Kapitel 57

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Am nächsten Tag bereitete ich das Essen für einen von Eriks Brüder zu. Sie waren beide noch Kinder und tobten in der großen Halle, bis sie von ihrem Vater zur Ruhe gerufen wurden.

Seine kräftige Stimme ließ mich zusammenzucken, aber die Jungs waren es anscheinend schon gewohnt. Ich brachte ihnen, mit gesenktem Kopf, ihr Frühstück und zog mich danach wieder in die Küche zurück.

Ich putze gerade ein paar Becher, als aus dem großen Raum ein gequältes Husten und würgende Geräusche erklangen. Es klang, als würde jemand ersticken und als ich in den Raum stürzte, um zu helfen, sah es auch tatsächlich so aus.

Einer der Jungen, Oscar, er war gerade 13, beugte sich, den Bauch haltend, über den Tisch. Er hustete und würgte laut, sein Kopf war rot und sah aus, als wenn er gleich platzen würde.

Anscheinend hatte er sich verschluckt. Sein Vater klopfte ihm auf den Rücken, doch das half nichts. Wenn man nichts unternahm, dann würde er qualvoll ersticken, also lief ich, ohne zu überlegen zu ihm und stieß seinen Vater zu Seite. Der wollte gerade zu einem Schlag ausholen, als er verstand, dass ich seinem Sohn nur helfen wollte.

Ich hatte es noch nie selbst versucht, aber gesehen wie man jemandem helfen konnte, dem etwas im Hals steckte. Ich schlang meine Arme von hinten um den schmächtigen jungen und legte meine Hände auf seinen Bauch. Dann drückte ich ruckartig zu. Nichts passierte. Ich nahm nichts um mich herum wahr, als ich versuchte dem Jungen das Leben zu retten und noch einmal zudrückte. Und noch einmal und dann spuckte Oscar etwas aus und holte röchelnd Luft.

Ich ließ ihn los und holte tief Luft. Ich hatte jemandem das Leben gerettet.

Alle Leute im Raum schienen erleichtert aufzuatmen. Alle bis auf den Jarl.

Der drehte sich langsam zu mir um, dann holte er aus und schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Noch bevor ich realisieren konnte, was gerade geschehen war, wurde mir schwarz vor Augen und ich fiel nach hinten. Ich war nur ein paar Sekunden lang bewusstlos, denn als ich blinzelnd die Augen öffnete stand der große Mann noch an derselben Stelle.

Er brüllte mich an, aber ich verstand kein Wort. Ich konnte ihn nur mit großen Augen ansehen und den Kopf schütteln.

Mein Herz raste, als er sich zu mir runterbeugte und nach meinen Haaren griff. Mir traten Tränen in die Augen und ich schrie auf, als er mich an meinem Zopf vom Boden riss. Als ich stand verpasste er mir noch einen Schlag. Diesmal in den Bauch. Ich krümmte mich und ging wieder zu Boden. Als er mich noch einmal hochzog sah ich leuchtende Punkte tanzen.

Ich konnte sehen, dass er mich anschrie, doch seine Stimme hörte sich weit entfernt an. Mit seiner großen Hand packte er mich im Nacken und schubste mich vor sich her bis auf den Platz vor dem Gebäude. Als er mich von hinten stieß viel ich auf den staubigen Boden. Ich wusste nicht was geschah, mein Kopf war wie ausgeschaltet.

Aus Instinkt versuchte ich zu fliehen und krabbelte über den Boden. Eine ganze Menschenmenge hatte sich bereits versammelt und sah dabei zu, wie ich verprügelt wurde. Etwas traf mich hart an der Seite und ich krümmte mich zusammen. Er hatte mir einen Tritt verpasst. Und gleich darauf noch einen.

Ich schrie und die Tränen flossen mir in Strömen über die Wangen. Ich spürte, dass er mir die Rippen gebrochen hatte. Immer wieder trat er mich.

In die Rippen. In den Bauch. In den Rücken. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Mein Körper bestand nur noch aus Schmerzen. Ich lag reglos auf der Seite und hoffte einfach, dass es aufhören würde, mehr konnte ich nicht tun.

Immer wieder wurde mir schwarz vor Augen und ich wurde bewusstlos. Als die Tritte aufhörten blinzelte ich und als ein großer Fuß mich an der Schulter berührte und gegen mich stieß, rollte ich automatisch auf den Rücken.

Über mir stand der riesenhafte Jarl. Sein Gesicht war rot und vor Zorn verzogen. Seine Zähne waren wie bei einem Hund, der angreifen wollte, gefletscht.

Ich konnte ihn nur aus leeren Augen ansehen, da packte er mich an dem Stoff meines Kleides und stellte mich auf meine wackligen Beine. Ich sah nicht, dass er wieder ausholte, sondern spürte nur wie mich etwas Hartes an der Schläfe traf.

Meine Haut platzte auf und ich fühlte, wie warmes Blut über mein Gesicht lief. Ich knallte rücklings auf den Boden und keuchte auf. Der Jarl drehte sich um und ging ohne ein Wort in die große Halle. Niemand kam zu mir, um mir zu helfen.

Ich konnte kaum atmen, so sehr schmerzte mein Körper und ich stöhnte, als ich versuchte mich aufzurichten.

Ich konnte nicht so liegen bleiben, musste mich irgendwo verkriechen. Ich biss die Zähne zusammen und richtete mich auf.

„Ich helf dir. Komm!" Maike war angelaufen gekommen und stützte mich.

Trotz ihrer Hilfe schaffte ich es nicht auf die Beine. Ich spürte sie kaum.

Ein weiterer Sklave, dessen Namen ich nicht kannte kam zu uns, um zu helfen. Er legte seine Arme unter mich und hob mich hoch. Ich ächzte und mein Körper bebte. Er trug mich in eine kleine Gasse und setzte mich auf den Boden, so dass ich mich mit dem Rücken gegen eine Hauswand lehnen konnte.

„Ich muss weiterarbeiten" sagte er, aber hielt noch kurz meine Hand, bevor er wieder verschwand.

Maike kniete sich neben mich und strich mir vorsichtig die Haare aus dem Gesicht. Ich hatte einen Schock. Wusste nicht was ich sagen sollte. Mein Kopf war leer. Mit zitternden Händen tastete ich vorsichtig mein Gesicht ab. Als ich die rechte Schläfe berührte fing meine Haut an zu brennen und ich zuckte zusammen. Ich weiß nicht, wie lange Maike behutsam meinen Arm rieb, während ich weinend neben ihr saß und mich fragte womit ich das verdient hatte.

Die Gefangene des WikingersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt