Kapitel 76

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Ava

Wie versteinert stand er da. Den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen.
Seine breite Brust bebte und seine Arme hingen kraftlos herunter. Er sagte nichts. Ließ mich ihn anschreien und es einfach über sich ergehen. Als ich fertig war stellte ich mich vor ihn. Erwartete eine Antwort. Ich wollte, nein ich musste wissen, was er dachte. Wie er rechtfertigte, was er mir angetan hatte.

„Jetzt rede!" Erneut schubste ich ihn und er taumelte leicht nach hinten, aber die Augen öffnete er nicht. „Ach hat's dem großen Erik jetzt die Sprache verschlagen ja? Wo ist denn der berühmte Krieger?"Provozierend ging ich immer wieder auf ihn zu und schubste ihn weiter nach hinten. Bis er mit dem Rücken gegen einen Baumstamm stieß.

„Bist du jetzt schon zu feige um mich anzusehen? Habe ich es nicht wenigstens verdient, dass du mich ansiehst und mir ins Gesicht sagst was ich dir getan habe, um so behandelt zu werden?"  Schon wieder stiegen mir Tränen in die Augen, aber ich wollte nicht mehr weinen. Wollte nicht gestehen, wie verletzt, wie gebrochen, ich war. Ich klammerte mich an die dünne Decke, die ich immer noch um meinen Körper gewickelt hatte, um nicht völlig schutzlos zu sein.

Endlich sah er mich an. „Du hast gar nichts getan." Seine Worte waren so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte.
„Was?" Ich wollte es noch einmal hören. Er hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen, als er es wiederholte und dabei so traurig aussah, dass ein kleines bisschen von meiner Wut verflog.

Aber es war noch genug davon vorhanden, um meine Hand zu heben und ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen.
Schockiert sah er mich mit großen Augen an, als er eine Hand an seine sich rot färbende Wange hob und sich über die Haut strich. Ich atmete schwer und meine Handfläche kribbelte von dem Schlag. Zwar war ich von mir selbst erschrocken, aber ich ließ es mir nicht anmerken.
Ich erwartete, dass Erik wütend werden würde. Dass er mich packen und ebenfalls anschreien würde, aber nichts davon geschah. Er sah mich nur traurig an. Irgendwie sah er verloren aus. Er sah so aus, wie ich mich fühlte. Als hätte er nichts. Als wäre alles und jeder gegen ihn und er ganz allein auf dieser Welt. Der Unterschied war nur, dass er alles hatte was ich mir wünschte. Ein Leben und eine Familie. Menschen, denen etwas an ihm lag. Ich hingegen war wirklich allein. Meine Wut wandelte sich in Traurigkeit, als mich das Gefühl der Einsamkeit überkam und weitere Tränen rannten über mein Gesicht.

„Wie konnte ich nur glauben, dass ich dir was bedeute?" ich flüsterte die Frage eher mir selbst zu, als ihm, aber er hörte sie trotzdem.

„Ava" er hob seine Hände um mein Gesicht zu umfangen, aber ich drehte mich weg. Ich wollte nur, dass er verschwand und mich allein ließ. Jetzt wo meine Wut verschwunden war, fühlte ich mich einfach nur noch leer und schwach.

„Natürlich bedeutest du mir etwas." Seine raue Stimme klang abgehackt. So, als müsste er sich anstrengen, um einen Satz rauszubekommen ohne zu stottern. Obwohl ich es nicht wollte, konnte ich nichts dagegen tun, dass mich bei seinen Worten wieder ein Funken Wärme durchströmte.
Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum ich stehen blieb und zuließ, dass Erik mich berührte. Er trat näher an mich heran und strich mir sanft über die Schulter. Ich konnte seinen Atem in meinem Nacken spüren und nichts dagegen tun. Seine Berührung machte mich bewegungsunfähig.
Wir blieben einen Moment so stehen und ich konnte hören wie Erik tief einatmete.
„Ich habe Angst, Ava."

Hey ihr Lieben,
ich habe mir gedacht: Ein kurzes Kapitel ist besser, als gar kein Kapitel😅
Aber keine Sorge. Ich bin fleißig am Schreiben und obwohl die Story schon um einiges länger ist, als sie geplant war wird es noch einige Kapitel über die Beiden geben.
Ich hoffe ihr habt eine schöne Woche und ich mache euch wenigstens eine kleine Freude mit dem kurzen Kapitel.
Eure Nelke🌸

Die Gefangene des WikingersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt