Kapitel 32

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Grelles Licht.
Das war alles, was ich wahrnehmen konnte. „Oh, Sie sind wach. Das ist gut", sagte eine Schwester und kritzelte etwas auf ein Papier, welches in einem Klemmbrett klemmte. Ich lag auf einer unbequemen Liege. Es hing ein Schlauch an mir und ich war in eine Decke gehüllt.
„Können Sie sich noch an das erinnern, was vor wenigen Stunden passiert ist?", fragte sie. „Ähm." Ich blinzelte mehrmals. Meine Augen fühlten sich schwer und gereizt an. Als hätte ich meine Seele ausgeheult.
Ach ja.
„Ja." Ich räusperte mich. „Ich hatte einen Unfall. Also nicht ich, sondern mein Mann." Sofort stiegen mir wieder Tränen in die Augen. „Oh, bitte sagen Sie mir, lebt er noch?", fragte ich heiser. Ich versuchte den Kloß runterzuschlucken. „Es wird sich hervorragend um ihn gekümmert, keine Sorge."
Das ist keine Antwort!
Ich ließ meinen Kopf wieder auf das harte, kleine Kopfkissen fallen. „Er ist tot, oder? Er hat nicht... Er hat nicht geatmet und er ist so heftig mit seinem Rücken gegen den Baum geprallt, er..." Meine Worte wurden durch ein hohes Schluchzen erstickt. „Es wird alles gut." Die Schwester lächelte mich beruhigend an. Aber es beruhigte mich nicht. Ich wollte zu meinem Mann, verdammt.
Nur ein paar Minuten später gesellten sich zwei Polizeibeamte in das Zimmer. „Frau Hardwig, es freut uns, dass wenigstens Sie unversehrt hier sind", sagte der eine.
Also doch tot.
„Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen zu dem Unfall stellen." Ich verdrehte die Augen, was mir Schmerzen bereitete.
Abwesend beantwortete ich die Fragen so gut ich konnte.
„Und Sie können sich ganz sicher nicht mehr dran erinnern, wie schnell Ihr Mann gefahren ist, bevor er mit dem Truck kollidierte?", fragte der eine Beamte skeptisch. „Nein, er war nur schneller als ich, weil ich noch Fahranfängerin bin. Ich bin aber deutlich unter der Maximalgeschwindigkeit gefahren."
„Okay. Danke, wir wünschen Ihnen und Ihrem Ehemann alles Gute." Die beiden Beamten zogen wieder ab. Langsam richtete ich mich auf.
Ich hatte nur noch meine Kleidung an, die ich vorhin unter meiner Lederkleidung angezogen hatte. „Ihr Mann hat echt Glück gehabt", sagte die Schwester und bereitete etwas vor.
Glück?
Er lebt also noch!
„Was hat er denn?", fragte ich kratzig. „Ach, alles Mögliche. Ich darf Ihnen das eigentlich nicht erzählen, aber ich kann sehr gut nachempfinden, wie Sie sich fühlen. Er hat einen Kreuzbandriss und mehrere gebrochene Wirbel. Aber er wird wieder laufen können. Im OP werden ihm gerade Schrauben eingesetzt."
Erleichtert atmete ich auf und es sammelten sich Freudentränen.
Er wird wieder.
„Das ist eine wundervolle Nachricht."
„Finde ich auch", sie lächelte mich lieb an.
„Er wird allerdings viel Krankengymnastik und Reha benötigen und viel Schonung. Außerdem werden ihn Rückenschmerzen noch viele Jahre begleiten, wenn nicht sogar sein ganzes Leben."
„Rückenschmerzen sind machbar." Ich starrte an die Decke.
Er lebt.
Der Knoten in meinem Herzen hatte sich gelöst und ich konnte wieder atmen.
„Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich ihn sehen kann?"
„Selbstverständlich." Die Schwester verließ das Zimmer. Ich entdeckte meine Schutzkleidung auf einem Stuhl.
Ich bin keine Witwe.
Allein die Vorstellung, ich hätte seine Beerdigung planen müssen, hätte mich zerstört. Wenn er heute gestorben wäre, hätte ich wahrscheinlich nie wieder das Haus verlassen. Ich hätte mich eingeschlossen und mich an seine getragene Wäsche geklammert, um zumindest das Gefühl zu haben, ihn in den Armen zu halten.

„Frau Hardwig?" Eine Schwester lugte durch die Tür. Ich schreckte hoch. „Sie können jetzt zu Ihrem Mann, wenn Sie-"
Ich sprang von der Liege. „Welches Zimmer?", fragte ich außer Atem. Es fühlte sich an, als hätte ich eine dicke Bronchitis und nur einen Liter Lungenkapazität. „Ich bringe Sie hin."
Aufgeregt folgte ich der Schwester durch das wuselige Krankenhaus. Ich musste mich immer bremsen. Für meinen Geschmack ging sie viel zu langsam. Sie brachte mich auf die Intensivstation. „Bitte verhalten Sie sich ruhig", mahnte die Schwester mich, ehe wir das Zimmer betraten. „Oh", seufzte ich mit Tränen in den Augen.
Dano.
Ich trat an sein Bett und fing an zu weinen.
Vor Freude, weil er überlebt hat.
Vor Wut, weil er zu schnell gefahren ist.
Und vor Angst, weil ich ihn fast verloren hätte.
„Ich lasse Sie beiden mal allein."
Schluchzend nahm ich mir den einen Stuhl und setzte mich hin. Vorsichtig ergriff ich seine Hand. Er lag im künstlichen Koma, hatte mir die Schwester erzählt. So soll er schneller wieder gesund werden.
„Oh mein Gott, Dano", weinte ich. Tränen tropften von meinem Gesicht auf seine Hände. „Du Vollidiot. Wie kannst du mir sowas antun?", flüsterte ich zittrig.
Die Geräte piepten. Ich war so beruhigt, dass er atmete. Seine Augenlider flatterten. Er sah so schlimm aus. Überall blaue Flecken, Schürfwunden. Ich wollte mir gar nicht seine Schmerzen vorstellen. Gebrochene Wirbel. Er hatte so enormes Glück. Wenn die Wirbelsäule anders zersplittert wäre, hätte er nie wieder laufen können. Aber es schien alles gut. In ein paar Tagen würde ich mit ihm reden können.
Ich spürte, wie hart mein Herz in meinem Brustkorb schlug. Dano war dem Tod so knapp entkommen. Und das alles nur, weil ich mich mit ihm streiten musste. Wegen so etwas Unnötigem. Mit Emotionen Motorrad fahren ist auch das dümmste, was man tun kann. Innerlich backpfeifte ich mich selbst dafür. Ich hatte ihn so aufbrausend gemacht. Nie wäre er sonst so schnell in eine nasse Kurve gefahren. Und ohne den Streit wären wir früher los und wären auch nicht auf den Jeep gestoßen.
Verdammt.
Es war meine Schuld.
Wieder fing ich an zu schluchzen. Mein Herz war so schwer vor Trauer.
Alles meine Schuld.
Ich legte meinen Kopf auf Danos lila-rote Hand und heulte mich aus. Mein Brustkorb bebte und ich konnte kaum Luft holen. Noch nie in meinem Leben hatte ich so geweint. Oder je so einen Schmerz gespürt. Wenn ich könnte, würde ich jeden Schmerz, den Dano spürte und spüren wird, auf mich nehmen. „Oh bitte, werd schnell wieder gesund", schluchzte ich und strich über seine Haare. „Du kannst mich noch nicht verlassen. Ich brauch dich noch." Sanft streichelte ich mit meinem Daumen über seinen Handrücken. Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Jetzt, wo ich die Gewissheit hatte, dass er wieder wird, fragte ich mich, wie sein Motorrad aussah. Und ob er eine gute Summe bei der Versicherung rausholen konnte. Ich genauso. Schließlich war meine neu. Aber das konnte warten. Wichtig war, dass Dano aufwachte und sich wieder aufrappelte.

Forever Teachers Pet (Lehrer x Schülerin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt