst nicht recht wusste, was sie mit der Situation anfangen sollte. Ihr Herz klopfte vor Aufregung, doch nicht vor Gefühlen. Zumindest nicht so, wie sie es sich immer vorgestellt hatte.
„Mit Euch ... stimmt doch irgendwas nicht", war alles was er hervorbrachte.
Lina lachte leise. „Da hast du Recht", stimmte sie zu, wandte sich um und lief langsam von ihm weg. Hoffentlich hatte das irgendwas gebracht.
Da sie mit dem Rücken zu ihm lief, konnte sie auf den Kompass blicken, um zu sehen, ob sich etwas getan hatte.
Noch immer drehte er sich wild im Kreis. Vielleicht war er wirklich kaputt ... oder einfach nutzlos, da sie vermutlich von den Gesuchten umzingelt war. Wenn es wirklich mehrere gab, dann würde der Kompass Mühe haben, nur einen anzuzeigen. Sie konnte sich nicht auf ihn verlassen.
Als ihr das klar wurde, hätte sie am liebsten geschrien. Das hieß, sie würde es irgendwie schaffen müsse, an die Wache heranzukommen. Wie konnte sie ihn nackt sehen? Immerhin musste sie seinen Körper nach dem Mal absuchen. Hoffentlich hatte es sich gebildet, damit sich der Aufwand lohnte.
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Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDET
FantasíaBand 1 der Mondmagie-Reihe Wenn der Doppelmond am Himmel erscheint, beginnt die Zeit des Blutes. Es wird fließen in Strömen und die Menschen werden befallen vom Heißhunger. Es wird sein die Zeit der Säuberung. Blutsklaven werden alles sein, was von...