Kapitel 79

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Erschöpft trat ich aus der hölzernen Hintertür der großen Halle und lehnte mich mit dem Rücken gegen die kalte Wand. Ich war erschöpft. Erschöpft davon den ganzen Tag zu arbeiten. Erschöpft von den Gedanken daran ohne Erik zu sein. Ihn zu sehen und ihm nicht nah sein zu dürfen, in dem Wissen, dass er mich bald verlassen würde, war noch schmerzhafter als sonst. Jedes Mal wenn er mir einen Blick zuwarf sehnte ich mich mehr danach mit ihm zusammen zu sein.

Als eine dunkle Gestalt um die Hausecke bog machte ich mich schleunigst wieder daran reinzukommen, aber grade als ich die Tür zur Küche öffnete griff jemand nach meinem Arm und zog mich wieder in die Dunkelheit.

„Ich bin's nur" seine raue Stimme war ganz nah an meinem Ohr und automatisch stellten sich die Haare in meinem Nacken auf.
„Ich hab dich vermisst." Erik zog mich näher an sich und als mein Rücken gegen seine starke Brust stieß atmete ich laut aus und biss mir auf meine Unterlippe.

Eine einzige Berührung von ihm und ich war verloren. Wie sollte ich es nur je ohne ihn aushalten. Eriks muskulöser Arm schmiegte sich um meine Taille und mit seiner Hand strich er mir die langen Haare über eine Schulter nach vorn, damit er einen sanften Kuss auf meinen Hals hauchen konnte.
Ich lächelte, als er ich seinen anderen Arm um mich schlang und sein Kinn auf meiner Schulter abstütze.

„Ich habe dich auch vermisst." Mit diesen Worten drehte ich mich um und legte ihm eine Hand auf die Brust.
Als ich hoch zu seinem Gesicht und in seine Augen sah, funkelten sie.
„Es tut mir so leid was Vivienne gemacht hat, das hätte sie nicht tun sollen. Am liebsten hätte ich ihr den Kopf abgerissen." knurrte er und das Leuchten in seinen Augen verwandelte sich in Wut.
Ich strich ihm mit der Hand über die Wange und versicherte ihm, dass es mir gut ging und wir es einfach vergessen müssten. Innerlich fürchtete ich mich, vor dem was Vivienne mir antun würde, sobald Erik die Stadt verlassen würde, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und lächelte ihm beschwichtigend zu. Er schien sich zu beruhigen.
„Komm." Erik griff nach meiner Hand und wollte mich in den Wald führen.
„Ich kann nicht." Bedauernd lächelnd entzog ich ihm meine Hand, nach der er aber sofort wieder griff. „Klar kannst du." er legte den Kopf schief.
„Erik ich muss wieder rein." Ich wollte keinen Ärger bekommen und es war sicher schon aufgefallen, dass ich meinen Arbeitsplatz verlassen hatte. „Ich darf keinen Ärger bekommen."
„Ja, ich weiß." seufzend kam er wieder auf mich zu und nahm mich in den Arm. Eine einfache, aber dennoch liebevolle Geste, die man von jemandem wie ihm niemals erwarten würde.
„Na los, gehen wir wieder rein." Erik drückte mir noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er mich zur Tür schob. „Wir sehen uns drinnen."
Dann ging er und verschwand in der Dunkelheit, um zum Vordereingang des Gebäudes zu gehen.

Maike schüttelte nur leicht den Kopf, als ich versuchte unbemerkt in die Küche zu schleichen. Ich zuckte nur mit den Schultern und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. Was sollte ich denn machen? Ich wusste, dass meine Gefühle falsch waren. Dass ich mich in Gefahr brachte, aber ich konnte einfach nicht anders.
Der Abend verlief ohne weitere Vorkommnisse. Ich servierte weiterhin Essen und Getränke und jedes Mal, wenn ich an Erik vorbeiging schaffte er es irgendwie heimlich seine Finger über meinen Körper zu streichen,und immer wieder musste ich mir ein Lächeln oder ein frustriertes Seufzen verkneifen.
Als einer der Wikinger aufstand und ein Lied anstimmte, fingen alle an mitzusingen oder zu tanzen. Um mich herum standen die Leute auf und ich schaffte es gerade noch rechtzeitig aus der Menge, bevor sie anfingen rumzuspringen und noch lauter zu grölen als zuvor. Den Tumult nutze Erik, um sich unbemerkt neben mich zu stellen. Er hielt mir seinen Krug hin und ich goss ihm, wie es sich für eine Sklavin gehörte, etwas ein.
„Komm heute Nacht zu mir." Er redete so leise, dass sich mir seine Worte auch hätte einbilden können.
„Ich kann nicht." Ich versuchte meine Lippen so wenig wie möglich zu bewegen, damit keiner mitbekam, dass wir uns unterhielten.
„Morgen brechen wir auf. Das ist meine letzte Nacht hier." Als sich eine Gruppe laut singender Männer an uns vorbeidrängte kam er näher. „Ich möchte sie mit dir verbringen." Der flehende Ausdruck in seinen Augen ließ meine Angst, davor erwischt zu werden, kleiner werden. Natürlich wollte ich bei ihm sein. Die letzte Stunden mit ihm voll auskosten, also nickte ich leicht.
„Hol Nachschub Sklavin!" er verpasste mir einen kleinen Stoß, damit es authentisch wirkte, aber als mich umdrehte und ging flüsterte er mir noch zu, dass er sich gleich auf den Weg machen würde und dann auf mich wartete.

Die Gefangene des WikingersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt