Kapitel 33

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Die darauffolgenden Tage waren der Horror gewesen. Ständig hoffte ich darauf, dass mich das Krankenhaus anrief, um mir mitzuteilen, dass mein Mann aufgewacht ist. Aber der Anruf kam nicht. Natürlich verbrachte ich jede Besucherzeit im Krankenhaus. Aber es änderte sich nichts. Calle war so gütig und hat mich für zwei Wochen freigestellt. Man sah mir an, was für ein Wrack ich war. Andererseits hätte mir die Arbeit gut getan, ein bisschen Ablenkung war immer besser, als sich Zuhause einzuschließen und sich genug Freiraum für seine negativen Gedanken zu geben.
Ich schlief schlecht, ich aß kaum etwas und jedes Mal, wenn ich versuchte Sport zu machen, fühlte es sich falsch an. Klar, wie sollte sich ein Training auch gut und fordernd anfühlen, wenn man kaum und dann auch noch schlecht schlief und seinem Körper die Energiequelle verwehrte.
Wie immer fuhr ich nachmittags zum Krankenhaus. Ich lächelte die Schwestern müde an und betrat Danos Zimmer. Ich war allein mit ihm. „Hi", flüsterte ich lächelnd und setzte mich neben ihn auf die Bettkante. Wie die Tage zuvor auch erzählte ich ihm von meinem Tag und dass er gefälligst aufwachen solle. Auch wenn ich wusste, dass die Ärzte bestimmten, wann die Patienten wieder aus dem künstlichen Koma erwachten.
Ich seufzte.
Noch länger würde ich diesen Zustand nicht aushalten. Behutsam streichelte ich seine Hand. „Ich liebe dich", hauchte ich. Sein Zeigefinger zuckte. Verwirrt starrte ich auf seine Hand, dann in sein Gesicht.
Ist es soweit?
Seine Finger zuckten nun etwas doller. Euphorisch sah ich in sein Gesicht. Dano gab ein gequältes Stöhnen von sich. Er hörte sich an wie ein schwerfälliges Tier, welches versuchte aufzustehen. „Dano?", fragte ich strahlend und mit Tränen in den Augen. Wieder stöhnte er. Dabei stieß er angestrengt Luft aus. „Hey." Ich legte meine Hand an seine Wange. Sie war ganz warm. Dano schlug seine Augen auf.
Na endlich!
„Dano!", juchzte ich. Seine Augen irrten umher, dann blinzelte er ganz oft. „Oh, mein Schatz", weinte ich lächelnd. Nun konnte ich endlich wieder schlafen. „Nova", stöhnte er leise und hob seine eine Hand. Zumindest versuchte er das. Mit Tränen in den Augen sah ich ihn an. „Ich bin hier", flüsterte ich und nahm seine Hand, übernahm für ihn den Kraftakt, seine Hand an meine Wange zu legen. Ich schmiegte mich an sie. „Ich liebe dich auch", seufzte er schmerzerfüllt. Eine Schwester kam rein. „Ist er aufgewacht?", fragte sie und checkte die Geräte. „Ja", hauchte ich mit zittriger Stimme. „Endlich."
Dano nahm seine Hand wieder runter, wahrscheinlich war es noch zu anstrengend auch nur den Arm oben zu halten. Aber seine Augen fixierten mich.
„Wie geht es Ihnen?", fragte die Schwester laut und langsam. „Ich bin müde", antwortete Dano schwach. „Das ist normal. Sie können schlafen, wenn Sie möchten."
„Nur, wenn meine Frau hierbleiben darf", bestand er. Man verstand ihn kaum. Seine Zunge schien noch im Koma zu liegen. Ich sah die Schwester an. Sie sah nicht begeistert aus, nickte dann aber. „Okay, aber passen Sie auf, dass sie nicht an die Schläuche oder Geräte kommen. Und wenn was ist, bitte sofort klingeln", wies sie mich ein. Ich nickte und schaute dann wieder Dano an. Seine Augen sahen so ermattet aus. „Komm her", stöhnte er. Vorsichtig legte ich mich neben ihn. „Schlaf, mein Hase. Dann erzähl ich dir alles." Behutsam strich ich ihm die Haare aus der Stirn. „Ich hab dich vermisst", seufzte er, kurz vorm Einschlafen.
Insgesamt fünf Tage lag Dano im künstlichen Koma. Ich hatte ihn so schrecklich vermisst. Und mir solche Sorgen gemacht, dass er es vielleicht doch nicht schaffte. Als Antwort küsste ich seine Schläfe. Seine Hand suchte die meine und kaum hatten sich unsere Finger verflochten, schlief er ein. Und auch mich übermannte die Müdigkeit. Selbst das Piepsen der Geräte störte mich nicht.

Als ich wieder aufwachte, waren meine Augen verklebt. Ich hatte keinen blassen Dunst, wie spät es auch nur sein könnte. Verwirrt suchte ich mein Handy.
19:34
Aha.
Ich rappelte mich auf. Dano schlief noch tief und fest. An meinen Armen hatte ich Abdrücke von der Bettdecke. Ich richtete meine Hose und öffnete meinen Zopf. Ich fühlte mich so wie damals, als man bei seinen Freunden übernachtet hatte und sich, obwohl man den Tag vorher geduscht hat, fettige Haare und Haut hatte und sich wünschte, alles wieder abwaschen zu können. Mein Mann sah so friedlich aus. Ich gähnte.
Sollte ich ihn alleine lassen?
Passieren konnte nichts, aber er wäre enttäuscht. Und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Seufzend legte ich meine Hand auf seine Stirn. Sein Gesicht war von Blutergüssen überzogen. „Ich komme morgen wieder", hauchte ich gegen seine Lippen. „Nicht", wisperte er. „Doch, Dano. Schlaf ruhig weiter." Ich drückte seine Hand zum Abschied und ging aus dem Zimmer.
Ein schlechtes Gewissen hatte ich schon. Aber ich konnte schlecht im Krankenhaus schlafen.
Etwas beruhigter als vorhin, fuhr ich wieder nach Hause. Ich schrieb Calle, dass ich bald wieder arbeiten gehen konnte und er freute sich natürlich. Stellte aber auch noch mal klar, dass ich mir jederzeit eine Auszeit nehmen konnte, falls es mir doch zu schnell ging.

Am nächsten Tag eilte ich bereits morgens ins Krankenhaus. Ich brachte frische Wäsche mit. Dano war wach, als ich sein Zimmer betrat. „Da bist du ja", lächelte er schwach und gähnte. „Ich hab dir frische Klamotten mitgebracht." Ich stellte die Tasche auf den Stuhl, welcher gegenüber von seinem Bett stand, ab.
„Wie geht's dir?", fragte ich besorgt und setzte mich auf die Bettkante. „Beschissen. Wie soll's mir gehen?" Er war gereizt. Lag bestimmt am Entzug der Medikamente. „Ja, tut mir leid."
„Schon okay." Er nahm meine Hand. „Schon was von der Versicherung gehört?"
„Du bekommst nur die Hälfte von dem Kaufpreis erstattet, weil du zu schnell gefahren bist. Ich bekomme aber alles erneuert, habe ja nur ein paar Kratzer."
Er nickte. „Können wir uns dann erstmal dein Moped teilen? Habe momentan nicht das Geld für eine neue Maschine."
„Du wirst die nächsten Wochen weder meine, noch irgendeine andere Maschine fahren. Du wirst ruhig auf dem Bett liegen und Krankengymnastik machen. Du Vogel." Ich sah ihn böse an. „Aber ich hab noch Geld. Das können wir zusammenlegen."
„Auf keinen Fall." Er starrte gegen die Decke. „Warum nicht?"
„Weil ich nicht will, dass du mir was bezahlst. Schon gar nicht solche Beträge."
„Aber das bin ich dir schuldig."
Entsetzt sah er mich an. „Wie? Nova, glaubst etwa ernsthaft, dass der Unfall deine Schuld war?"
Ich sagte nichts, starrte ihm einfach nur in die Augen. „Nova, ich bitte dich. Du trägst am allerwenigsten Schuld. Schuld waren der Jeepfahrer und ich."
„Aber ich habe mich vorher mit dir gestritten und dich wütend gemacht."
„Mag sein, aber damit hast du doch nicht den Unfall heraufbeschworen." Er sah mich mitleidig an. „Bitte, Nova. Hör auf, so etwas zu denken." Tränen sammelten sich in meinen Augen.
Ich musste ihm etwas zurückgeben. Jetzt bezahlte ich ihm mal etwas.
„Die Zeit ist gleich vorbei, ich muss gehen", flüsterte ich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich weiß. Wir sehen uns morgen."
Ich küsste ihn und stand auf.

Forever Teachers Pet (Lehrer x Schülerin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt