Kapitel 14

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Seufzend blickte Prinzessin Arabella aus dem Fenster und sah einem flatternden Schmetterling hinterher, der sich soeben in die Lüfte erhob. Mal wieder hatte sich Lina mit der Prinzessin in der Bibliothek niedergelassen, neben den hohen Fenstern hin zum Balkon. Doch das blonde Mädchen schien weniger Interesse am Unterricht selbst zu haben als mehr an dem, was sich hinter den Palastmauern abspielte.

Lina versuchte ihr gerade ein paar politische Dinge über Karakams beizubringen, doch das war gar nicht so leicht. Tatsächlich nicht, weil Lina es nicht wusste, sondern, weil Arabella immer wieder abgelenkt war.

„Hört Ihr mir überhaupt zu?", fragte Lina, die versuchte ernst zu klingen und nicht zu lachen. Sie fand es irgendwie sympathisch, doch das konnte sie nicht sagen.

Die Prinzessin zuckte leicht zusammen und wandte sich blinzelnd der Magierin zu. „Hm? Ähm ... ja, natürlich. Sehr interessant", pflichtete sie bei, als hätte sie nicht mal die Frage wirklich gehört. Ein kläglicher Versuch Interesse zu heucheln ... Das war wohl eine Eigenschaft, die sie dringender lernen musste als die Politik an sich.

Lina konnte ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken. „Ich habe Euch gerade erzählt, dass ein Hund ein Ei gelegt hat", bemerkte sie nüchtern. „Ich glaube nicht, dass darauf eine solche Antwort angemessen ist." Es stimmte nicht, doch das würde ihr noch deutlicher zeigen, wie gut Arabella aufgepasst hatte.

Diese ließ die Schultern sacken und richtete ihren Blick beschämt in ihren Schoß. „Entschuldigt. Ich bin nur ... ich weiß nicht. Können wir nicht etwas anderes machen?"

Lina seufzte leise und ergeben. „Ich weiß, dass es Euch nicht interessiert", sagte sie, wobei sie flüsterte. „Aber als Prinzessin ist es wichtig, dass Ihr zumindest in der Lage sein könnt, Interesse zu heucheln, ohne, dass es auffällt", belehrte sie Arabella. Sie wollte ihre Ausbildung immerhin nicht komplett verhunzen.

Die Prinzessin presste ein wenig die Lippen aufeinander, um ein Lachen zu verbergen und schielte dabei zu Lina. „Habt Ihr das auch gelernt in Eurer Ausbildung?"

Das brachte Lina nun ganz offensichtlich zum Schmunzeln und sie zwinkerte Arabella zu. „Natürlich. Gerade im Umgang mit Adligen ist das sehr wichtig", bemerkte sie mit einem verschwörerischen Unterton.

„Ich habe noch nicht viele Adlige getroffen", gestand das Mädchen und zog die Schultern wieder zurück, um ihre Haltung zu verbessern. Eine, die einer Prinzessin würdig war und nicht einem Dorfmädchen gehörte, welches Linsen auflas. „Nur ein paar aus Windfall und Genomien."

Lina versuchte, nicht zu überrascht auszusehen. „Dabei sah es bei der Feier doch ganz anders aus", bemerkte sie und runzelte die Stirn. Sie wollte gerade noch etwas sagen, als sich ihnen jemand näherte. Es war einer der Laufburschen des Schlosses. Er trug einen Brief in der Hand.

Auch Arabella verstummte und blickte fragend zu dem Jungen, als dieser vor den beiden Damen innehielt und sich verneigte. „Verzeiht die Störung, Euer Hoheit. Lady Zaratus, es ist soeben ein Telegram für Euch angekommen", sprach er leise und hielt den Kopf weiterhin gesenkt, während er Lina das gefaltete Papier hinhielt. Auf dem Umschlag prangte ein präsentes Siegel, welches sie nicht kannte. Doch da das Wachs eine dunkelblaue Färbung hatte, konnte sie bereits erahnen, dass es sich um einen Brief aus Karakams handelte.

Sofort fühlte sich Lina unwohl, doch sie lächelte, als sie den Brief entgegennahm. „Danke", sagte sie lächelnd, bevor sie das Wachs erbrach und den Inhalt herausholte.

Ihre Augen überflogen schnell die Zeilen, welche dafür sorgten, dass ihr heiß und kalt wurde. Der Brief war wirklich aus Karakams! Genau genommen von dem Mann von Lady Zaratus. Er würde sie in wenigen Tagen hier besuchen kommen.

Der Laufbursche hatte sich bereits wieder verabschiedet und verschwand auf schnellen, leise Sohlen hinaus aus der Bibliothek. Lina beachtete ihn kaum. Sie war zu gefangen von den Zeilen und der Bedeutung.

Konnte das wirklich stimmen? Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie gehofft, dass der Magierorden ihr einen Streich spielen wollte, doch das war nun wirklich nicht die Art Humor, die sie von ihrem Meister kannte.

Lina spürte, dass ihre Hände begannen zu zittern. Panik machte sich in ihr breit. Sie musste hier weg, bevor der Mann kam! Er würde alles, was sie geschafft hatte, ruinieren. Allerdings würde sie dafür den letzten Sohn noch suchen müssen.

Sie schluckte und blickte hinab auf das Datum, mit welchem er sich angekündigt hatte. Eine Woche ..., wenn sie nur eine Woche Zeit hatte, bedeutete das, dass er schon auf dem Weg war. Eine Strecke von Karakams nach Windfall legte man nicht einfach so schnell hin. Und das wiederum bedeutete, dass sie ihn auch nicht mehr würde aufhalten können.

„Lady Zaratus?", erklang Arabellas besorgte Stimme, welche Lina wieder zurück in das Hier und Jetzt beförderte.

Linas Gedanke, den Magierorden zu fragen, um ihn aufzuhalten, brach ab, als sie den Blick hob und Arabella ein zittriges Lächeln schenkte. „Mein Mann wird uns in einer Woche besuchen kommen", teilte sie mit. Warum es auch geheim halten? Vielleicht konnte sie so dafür sorgen, dass sie den Unterricht ausfallen lassen konnte. Dann hätte sie noch etwas mehr Zeit. Zeit, die sie definitiv brauchte.

Obwohl sie dem Kompass eine Strähne beigefügt hatte, war sie sich doch noch immer unsicher, ob es nur noch ein oder vielleicht sogar zwei weitere Söhne waren. Bisher war sie nicht zum Weitersuchen gekommen.

Sorgenvoll zog Arabella die schmalen Augenbrauen zusammen. „Aber ... das sind doch schöne Neuigkeiten, oder etwa nicht?", fragte die Prinzessin vorsichtig.

Lina lächelte schief. Für diese war das vielleicht so, doch nicht für Lina. „Ja", log sie. „Ich mache mir trotzdem große Sorgen. Meine Truhen sind abgefangen wurden. Was, wenn ihm auf dem Weg etwas passiert?", fragte sie, um ihre Panik zu erklären.

Die Prinzessin lächelte sanft und legte eine Hand auf die von Lina, um sie zu beruhigen. „Ich bin sicher, Euer Gatte wird wohlauf sein. Er ist doch immerhin ein General. Er wird wissen, wie er sich zu verteidigen hat."

Linas Lächeln wackelte. „Da habt Ihr recht", sagte sie und versuchte, nicht mehr ganz so nervös auszusehen. Dass sie eigentlich nur wegwollte, konnte sie nicht sagen. Sie musste durchhalten und sich beruhigen. Dabei hatte sie das Gefühl einfach nicht ruhig bleiben zu können.

„Wie wäre es, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen?", fragte Arabella lächelnd. „Und ich werde die Madam darum bitten, eine Willkommensfeier für Euren Mann zu veranstalten. Der Hof wird sich sicherlich freuen", kicherte die Prinzessin. Vermutlich versuchte sie es selbst als Ausrede zu nutzen, um den Unterricht früher beenden zu können. Außerdem wusste Lina, dass hier gern gefeiert wurde. Sicherlich hätte niemand etwas gegen einen weiteren Grund.

Lina ging darauf ein. „Das wäre wunderbar. Eine Willkommensfeier würde ihm sicherlich gefallen", sagte sie. Ihr selbst würde hoffentlich der Spaziergang guttun. Frische Luft würde sie hoffentlich beruhigen.

Jedoch würde es nichts daran ändern, dass sie noch heute Nacht ihre Suche würde fortsetzen müssen. Sie musste so schnell wie möglich die letzten Söhne finden, verschwinden und dann nie wieder einen Fuß auf windfällischen Boden setzen.

Mondmagie - Windfall - Band 1 - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt