Kapitel 1.5

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Lina lachte weiter leise. „Das ist doch schön. So haben die Menschen etwas, worauf sie sich freuen können", sagte sie überrascht über diese doch recht unkonventionelle Art. „Allerdings habe ich das Problem, dass ich unabhängig meiner Koffer gereist bin und wie es scheint, sind diese auf dem Weg irgendwo stecken geblieben. Ich schätze sie kommen in den nächsten Tagen, aber bis dahin ..." Sie deutete an sich hinab und lächelte schief. „Habe ich nur meine Reisekleidung."

Die Prinzessin musterte Lina einen Moment lang und wirkte dann regelrecht bestürzt. „Das ist ja schrecklich! Ich werde mit Mutter sprechen, dass sie einen Trupp oder sowas losschickt, um danach zu suchen. Ihr müsst wissen, wir haben im Moment ein kleines Vagabunden-Problem. Windfall geht es aktuell ziemlich gut und das lädt natürlich dazu ein, unsere Kutschen an den Grenzen zu überfallen." Das Mädchen seufzte, als wäre es lästig, auch wenn sie selbst damit vermutlich noch nie in Berührung gekommen war. Kurzerhand ergriff sie Linas Hand und zog sie mit sich. „Bis dahin könnt Ihr eins von meinen Kleidern anziehen. Kommt, ich zeige sie Euch."

„Das wäre wunderbar", sagte Lina, die diesen Vorschlag dankend annahm. Genau wie die Vorlage. „Daher auch meine Entscheidung zu reisen wie ein Dienstmädchen. So musste ich mich nicht der Gefahr aussetzen, überfallen zu werden." Es war gelogen, aber das war mittlerweile sowieso egal. Da aktuell alles so gut zu ihrer Geschichte passte, würde sie diese immer wieder einbinden.

Die junge Prinzessin führte Lina gezielt durch die Gänge, während gelegentlich Dienstmädchen in letzter Sekunde erst auswichen, da sie durch den hohen Stapel an Bettlaken in ihren Armen kaum etwas sehen konnten. Hier schien wirklich jede noch so kleine Bedienstete hochbeschäftigt.

„Wie ein Dienstmädchen?", lachte Arabella belustigt, die nun wieder auf Linas Worte eingingen. „Das stelle ich mir lustig vor. Aber meine Eltern würden sowas nie erlauben. Zu riskant."

„Es ist nicht zwingend lustig. Man reist mit sehr wenig Dingen, damit man nicht ausgeraubt wird", erklärte sie. „Meine Kutsche war klein, offen und es war kalt. Trotz Decke", erzählte sie, wobei sie versuchte ihre Belustigung zu überspielen und erschöpft und frustriert zu klingen. Es gelang ihr nicht.

Desto weiter sie liefen, umso mehr Wachen konnte Lina an den Seiten der Flure entdecken. Was nicht unbedingt verwunderlich war, wenn man bedachte, dass sie sich zu den Gemächern der Prinzessin begaben. Vermutlich war es normal, dass der königliche Flügel bewacht wurde. Im Gegensatz zu dem des Personals.

„Ja, das muss eine echte Umstellung für Euch sein. Ich bin ohnehin schon gespannt auf die Geschichten Eurer Heimat und der langen Reise", entgegnete Arabella und hielt letztlich vor einer großen, prunkvoll verzierten Doppeltür, welche ihr sogleich von zwei Wachen geöffnet wurde.

„Sollten wir ein paar freie Stunden haben, werde ich Euch gern davon erzählen. Es wird Euch die Geografie dieses Gebietes sicherlich näherbringen", sagte Lina, die Arabella folgte. Wie der Rest des Schlosses war es hier sehr schön. Alles war liebevoll gestaltet und sehr hochwertig.

Die Prinzessin hatte definitiv recht. Windfall war zwar ein kleines Reich, doch es schien ihm anscheinend mehr als gut zu gehen. Es war zwar nicht ganz so verschwenderisch wie andere Reiche, von denen man gelesen hatte, doch sagte allein die Tatsache viel aus, dass Feiern wohl etwas ganz Alltägliches waren.

„Dafür ist das Fest da. Vater liebt es Geschichten von außerhalb zu hören, weil er selbst nie vom Thron wegkommt", berichtete sie mit einem beinahe schon traurigen Lächeln, trat dann jedoch in ihre Räumlichkeiten ein. „Willkommen in meinem Domizil", präsentierte sie stolz, mit ausgebreiteten Armen und einem zufriedenen Lächeln auf den rosigen Lippen.

Lina sah sich um und lächelte sanft. „Es gefällt mir wirklich. Es ist nicht so überladen wie die Gemächer der Prinzessin von Landran", sagte sie, um ein bisschen das Thema zu wechseln. Sie war einmal in Landran gewesen und hatte dort genau diese Geschichten gehört. Ob es mehr als Geschichten waren, konnte sie jedoch nicht sagen, würde sie aber für sich adaptieren.

Beeindruckt sah die Prinzessin zu Lina. „Ihr habt auch die Prinzessin von Landran unterrichtet?"

Lina nickte. „Ja. Nur für ein Jahr, weil ihre Hauslehrerin erkrankt war. Damals war ich noch sehr jung", erzählte sie und lachte erneut, als würde sie sich an etwas Lustiges aus dieser Zeit erinnern. „Auch die Prinzessin war noch sehr jung. Ein regelrechter Wirbelwind. Immer hat sie alles versucht, um die Stunden in Etikette nicht nehmen zu müssen. Dafür hat ihr Sprachen sehr gut gefallen."

„Ich habe sie leider noch nicht kennenlernen dürfen, aber habe schon von ihr gehört. Sie soll sehr temperamentvoll sein, sagt man sich", sprach Arabella ruhig weiter. Hinter ihr erschien ein junges Mädchen, die gerade aus einer Tür kam. Ihre Arbeitskleidung zeichnete sie zwar als Dienstmädchen aus, doch waren es eher die zuckenden Wolfsohren auf ihrem Kopf und der buschige Schweif an ihrem Steiß, der die Aufmerksamkeit anderer erregte. Arabella selbst, schien das Dienstmädchen kaum zu registrieren. Vielleicht weil sie inzwischen schon zur Einrichtung gehörte.

Lina musterte die junge Wölfin kurz, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Arabella richtete. Sie behielt jedoch im Hinterkopf, dass sie hier wohl nie ganz allein sein würde. „Das ist sie wohl. Ich bin ihr nach diesem Jahr leider nicht mehr begegnet, doch ich habe gehört, dass sie weiterhin gern ihren Willen durchsetzt. Zum Leidwesen ihrer Eltern."

Arabella kichert leise, verstummt dann jedoch als sie das Wolfsmädchen im Augenwinkel wahrzunehmen schien. „Oh, Milla. Könntest du ein Bad für Lady Zaratus herrichten und uns dann bei der Kleiderwahl helfen? Danke." Sie wartete kaum auf eine Antwort des Dienstmädchens. Immerhin hatte es nicht wirklich die Option abzulehnen.

Mit einem Knicks und einem: „Natürlich, Prinzessin", machte sie sich auch schon an die Arbeit und verschwand im Nebenraum.

„Das ist Milla, meine Kammerzofe. Sie ist wirklich sehr lieb, aber ... ein wenig zu ruhig vielleicht", erklärte Arabella und verzog ein wenig die Lippen, sobald das Wolfsmädchen den Raum verlassen hatte.

Lina nickte verstehend. „Sie muss einem sehr überraschen, da sie so leise ist. Ich kann mir vorstellen, dass man sie nur schwer bemerkt, wenn man sie nicht erwartete." Damit würde sie vorsichtig sein müssen. Sie wollte nicht beobachtet werden.

Arabella lief mit federnden Schritten zu einer weiteren Tür, um diese zu öffnen und somit einen begehbaren Kleiderschrank zu offenbaren. Nicht viele konnten einen ganzen Raum als Kleiderschrank ihr Eigen nennen. Nur dann, wenn man ordentlich Geld und ordentlich Kleider hatte, was beides wohl definitiv auf Prinzessin Arabella von Windfall zuzutreffen schien.

Feine Stoffe, mit edlen Stickereien, Schuhe, Schmuck und was nicht noch alles, türmten sich in diesem Raum. Kein Wunder, dass ihr Zimmer separat bewacht wurde. Allein von dem zahlreichen Schmuck und den Edelsteinen könnte man ein ganzes Dorf ernähren. „Sie ist sehr gefasst und arbeitet sorgsam. Ich denke aber, sie ist nur so ruhig, weil sie sich keinen Fehler bei der Madam leisten will."

„So wie ich die Madam kennengelernt habe, kann ich das durchaus verstehen", sagte Lina mit einen Lächeln, das jedoch nur verbergen sollte, wie neidisch sie war. Ihr war bewusst, dass Geld allein nicht glücklich machte, doch wenn man es nicht hatte, war das Leben sehr anstrengend. Zudem wirkte Arabella recht glücklich. Vielleicht war das aber auch nur Fassade. Das würde sich erst zeigen.

Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt