Kapitel 4

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Donnerstag.
Der achtzehnte August.
Ich war seit um vier Uhr wach. So hibbelig war ich. Meine Eltern haben mich für Mittwoch und Donnerstag freistellen lassen. Aufgeregt aß ich mein Frühstück. Nicht sonderlich viel, aber ein paar Proteine und Kohlenhydrate mussten rein. Eigentlich war geplant, dass meine Eltern mitkamen. Mich wenigstens einmal unterstützten und für mich da waren. Aber sie waren nicht dabei. Sie sind zuhause geblieben, angeblich, weil Elektriker kamen.  
Wer's glaubt.
Nur Calle war als verantwortungsvoller Trainer mitgekommen.
Das Gewichtheber-Komitee hatte für die Athleten extra ein Hotel gebucht. Mein Fußweg betrug nur fünf Minuten.
Was mache ich in der restlichen Zeit?
Ich stand vor dem Spiegel und betrachtete meinen Körper.
Bitte lass mich einen guten Tag haben.
Seufzend sah ich auf die Uhr. Noch zwei Stunden. Nervös fummelte ich an meiner Kette rum.
Meine Kette...
Trotz unserer Trennung hatte ich sie nicht abgenommen. Warum? Keine Ahnung. Sie war schön und ich wollte Dano symbolisieren, dass ich uns noch nicht aufgegeben hatte. Ob er das verstand, war die andere Frage. Und ich hatte die Hoffnung, dass in der Kette noch die Liebe steckte, die er mir am Anfang gegeben hatte. Vielleicht gab sie mir etwas mehr Kraft.
Es klopfte an meiner Zimmertür. „Ja?"
„Moin, ich bin's. Schon aufgeregt?" Calle musterte mich. Ich nickte. „Und wie. Habe richtig Angst." „Brauchst du nicht. Ich bin dein emotionaler Support. Wir haben so lange trainiert und deine Technik ist perfekt. Du wirst das rocken." Er klopfte mir auf die Schultern. „Danke." Calle lächelte mich kurz an. „Ich würde sagen, dass du dich so langsam in deine Klamotten wirfst und wir dann zusammen hingehen. Du weißt ja, Anmeldung und Aufwärmen dauert ein Weilchen." „Okay, alles klar."
Calle ging und ich streifte mir meine Jogginghose und Pulli über. Den richtigen Anzug zog ich erst beim Aufwärmen an. Ich checkte meine Tasche und warf mir dann noch zwei Proteinriegel hinein. Mit voller Beladung verließ ich mein Zimmer. Ich begegnete bereits anderen Athletinnen, die mich nett grüßten.
Mein Trainer wartete bereits auf mich am Ausgang. „Hast du alles?"
Ich nickte. „Sicher?"
Ich verdrehte die Augen. „Ja."
„Deine Schuhe? Sportsocken? Kniebandagen? Deinen Gürtel? Ausreichend Proteinversorgung?" Ich nickte bei jedem Punkt. „Okay, dann lass uns los." Zusammen stratzten wir zur Halle. Es war riesig. Und sehr beeindruckend. Calle meldete mich am Empfang an und ich durfte ein Zettel ausfüllen. Sind in Ihrer Familie Herzerkrankungen (z.B. Herzrhythmusstörungen) bekannt?
Was weiß ich, alter.
Einfach nein sagen. Wozu mussten die das überhaupt wissen?
Nachdem ich weiter solcher sinnbefreiter Fragen beantwortet hatte, gab ich das Klemmbrett bei der Empfangsdame wieder ab. Meine Daten wurden gecheckt und wir durften eintreten. Mit schwitzigen Händen nahm ich meinen Aufwärmplatz ein. Ich fing an locker meine Gelenke zu kreisen, um ein bisschen Schwung reinzukriegen. Ein paar grundlegende Aufwärmungen und ein paar dynamische Dehnübungen. Nach zehn Minuten begann ich mit dem spezifischen Warm-Up. Die erste Teildisziplin ist Snatch, also Reißen. Im breiten Griff machte ich ein wenig Hantelgymnastik, bevor ich an die Technik ging. Calle schlenderte durch die Halle und redete mit ein paar anderen Trainern. Einige schien er noch zu kennen. Ich machte eine kurze Pause und schaute auf mein Handy. Dano hatte mir nicht geschrieben...
Ist auch besser so!
„Na, na, na! Nicht am Handy daddeln, arbeiten!", mahnte mich Calle. „Jaja, musste nur was nachsehen." Nun blieb er in meiner Nähe. Ich lud etwas Gewicht drauf. Calle kommentierte nichts, also war alles in Ordnung. Nachdem ich mich ausreichend für den Snatch aufgewärmt hatte, bereitete ich mich auf den Clean and Jerk vor, also Stoßen. Auch hier begann ich wieder mit niedriger Last. Durch das Snatch-Warm-Up war mein Unterkörper schon gut beweglich. In der tiefen Hocke justierte ich meine Ellenbogen nach oben, um möglichst viel Beweglichkeit reinzubekommen.

„In zehn Minuten geht die Party ab", kündigte Calle an. „Ich weiß", jammerte ich nervös und hüpfte auf der Stelle. Mein Snatch-Startgewicht betrug hundert Kilo. Der zweite war planmäßig hundertzehn Kilo und der Dritte hundertachtzehn. Jedenfalls nur, wenn ich keinen davor versaute. Nervös wischte ich mir im Gesicht herum. Ich trat als fünfte an. Als Vorgeschmack snatchte ich nochmal sechzig Kilo. Nicht zu schwer, ansonsten war die Kraft schon vor dem eigentlichen Wettkampf verschwendet.
Eine junge Iranerin absolvierte ihren Versuch vor mir. „Jetzt bist du dran, zeig, was du kannst!", sprach mir Calle Mut zu. Kräftig schlug er mir auf die Schultern. Ich atmete tief durch und ging entschlossen die kleine Treppe zur großen Plattform hinauf. Ich starrte die Judges an. Es piepte und ich durfte ran ans Eisen. Ohne weiter zu zögern setzte ich an und schaffte den ersten Versuch. Wieder der Ton, ich warf die Hantel ab. Es gab sogar drei weiße Lichter, was bedeutete, dass alle Judges mit dem Versuch einverstanden waren und er Regelkonform war. Ich trippelte die Stufen runter. „Was ein schöner Lift! Die nächsten bitte genau so", lobte Calle und klopfte auf meinen Rücken. Ich fühlte mich stark. Es war ein guter Tag. „Du hast ja noch deine Kette um", bemerkte Calle. „Oh ja... na ja, beim Snatch stört es ja nicht. Beim Clean und Jerk weiß ich nicht."
„Mach sie ab. Nachher geht sie kaputt oder verletzt dich." Ich tat, was er sagte. Kaputtgehen sollte sie auf keinen Fall.

Auch der zweite Versuch war kein Problem. Beim dritten wurde ich nervös. So viel schaffte ich nur an sehr guten Tagen. Calle schlug auf meinen Nacken als Kick. Ich klopfte aggressiv auf meine Oberschenkel. So als Antrieb.
Ich stapfte auf die Plattform. Der letzte Snatch. Hundertachtzehn Kilo.
Dööööt.
Dreißig Sekunden für den Lift. Ich stellte meine Füße unter die Hantelstange und plazierte meine Hände an ihr. Ich zog die Luft in meinen Bauch und spannte dadurch meinen Körper. Mit Kraft hob ich die Hantel hoch und riss sie über Kopf. In der Hocke hatte ich ein wenig Balance verloren, konnte es aber gerade so noch ausgleichen. Langsam stand ich wieder auf.
Dööööt.
Ich ließ die Hantel fallen. Ich hörte Calle im Hintergrund jubeln. Die Zuschauer klatschten. Zufrieden hopste ich zu Calle.
„Du bist eine Granate!"

Forever Teachers Pet (Lehrer x Schülerin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt